Möglicher Abriss: Münchner Familie sorgt sich vor Hamburger Investor

Eine Familie wehrt sich am Nockherberg gegen einen Investor aus Hamburg. Die Sorge: Er könnte ihr geschütztes Häusl in der Au abreißen.
von  Lea Kramer
Einst eine Bäckerei: das Haus an der Hochstraße 63.
Einst eine Bäckerei: das Haus an der Hochstraße 63. © Petra Schramek

München - An manchen Stellen ist sie vier Meter hoch. Teils ist die alte Ziegelmauer an der Hochstraße verputzt, teils ist sie nackt. Efeu klettert an ihr hinauf. Herausragend schön ist das Ziegelwerk nicht. Dennoch ist es ein Bauwerk, an dem sich eindrücklich zeigt, wie wenig der Denkmalschutz in München zählt.

Seit der Herbst begonnen hat, die Blätter am Isarhochufer zu färben, blicken Christian Teutsch und Katrin Sachs mit wachsender Sorge auf die Schotterbrache hinter ihrem denkmalgeschützten Häusl am Nockherberg. "Für Spätsommer war der Baubeginn auf dem Gelände angekündigt", sagt Teutsch.

Wird die Hochstraße das Uhrmacherhäusl der Oberen Au?

Baubeginn heißt für die Anwohner des früheren Paulaner-Areals vor allem eins: Abriss. Damit der neue Eigentümer des 9.000 Quadratmeter großen Baufelds mit dem Aushub der geplanten zweistöckigen Tiefgarage beginnen kann, soll eine etwa 125 Jahre alte Mauer weichen. Eine Mauer, die fest mit dem Haus von Familie Teutsch-Sachs und dem geschützten Gewölbekeller aus der Zeit um 1895 darunter verbunden ist.

Einst eine Bäckerei: das Haus an der Hochstraße 63.
Einst eine Bäckerei: das Haus an der Hochstraße 63. © Petra Schramek

"Unser Schlafzimmer grenzt an die Mauer", sagt Sachs, die selbst als Architektin in München arbeitet. Werde das alte Gemäuer eingerissen, sei die gesamte Statik des Hauses in Gefahr. "Dann haben wir hier das Uhrmacherhäusl 2.0", fügt ihr Mann hinzu, jenes Uhrmacherhäusl also, das in Obergiesing illegal abgerissen worden war und für viel Aufsehen in der Stadt gesorgt hatte.

Investor bietet Rückbau des Schlafzimmers an

Ein Umstand, auf den beide inzwischen nahezu jeden der involvierten Akteure bei Bauträgern, Denkmalämtern und der Stadt aufmerksam gemacht haben. Nach zwei Gesprächen mit dem Investor, einer Hamburger Immobilienfirma, ist die Familie ernüchtert. "Wir können auch ohne Sie – die Mauer ist doch sowieso schäbig", sei das letzte gewesen, was ein Vertreter der Becken Holding GmbH zu dem Thema sagte. Und dann gab es da noch einen unschönen Brief, in dem der Familie ein Hotel während der Zeit der Bauarbeiten sowie der eventuelle Rückbau des Schlafzimmers angeboten worden ist.

Die Arbeiten auf dem Baufeld haben noch nicht begonnen.
Die Arbeiten auf dem Baufeld haben noch nicht begonnen. © privat

Im Dezember 2017 hatte die Bayerische Hausbau, als Immobilien-Tochter der Schörghuber-Gruppe eigentlich federführend auf dem Areal, ein Baufeld sowie zwei Mehrfamilienhäuser an der Hochstraße an Becken verkauft. Geplant sind 13 Wohnhäuser in unterschiedlichen Höhen mit insgesamt 186 Luxuswohnungen.

Die alte Mauer muss weg – damit eine neue gebaut werden kann

Seinen Anspruch fasst Becken auf der Firmenwebseite folgendermaßen zusammen: Das Unternehmen wolle erreichen, "ein außergewöhnliches Stück Wohnqualität in guter Nachbarschaft zu realisieren".

Was das beinhaltet? Unter anderem: eine neu gebaute Mauer! Die soll, wenn 2022 alles fertig ist, den begrünten Innenhof der Wohnhäuser von den Bestandsgebäuden an der Hochstraße abschirmen sowie die Bewohner der Herbergshäuser vor Lärm aus der neuen Nachbarschaft schützen. Dem vom Stadtrat abgesegneten Bebauungsplan nach darf sie allerdings nur zweieinhalb Meter hoch werden.

Warum muss die alte Mauer dann überhaupt weg? "Das fragen wir uns auch", sagt Architektin Sachs. Sie glaubt, dass die Investoren die Gegebenheiten vor Ort anders eingeschätzt hatten und nun nicht mehr umplanen wollen – "das kostet Zeit und am Ende eben auch Geld". Dafür nehme das Unternehmen in Kauf, dass bei dem Abriss etwas schiefgehe.

Münchner Feuerwehrler muss tatenlos zusehen

"Mich stört, dass wir nichts dagegen tun können", sagt Teutsch. Er ist als Mitarbeiter der Berufsfeuerwehr eigentlich gut vernetzt. Einen Vorteil hat er dadurch nicht. Auch sein Anwalt habe ihm geraten zu warten, bis Becken mit dem Abriss beginnt. Denn: "Als Privatperson einen Baustopp bei einem Projekt in dieser Größenordnung zu erwirken, ist teuer."

Der Keller aus dem Jahr 1895 steht unter Denkmalschutz.
Der Keller aus dem Jahr 1895 steht unter Denkmalschutz. © privat

Bereits jetzt wird es eng mit dem Zeitplan, denn so richtig rund läuft es auf dem sogenannten "Baufeld 2(1)" offenbar nicht. Im März dieses Jahres hat Becken bei der Stadt einen Bauantrag eingereicht. Der wurde mittlerweile zurückgenommen. Er werde derzeit "überarbeitet und soll im Anschluss erneut eingereicht werden", sagt ein Sprecher des Planungsreferats. Und weiter: "Im Rahmen der Behandlung des neuen Bauantrags werden auch die aus der Nachbarschaft vorgebrachten Bedenken wegen der angrenzenden denkmalgeschützten Bebauung geprüft werden."

Der Investor klingt euphorisch

Bei Becken klingt das euphorischer. Der Gestaltungsbeirat des Projekts habe "unglaublich tolle Anpassungen" gemacht, die Becken nun gerne in seine Planungen aufnehme, heißt es aus Hamburg. Der Antrag sei aber nicht zurückgezogen, sagt die Berliner PR-Beraterin des Unternehmens, Susanne Franz. "In jedem Baugenehmigungsverfahren wird mit dem Bauantrag ein höherer Konkretisierungsgrad erreicht, aus dem sich Themen ergeben, die zwischen dem Bauherrn und der Verwaltung diskutiert werden", so Franz. Im Oktober soll der Verkauf der Wohnungen starten, "hinsichtlich des Gesamtprojektverlaufs befinden wir uns im Zeitplan".

Familie Teutsch-Sachs hat sich unterdessen an das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege gewandt und fordert für die Herbergshäusl, die allesamt aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts stammen, einen Ensembleschutz – die alte Mauer eingeschlossen. Eine Antwort steht noch aus.

Lesen Sie hier: Einblicke in das alte, wilde Haidhausen

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