Mit Handbike: Rollstuhlfahrer schafft Alpenüberquerung
Beindruckende Leistung: Dank eisernem Willen, einem revolutionären Bike und guten Freunden hat der Allgäuer Felix Brunner (24) als erster Rollstuhlfahrer eine Alpenüberquerung mit dem Handbike geschafft.
München/Hopferau 12000 Höhenmeter, 480 Kilometer. Von Füssen im Allgäu nach Riva del Garda am Gardasee. Über Geröllpisten, schmale Felswege und steile Pässe. Eine Alpenüberquerung ist ein ehrgeiziges sportliches Vorhaben. Und für einen Rollstuhlfahrer bisher nicht denkbar.
Für Felix Brunner (24) aus Hopferau bei Füssen war das kein Hindernis. Brunner sitzt seit einem Unfall im Rollstuhl - und ist gerade von einer Alpenüberquerung zurückgekehrt. Neun Tage hat er gebraucht. Mit einem speziellen Handbike, einer Art Fahrrad für Rollstuhlfahrer, das mit den Armen angetrieben wird, und einem Team aus acht Freunden, alle gestandene Mountainbiker, die die Tour mitmachten. Und halfen, wenn es doch nicht weiterging. Etwa als eine Mure die Route verschüttet hatte oder der Weg nur gerade so breit genug für sein Bike war.
„Von der Transfusion zur Transalp“ taufte Brunner das Projekt. Der Titel passt zu seiner persönlichen Geschichte und erinnert auch an seinen Sponsor: den Blutspendedienst des Roten Kreuzes. Über ein Jahr hat er geplant und hart trainiert. Und er hat sich ein spezielles, geländetaugliches Bike aus den USA besorgt. „Mit den normalen Handbikes für die Straße kann man solches Gelände und solche Steigungen nicht fahren“, erklärt er.
Bevor es am 3. August in Füssen losging, war die Anspannung groß: Hält die Kondition, das Material, das Wetter?
"Für mich war das Projekt wie eine Expedition", sagt Felix Brunner. "Bergsteiger, die auf den Mount Everest wollen, wissen vorher auch nicht, ob es wirklich klappt." Felix' Vater, ein passionierter Mountainbiker, hat die Route vorher ausgekundschaftet. Egal, ob bei Regen oder bei 36 Grad Hitze - die geplanten Etappen wurden gestemmt.
Am ersten Tag springt dauerns Felix' Kette raus, der Techniker bastelt einen neuen Kettenspanner aus einem Stück Cola-Flasche, Panzertape und Kabelbindern. Nur einmal regnet es so stark, dass sie sich einen Tag Pause gönnen. Dafür nehmen sie die Strecke über den Passo Gavia, mit 2604 Metern der höchste Punkt der Tour, und den Passo Tonale gleich auf einmal. Ursprünglich war die als drei Etappen geplant. "Wir waren einfach so gut drauf und die Maschine, also das Team, hat so gut funktioniert, dass wir das einfach an einem Tag gemacht haben", erzählt Felix. 2200 Höhenmeter und 85 Kilometer legt die Truppe an diesem Tag zurück. "Das war unsere Hammer-Etappe, unser Challenge Day", sagt Felix.
Bergsteigen war „schon von kleinauf“ Felix’ Lebensinhalt. Felsklettern im Sommer, Eisklettern im Winter. Er engagierte sich im Alpenverein und bei der Bergwacht.
Bis zu seinem Unfall mit 19. Beim Eisklettern stürzt er 30 Meter in ein Bachbett. Seine linke Beinvene ist verletzt, Hüfte, Becken, Oberschenkel und Ellbogen quasi pulverisiert. Felix verliert vier Liter Blut, eigentlich ist allein das tödlich. Später kommen Komplikationen wie eine Sepsis dazu. Insgesamt acht Monate liegt Felix im künstlichen Koma, über 60 Operationen und mehr als 800 Blutkonserven braucht es, um ihn am Leben zu halten. Mehr als einmal sagen die Ärzte den Eltern, sie sollten sich von ihrem Sohn verabschieden, er werde es nicht schaffen.
Doch Felix schaffte es.
Er werde nie mehr sitzen oder aufstehen können, hieß es dann. Heute kann er all das. Und er macht wieder Sport. Handbike im Sommer, Monoski im Winter. Zwar sitzt er im Rollstuhl, eine Folge der langen Zeit im Krankenhaus, aber mit Krücken und Schienen kann er stehen und ein paar Schritte gehen.
„Ich hatte lange so eine Art naiven Optimismus, dass alles wieder so wird wie vorher“, sagt Felix nüchtern, aber lächelnd. "Das hat geholfen".
Dennoch, in der Reha folgte ein Umdenken. Er akzeptierte die Behinderung und den Rollstuhl und setzte sich neue Ziele. „Ich wollte wieder Autofahren und wieder Sport machen. Wenn man sich Ziele setzt, kann man alles schaffen“, sagt Felix voller Überzeugung. Seine Tour soll auch anderen zeigen, was mit Rollstuhl möglich ist. Kein Wunder, dass Felix als Motivationstrainer in Kliniken, Schulen und für Firmen arbeitet.
Und er hat schon neue Ziele: Ab November startet er mit dem Rennen fahren auf dem Mono-Ski. Mögliches Fernziel: Die Paralympics 2018.
- Themen:
- Bergwacht