Mord vor den Augen der Tochter
Schreckliche Bluttat mitten in München. Ein 45-jähriger Türke tötet eine junge Mutter und erschießt sich selbst. Das Motiv ist offenbar verschmähte Liebe.
MÜNCHEN Servet S. war rasend eifersüchtig – als der 45-Jährige erfuhr, dass seine Angebetete sich mit einem anderen Mann verlobt hatte, lauerte er ihr im Westend auf. Mit einem Revolver vom Typ Magnum schoss er Emine S. (24) gestern am Morgen auf offener Straße vier Mal in die Brust. Dann drehte er sich um und feuerte auf ihre fünf Jahre alte Tochter Sena. Die letzte Kugel im Lauf jagte er sich schließlich selbst in den Kopf.
Emine S. wollte gegen acht Uhr ihr Töchterchen in den nahe gelegenen Kindergarten bringen. Plötzlich stand Servet S., der Onkel ihres Ex-Mannes aus Wuppertal, vor ihr auf der Schwanthalerstraße. „Er hat auf sie eingeredet, sie angeschrieen, doch Emine wollte nichts von ihm wissen“, erzählt eine Bekannte aus der Nachbarschaft, die gestern zufällig Zeugin des Streits wurde: „Emine war verliebt, sie hatte seit vergangenen Sommer einen festen Freund, die beiden wollten heiraten.“
Fünf Schüsse krachten durchs Westend
Doch das stachelte seine Wut noch mehr an. Er folgte der bildhübschen Türkin gut 200 Meter bis zur Kreuzung Ganghofer- und Schwanthalerstraße. Dort geriet das Eifersuchtsdrama endgültig außer Kontrolle. Vor den Augen eines halben Dutzends entsetzter Passanten, darunter auch eines neun Jahre alten Schülers, zog Servet S. einen Revolver vom Typ „Smith&Wesson 38 Special“ und zog eiskalt immer wieder den Stecher durch: Fünf Schüsse krachten durchs Westend.
Neven J. (40) dachte zuerst, dass Kinder in der Nachbarschaft mit Knallfröschen spielen. Doch dann stürzte seine Frau ins Zimmer und schrie kreidebleich: „Unten auf der Straße schießt jemand auf eine Frau und ihr Kind.“
Neven J. rannte sofort auf den Balkon: „Ich sah eine junge Frau, die blutend am Boden lag und ein Mädchen, das daneben stand und weinte.“
Niemand wagte sich zu Sena
Leute schrieen in Panik wild durcheinander: „Der Kerl hat eine Waffe, bringt das Kind in Sicherheit.“ Doch niemand wagte sich zu Sena, aus Angst, der Schütze könnte nochmals feuern.
Was dann geschah, wird Neven J. für den Rest seines Lebens nicht mehr vergessen: „Der Mörder setzte sich neben die Frau auf den Boden, hielt sich wie in Trance den Revolver unters Kinn und drückte ab“. „Ich hab dort den Krieg erlebt“, erzählt der Koch aus Kroatien, „aber so etwas Furchtbares hab ich nie zuvor in meinem Leben gesehen.“
Die kleine Sena erlebte das grauenhafte Blutbad aus nächster Nähe. Sie stand die ganze Zeit neben ihrer Mutter und musste hilflos zusehen, wie sie verblutete.
Außer Lebensgefahr
Polizei und Rettungsdienst, die wenig später am Tatort eintrafen, kümmerten sich sofort um das Kind. Ein Feuerwehrmann nahm Sena auf den Arm. Dann verlor das Mädchen das Bewusstsein. Erst jetzt bemerkte einer der Helfer, dass Blut am Rücken des Kindes herablief. Sena wurde daraufhin sofort in eine Münchner Klinik gebracht und dort von einem Ärzteteam notoperiert.
Servet S. hatte aus nächster Nähe mit der Smith&Wesson auf seine Großnichte geschossen. Das 9-Millimeter-Projektil durchschlug den Brustkorb und den Rucksack des Mädchens. Sena ist inzwischen außer Lebensgefahr. Ihr Zustand sei stabil, teilten die Ärzte am Nachmittag mit.
Für die Mutter der Kleinen kam dagegen jede Hilfe zu spät. Emine S. erlag noch am Tatort ihren schweren Verletzungen.
Servet S. starb etwa eine Stunde nach dem heimtückischen Mordanschlag im Krankenhaus. „Wir sehen Eifersucht als Tatmotiv“, betonte Kriminaloberrat Josef Wilfling. Zunächst waren die Ermittler von einem so genannten „Ehrenmord“ ausgegangen, weil die junge Türkin ihren Mann verlassen hatte.
Krankhafter Liebeswahn
Servet S. war offenbar bis über beide Ohren verliebt in die 21 Jahre jüngere Frau – und das selbst, als Emine S. noch mit seinem Neffen verheiratet war. Er schrieb ihr Briefe, steigerte sich in seinen krankhaften Liebeswahn immer mehr hinein. Servet S. behauptete, sie hätten seit fünf Jahren eine Affäre miteinander, was die Frau aber immer bestritt.
2005 ließ sich Emine S. scheiden. Im vergangenen Januar zog die junge Mutter mit ihrer Tochter schließlich nach München, um hier bei ihrem Vater und ihrer Stiefmutter ein neues Leben zu beginnen. Emine S. fand einen Job als Putzfrau und schließlich sogar die Liebe ihres Lebens. Durdu Y. und sie wollten noch dieses Jahr heiraten.
Was aus der kleinen Sena wird, wenn sie wieder aus dem Krankenhaus entlassen wird, ist unklar. Möglicherweise darf sie bei ihren Großeltern in München bleiben. Ralph Hub