Mit einem DJ durch die Club-Nacht

Die Kunst des passenden Songs: Christoph Lindemann legt im „Konsulat“ auf
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Christoph Lindemann an seinem Arbeitsplatz. Als DJ muss er schnell auf die Stimmung der Clubgäste reagieren können.
Siegfried Sperl 3 Christoph Lindemann an seinem Arbeitsplatz. Als DJ muss er schnell auf die Stimmung der Clubgäste reagieren können.
Selbst dder Scratch-Rhythmus wird mittlerweile digitalisiert.
Siegfried Sperl 3 Selbst dder Scratch-Rhythmus wird mittlerweile digitalisiert.
Feierabend: Lindemann macht sich auf den Heimweg.
Siegfried Sperl 3 Feierabend: Lindemann macht sich auf den Heimweg.

Die Kunst des passenden Songs: Christoph Lindemann legt im „Konsulat“ auf

Eine kalter Mittwochabend in München. Aber im Glockenbachviertel trifft man selbst an Wochentagen um halb zwei Uhr nachts noch vereinzelt Partygänger an. Unter ihnen ist Christoph Lindemann. Als einer der Privilegierten, die Arbeit und Vergnügen an einem Abend unter einen Hut bringen, geht er jetzt nach getaner Arbeit schnellen Schritts auf die einfahrende Trambahn zu.

Neben seiner Haupttätigkeit als Musikexpress-Redakteur ist der gelernte Journalist immer wieder mal in Hamburg, Salzburg oder eben München zur Verzauberung des party-affinen Jungvolks unterwegs: Christoph Lindemann ist DJ. Heute war wieder einer dieser Abende, an dem die Musik den Ton angibt im Leben des 36-Jährigen und er alias XTOPH durch die Bars tourt.

Kurz vor 21 Uhr zwängt er sich mit seinem großen Rucksack - unter dem linken Arm sein Laptop-Tischchen geklemmt- durch die schmale Eingangstür des „Konsulats“ in der Klenzestraße. Durch den gut gefüllt Raum vorbei an Anzugträgern und Unternehmensberatern (einer eher seltenen Erscheinung im sonst ungezwungenem Ambiente der kleinen Bar) geht er zielgerichtet an seinen heutigen Arbeitsplatz nachdem er zuvor einen herzlichen Plausch mit Sedat Perktas, dem Besitzer des Ladens, geführt hat.

Hindergrundbeschallung von XTOPH

Dann packt er seinen Rucksack aus, zieht zwei LPs hervor, schaltet seinen Laptop an und schließt ihn über sein Audio-Interface an den Schallplattenspieler an. Kurze Zeit später beschallen die Beach Boys, Pixies und White Stripes die Gäste am Tresen und auf den im Licht rötlich schimmernden Lederhockern. Als „Hintergrundbeschallung“ beschreibt XTOPH seinen stressfreien Job an diesem Abend.

Alle paar Minuten greift er zu seinen Kopfhörern und hört in den nächsten Song rein, der am Laptop gespeichert ist. Dann berührt er mit seinen Fingern die LP am rechten Plattenspieler und scratcht sie gekonnt. Der erzeugte Rhythmus wird durch das Audiointerface digitalisiert und ermöglicht so das Einspielen von zwei Songs analog mit dem selben Basisrhythmus.

Dabei ist jeder Handgriff Lindemanns routiniert, von Nervosität keine Spur: „Aber als ich vor drei Jahren angefangen habe, aufzulegen, war ich vor meinen Auftritten ziemlich nervös und habe den ganzen Tag lang Songs zusammengestellt. Es ist nicht immer einfach, die richtige Mischung aus bekannten und unbekannten Songs zu finden.“ Daher ist er auch in seiner wenigen Freizeit viel in Clubs unterwegs, um „das Potential eines Songs zu erkennen.

Zu fortgeschrittener Stunde mischen sich noch ein paar Stammkunden unter die Anzugträger im „Konsulat“ und lockern das strenge Ambiente auf. Die wenig verbliebenen Gäste versammeln sich nun um die Bar, die mit einer kunterbunten Flaschensammlung an Wodka, Rum und Gin ausstaffiert ist. Stolz präsentiert Sedat bei der Gelegenheit seinen Münchner Gin „The Duke“, der ihm von Freunden aus dem Glockbachviertel geliefert wird und als Longdrink für 6,80 Euro (Einführungspreis) erhältlich ist.

Billy Idol im Electrosong

An Wochenenden kann man dann auf den Ledersofas des lauschigen Séparées seinen Drink genießen, während sich alle anderen im vorderen Teil der Bar dicht an dicht drängen. Aber an diesem ruhigen Mittwochabend gibt es Mainstreamhit von Amy Whinehouse wäre an diesem Abend vertretbar. Ganz im Gegenteil zu den großen Clubs, in denen er manchmal auflegt. „Da überlege ich mir zuvor immer eine Playlist, wo ich dann gerne auch mal an der richtigen Stelle Billy Idol in einen Electrosong mische. Das hat mein Publikum in Salzburg vor kurzem wohl nicht überzeugt. Bei Billy Idols ,Mony Mony’ hat sich sofort die Tanzfläche geleert. Dafür war später bei Falco der Club kurz vorm Abheben.“ Andere Länder, andere Sitten.

Über 2500 Songs hat er auf seinem Apple-Computer akribisch in die verschiedenen Genres geordnet. Und so hat er selbst bei Stimmungsschwankungen seines Publikums schnell den passende Titel zur Hand. Organisation ist auch im Leben eines DJs der halbe Lohn. Doch er weiß, „dass eine große Musiksammlung noch keinen guten DJ hervorbringt“. Neben der ständigen Suche nach musikalischen Neuerungen ist die Leidenschaft, andere mitzureißen, noch wichtiger für einen guten Musikunterhalter.

An diesem Abend ist das Publikum eher auf Flirten und Quasseln aus – Lindemann greift zu seinem Glas Mineralwasser, bevor er den letzten Song einlaufen lässt und seine Kopfhörer abnimmt. Hinterm Tresen warten schon Sedat und die Kellnerin Stella, um auf den gelungenen Abend anzustoßen. Dann packt Lindemann seinen Rucksack und verschwindet durch die Bartüre des „Konsulat“; beschwingt und lebendig, wie er vor fünf Stunden kam.

Christine Huber

Konsulat, Klenzestraße 51, Di. bis Do. 18-2 Uhr, Fr./Sa. 18-3 Uhr, Tel 089/41878038, am 14. Januar legt Christoph Lindemann auf

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