Mit deutscher Disziplin

In München spielt der höchstklassige griechische Fußballklub der Republik – zu Besuch bei Athanasios Mentis vom Herakles SV.
Florian Bogner |
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In München spielt der höchstklassige griechische Fußballklub der Republik – zu Besuch bei Athanasios Mentis vom Herakles SV.
az In München spielt der höchstklassige griechische Fußballklub der Republik – zu Besuch bei Athanasios Mentis vom Herakles SV.

 

München - Athanasios Mentis sagt, er habe drei Kinder: Tochter Marina, Sohn Spiros und Herakles – seinen Fußballklub. „Ganz klar: Ich lebe für meinen Verein“, sagt Mentis inmitten unzähliger Zeitungsartikel und Fotos über seinen Herakles SV München, dem höchstklassigen griechischen Fußballverein Deutschlands. Die Bezirkssportanlage an der Meyerbeerstraße in Obermenzing ist quasi sein zweiter Wohnsitz, neben seiner Wohnung in Puchheim, in der Münchner Diaspora.

In seinem kleinen Büro, vielleicht zwölf Quadratmeter groß, steht ein Schreibtisch, Regale und eine ausziehbare Couch. Der 53-Jährige mit den etwas wirr vom Kopf abstehenden Haaren ist Gründervater, Präsident, Trainer und Wirt in einem. Und wenn seine Vereinsarbeit mal wieder länger dauert, dann schläft er im Büro. Auf der Couch. „Ich mache das alles mit Liebe, nicht wegen des Geldes“, sagt er, denn seit fast 30 Jahren ist er ehrenamtlich tätig. 280 Mitglieder hat sein Verein mittlerweile.

Mentis könnte man ein fleischgewordenes Beispiel für gelebte Integration nennen, wenn der Begriff nicht schon so durchgekaut wäre. In München leben etwa 20500 Griechen – sie sind nach Türken, Kroaten, Italienern und Österreichern die fünftgrößte ausländische Bevölkerungsgruppe. Es waren mal 40 000, viele sind in den „goldenen Jahren“ (Mentis) vor der Krise in die Heimat zurückgekehrt. „Durch die EU ist sehr viel Geld ins Land geflossen. Sicher leiden viele, aber es gibt auch viele reiche Leute in Griechenland, mehr als in Deutschland“, sagt Mentis. Als die Familie des damals zehnjährigen Athanasios 1969 nach Puchheim kam, waren die Verhältnisse noch anders. Der Vater findet damals Arbeit bei einem Maler, wird später Vorarbeiter.

Die Tochter studiert Politik in Athen, der eine Sohn, Paul, später zweimaliger Weltmeister im Bodybuilding, studiert Betriebswirtschaft. Der andere, Athanasios, den alle nur Sakis rufen, macht eine Mechanikerlehre, geht aber eigentlich nur seiner einzigen Leidenschaft nach: dem Fußball. 1984 gründet er mit gerade mal 25 Jahren einen eigenen Verein: den Herakles SV. Das Kürzel „HSV“ passt gut, weil Mentis damals den Hamburger SV verehrt. Herakles, griechisch für Herkules, soll Stärke demonstrieren. Er selbst spielt anfangs noch mit. „Passnummer 0001“, sagt er stolz und kramt seinen alten Spielerpass hervor.

Mentis hat darauf noch schwarze Haare, die ebenso lustig vom Kopf abstehen wie jetzt. Auch wenn der Griechen-Verein anfangs skeptisch beäugt wird, stellt sich schnell Erfolg ein – in nur fünf Jahren gelingt der Durchmarsch bis in die Bezirksliga. „In München gibt es viele ausländische Mannschaften, die Probleme machen“, sagt Mentis. Er meinte damals bloß: „Passt auf, ich zahle hier auch meine Steuergelder, also gleiches Recht für alle! Wir kommen jetzt Mittwoch und Freitag und spielen hier.“

Seit 1989 ist die Bezirkssportanlage nun Herakles' festes Zuhause. Und heute spielt der Verein nur eine Liga unter der Bezirksliga in der Kreisliga. „Unser Kunstrasenplatz heißt Bernabeu-Stadion, weil wir dort wie Real Madrid unschlagbar sind“, sagt Mentis stolz. Das Credo des Tausendsassas ist in all den Jahren ohnehin gleich geblieben: „Ohne deutsche Disziplin geht's nicht.“ Wenn er dabei ist, verhalten sich alle seine Jungs deshalb auch wie „absolute Jungfrauen“. Wer aus Griechenland nach München kommt und Fußball spielen möchte, landet heute zwangsläufig bei Mentis.

Auf Amateurfußballebene ist er in München bekannt wie ein bunter Hund. Seine guten Kontakte nach Griechenland führten dazu, dass die Top-Klubs Olympiakos Piräus und AEK Athen schon nach Obermenzing kamen, um vor über 3000 Zuschauern gegen den Herakles SV zu spielen. „Sicher wird es bei uns auch mal laut – das ist unsere Mentalität“, sagt Mentis und räumt mit einem Vorurteil auf: „Viele meinen dann sofort, wir streiten. Wir schreien, sind aber nicht aggressiv. Das ist eben unsere Art der Kommunikation.“

Wenn die erste Mannschaft trainiert, gibt es immer einen oder zwei Spieler, die frisch in München sind und noch kein Deutsch verstehen. Deswegen bellt Co-Trainer Christos Natsiopoulos seine Anweisungen immer zweisprachig über den Platz. Mentis hat auch drei Deutsche und zwei Italiener ins Team integriert: „Fußball bringt die Leute eben zusammen.“

Seit der Eurokrise hat es auch Anfeindungen gegeben: „Deppen gibt’s überall. Die kriegen eine saubere Antwort und dann passt es wieder“, sagt Mentis. Auf dem Fußballplatz, wo sonst gerne mal unsachlich argumentiert wird, sei es ohnehin nicht so schlimm wie im normalen Alltag oder Berufsleben. „Seitenhiebe wie: ‚Unser Geld ist ja schon in Griechenland, jetzt machen wir da auch Urlaub’, hört man öfter“, sagt Mentis’ rechte Hand Natsiopoulos, dem es manchmal so vorkommt, als wenn die Deutschen von den hier lebenden Griechen eine Rechtfertigung für die Politik ihres Landes erwarten:

„Sie verstehen nicht, dass wir hier leben und Steuern zahlen. Unsere Eltern haben das Land hier mit aufgebaut. Mit der Sache in Griechenland haben wir wenig zu tun.“ Politiker und Medien seien daran nicht schuldlos. „Das ist viel Propaganda und Fehlinformation im Umlauf.“ Dass man in Griechenland wiederum auf die Deutschen schimpft, verstehen beide nicht. Mentis: „Die Leute, die was in der Birne haben, sagen sowas nicht.“ Das Problem sei, dass sich Griechen ungern etwas befehlen lassen. Deswegen sei auch jeder zweite Grieche in Deutschland Geschäftsmann.

„Der Grieche ist ein Erfolgsmensch.“ Mentis weiß aber auch: „Im Leben geht’s immer auf und ab. Auch bei Herakles: Mal gewinnt man, mal verliert man." Heute wird es einen Gewinner geben, wenn Griechenland bei der Fußball-EM auf Deutschland trifft. „Je länger es 0:0 steht, desto größer ist unsere Chance", sagt Mentis, der erneut auf viele Gäste in seinem mit sieben Fernsehern und zwei Leinwänden ausgerüsteten Lokal hofft. Dann fügt er ganz leise hinzu: „Es kann aber auch sein, dass Deutschland 5:0 gewinnt.“

 

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