Mitten auf dem Geschwister-Platz: Zelten für die Bildung
Münchner Studenten gehen aus Protest nicht nur auf die Straße, sie übernachten dort sogar. Bis Freitag findet vor der LMU das „Bildungscamp“ statt – mit Diskussionen und einer großen Demo
MÜNCHEN Seit Sonntag herrscht vor der Ludwig-Maximilians-Universität Ausnahmezustand. Was auf den ersten Blick wie ein Mini-Woodstock aussieht, ist in Wirklichkeit das Bildungscamp. Im Rahmen des bundesweiten Bildungsstreiks campieren Studenten in München sechs Nächte lang auf der Wiese am Geschwister-Scholl-Platz.
„Das Bildungscamp ist unser Modell für eine ideale Hochschule. Unser Bildungsangebot ist frei zugänglich und jeder kann sich einbringen“, sagt Mitorganisatorin Roxanne Phillips. „Die Politik redet laufend über die ,Bildungsrepublik’, aber weigert sich, sie zu finanzieren. Wir zeigen, wie es sein könnte.“ Die Workshops, Podiumsdiskussionen und Kulturangebote sind alle kostenlos. Sogar Nachhilfe und Hausaufgabenbetreuung gibt es von den Studenten zwischen 16 und 18 Uhr für lau.
Von Sonntag auf Montag haben bereits 30 Leute auf den Wiesen vor der Uni übernachtet. Trotz Gewitter und Regengüssen. Einer davon ist Stefan Mauerberger, 29. „Solche Protestaktionen sind wichtig, denn das Bildungswesen in Bayern ist eines der undemokratischsten überhaupt“, sagt Stefan. Mehr Mitbestimmung und weniger soziale Selektion durch Gebühren würde sich der Physikstudent wünschen. „Unsere Bildung prägt schließlich unser ganzes Leben“, sagt Stefan, der auch schon bei der Besetzung des Audimax dabei war. „Dagegen war es hier fast erholsam“, verrät er, während er sich seinen Morgen-Kaffee über dem Gaskocher aufbrüht. Im eigenen Zelt und und mit Brunnenplätschern im Hintergrund lässt es sich ja auch ganz gut aushalten.
Dennoch sind die Studis nicht zum Spaß hier. Schließlich haben die Proteste im vergangenen Jahr zu Verbesserungen im Bachelor- und Mastersystem geführt, Anwesenheitspflichten sind gefallen und der Prüfungsdruck wurde reduziert. „Es gibt dieses ideale Bildungssystem, es ist umsetzbar“, sagt Roxanne „man muss es nur wollen“.
Die große Bildungsstreikdemo findet am Mittwoch ab 12 Uhr statt. Bis Freitag können Studenten und Interessierte noch an Vorträgen und Podiumsdiskussionen teilnehmen, etwa zum Thema Bologna-Reform (Donnerstag 10 Uhr) und Stressbewältigung (Freitag 14 Uhr), oder aber bei kreativen Workshops wie Poetry Slam (Donnerstag 14 Uhr) oder Percussion (Donnerstag 16 Uhr) mitmachen. Am Samstag wird wieder abgebaut. Bis dahin treten auf der Bühne jeden Abend ab 21 Uhr unterschiedliche Bands auf. Dienstags spielen unter anderem die Donkey Shots, Donnerstag die Express Brass Band. Für Stefan ist Dienstag schon Schluss: „Protest muss sein, aber meine Diplomarbeit muss auch geschrieben werden.“ Vanessa Plodeck