Mobilitätsreferat testet Protected Bike Lanes in München – die AZ testet den Test

München - Radeln in der Stadt ist oft unangenehm, wenn die Autos links an einem vorbeirauschen. Ein wichtiger Bestandteil des Radentscheids sind deshalb sogenannte Protected Bike Lanes. Bedeutet: Autos und Fahrräder werden nicht mehr nur durch eine Markierung auf der Fahrbahn voneinander ferngehalten, sondern es werden zusätzliche Leitelemente, Poller oder Baken angebracht.
In anderen Städten wie London, Frankfurt oder Montreal sieht man diese schon häufig, seit Mai dieses Jahres hat das Mobilitätsreferat an fünf Orten in der Stadt selbst verschiedene Elemente angebracht. Zunächst einmal geht es um einen einjährigen Verkehrsversuch.
Bestehen die "Protected Bike Lanes" den Praxistest?
"Ziel und Zweck ist die Praxistauglichkeit", erklärt Holger Quick, der sich beim Radentscheid um technische Standards kümmert. Also: Halten die Elemente Regen und Schnee aus? Läuft das Wasser auf der Fahrbahn gut ab? Kommt im Winter der Räumdienst problemlos vorbei? Und: Sind die Elemente auch für alle gut sichtbar?
Um das zu untersuchen, hat die Stadt ein Ingenieurbüro beauftragt, das in regelmäßigen Abständen bei den Protected Bikes Lanes vorbeischaut und alles prüft. Außerdem sprechen die Mitarbeiter mit dem Rettungsdienst und dem Baureferat, die ja in der Praxis beurteilen müssen, ob der Sanka noch gut vorbeikommt oder im Notfall auch mal ein Element überfahren kann. Und ob es zum Beispiel mit der Straßenreinigung klappt.
Elemente sollen sich in Stadtoptik einfügen
Anders als in anderen Städten setzt man in München weniger auf Poller, sondern mehr auf horizontale Elemente. "Baustellen-Optik", so Holger Quick, soll so vermieden werden, die Bike Lanes sollen sich ins Stadtbild einfügen.
Quick sieht den Test sehr positiv. "Wenn man über so etwas theoretisch diskutiert, dann sind das immer sehr hitzige und kontroverse Diskussionen", sagt er der AZ. Wenn man die Elemente erst einmal ausprobiert, komme man mehr in einen Prozess. Man könne schauen, was passt und was nicht und einzelne Dinge verbessern. Was übrigens auch während des Tests passiert.
Im Vornherein gebe es viele Vorurteile - auch von Radlern: "Sie sagen, sie sind dadurch in ihrer Freiheit eingeschränkt." Weil man eben nicht überall vom Radlweg auf die Fahrbahn ausscheren kann. Dafür hätten sie jetzt im Gegenzug mehr Sicherheit, sagt Quick.
Für Testorte musste nichts umgebaut werden
Warum der Test gerade an den ausgewählten fünf Stellen stattfindet, hat mehrere Gründe. Man habe dort testen wollen, wo man baulich nichts verändern musste, erklärt Quick. Sonst hätte der gesamte Prozess viel länger gedauert. An den Testorten mussten keine Parkplätze entfallen, an allen gibt es bereits einigermaßen breite Radstreifen und auch nur wenige Zufahrten, an denen man die Elemente hätte unterbrechen müssen.
Das Ziel des Tests sei es eben, die Elemente auf ihre technische Tauglichkeit zu prüfen - und nicht, schon geeignete Standorte für die finalen Protected Bike Lanes zu suchen. Beim Verkehrsversuch wird von der Stadt nicht abgefragt, wie die Radler die Protected Bike Lanes finden. Deshalb hat die AZ selbst getestet.
Plinganserstraße, kurz vorm Harras: Ziemlich massiv

System: Bike Lane Protector
Teststrecken-Länge: 136 Meter
Fahrtrichtung: Süd-Nord
Höhe: 0,5 Meter
Eingesetzt schon in: Wiesbaden
Die Bike Lane Protectoren wurden 2019 gemeinsam mit der Stadt Wiesbaden entwickelt. Die Elemente werden auf der Fahrbahn verschraubt und sind die massivsten im Test. Einen Durchgang für Fußgänger gibt es.
Hier kommt garantiert kein Autofahrer auf die Idee, auf den Radweg zu fahren. Auf breiten Straßen mit schnellem Verkehr bieten diese Elemente ein gutes Sicherheitsgefühl. Allerdings wirken sie massiv und fügen sich auf kleineren Straßen nicht ganz harmonisch ins Bild ein.
Domagkstraße West: Weiße Linie

System: Klemmfix-Leitschwellen
Teststrecken-Länge: 217 Meter
Höhe: 90 Millimeter
Fahrtrichtung: West-Ost
Eingesetzt schon in: Frankfurt am Main
An der Domagkstraße gibt es zwei Teststrecken kurz hintereinander. Die erste, an denen durchgängig weiße Klemmfix-Elemente mit vertikalen Baken verbaut sind, startet an der Hans-Döllgast-Straße, führt die Brücke hinauf und endet an der Bushaltestelle Domagkstraße. Laut Hersteller haben die Klemmfix eine rutschfeste Unterseite und müssen deshalb nicht verklebt oder zusätzlich verschraubt werden.
Da die Elemente weiß sind, fügen sie sich gut ins Straßenbild ein. Die Baken sorgen für Sichtbarkeit, sind dafür aber weniger schick. Viele Radler sind hier nicht unterwegs, was vielleicht auch daran liegt, dass in der Fahrtrichtung West gar kein Radlweg vorhanden ist.
Domagkstraße Ost: Klötzchen an Klötzchen

System: Beton-Klebeelemente
Teststrecken-Länge: 120 Meter
Höhe: elf Zentimeter
Fahrtrichtung: West-Ost
Die Beton-Klebelemente, die auf der Domagkstraße ab der gleichnamigen Bushaltestelle beginnen, sind bestimmt die subtilsten im Test. Sie werden direkt auf die Fahrbahn geklebt.
Zwar reflektieren sie auch etwas Licht, bei Schnee oder Dunkelheit fallen sie aber sicherlich nicht genug auf. Auch deshalb sollen sie bald durch zusätzliche vertikale Elemente ergänzt werden, sagt Holger Quick vom Radentscheid. Vorteil dieser Lösung: Fußgänger haben hier überall gute Querungsmöglichkeiten.
Kapuzinerstraße, beim Südfriedhof: Super subtil

System: Wand-Orca
Teststrecken-Länge: 155 Meter
Fahrtrichtung: Ost-West
Höhe: acht Zentimeter
Eingesetzt schon in: London, Frankfurt am Main
Noch ist das Element hier an der Kapuzinerstraße sehr subtil. Nur am Anfang markiert eine rot-weiße Bake, dass hier der Verkehrsversuch beginnt, danach beginnt die bis auf eine Unterbrechung durchgängige Schutzvorrichtung. Die Wand-Orcas sind mit acht Zentimetern nicht sehr hoch und sollten für Fußgänger kein Hindernis darstellen. Wobei: Wer rennt hier auch über die viel befahrene Straße?
Außerdem fügen sie sich gut ins Straßenbild ein, weil sie nicht klobig sind. Andererseits sind die Elemente durch ihre Farbigkeit und Höhe massiv genug, um ein Sicherheitsgefühl zu erzeugen. Dieses wird noch ergänzt werden: Wie Holger Quick der AZ sagt, wird diese Protected Bike Lane bald um ein paar vertikale Elemente, ähnlich wie die in der Brienner Straße, vervollständigt.
Brienner Straße, beim NS-Dokuzentrum: Kurze Zebras

System: Bordstein-Orca
Teststrecken-Länge: 132 Meter
Fahrtrichtung: Ost-West
Höhe: zehn Zentimeter
Eingesetzt schon in: London, Frankfurt am Main
Die Bordstein-Orcas bezeichnet Holger Quick vom Radentscheid als sein "Lieblingselement". Man könne sie nach Belieben zusammenbauen. Im Verkehrsversuch in der Brienner Straße hat man sie mit vielen Pollern kombiniert. Dafür sind die Abstände zwischen den Elementen luftig gehalten, was Fußgängern das Queren einfach macht. Die vielen Poller erhöhen zudem die Sichtbarkeit enorm, denn sie sind mit Reflektoren ausgestattet.
Wer sich sorgt, was passiert, wenn man dagegen fährt, sei beruhigt: Die Elemente können einfach überfahren werden. Sie knicken ein, wenn man dagegen rumpelt und stellen sich dann selbstständig wieder auf. Für den Rettungsdienst ist diese Eigenschaft wichtig. Die Fahrbahn wird selbst bei so einem Zwischenfall nicht beschädigt. Die Bordstein-Orca selbst sind mit zehn Zentimetern etwas höher als die Wand-Orcas vom selben Hersteller, die in der Kapuzinerstraße zum Einsatz kommen. Weil sich helle und schwarze Flächen abwechseln, sind sie gut sichtbar, fügen sich aber gut ins Straßenbild ein.