Mit 93 zu fit fürs Pflegeheim: Münchnerin zieht wieder aus

Eine Münchner Seniorin zieht in ein Heim an der Isar – und stellt fest, dass sie dafür noch zu jung ist. Mit 93 macht sie sich erneut auf die Suche nach einer Wohnung.
von  Linda Jessen
Geht mit 93 Jahren erneut auf Wohnungssuche: Lilo Münch möchte nicht mehr im Seniorenheim bleiben.
Geht mit 93 Jahren erneut auf Wohnungssuche: Lilo Münch möchte nicht mehr im Seniorenheim bleiben. © privat

Im Hinterhof eines Freundes sitzt Lilo Münch in der Sonne, die Perlenkette schimmert, die Jacke ihres Kostüms liegt locker auf der Schulter. Sie lächelt freundlich und beginnt, von ihrem Leben zu erzählen. Sehr genossen habe sie all die Jahre mit Abenteuern und all den Reisen, immer unabhängig und neugierig. Nur jetzt gehe es ihr nicht mehr so gut. Denn in ihrem aktuellen Zuhause, einem Seniorenheim an der Isar fühle sie sich sehr unwohl.

"Ich bin unbedarft in das Heim eingezogen, damals konnte ich mir nicht vorstellen, was alles wegfällt", sagt sie. "Das Umfeld zieht mich runter. Ich war mein Leben lang der Jugend verbunden, in so ein Heim voller alter Menschen passe ich nicht hinein." Das Essen einfach auf einem Tablett serviert bekommen – auch das sei ihr zu unpersönlich.

Dabei richtet sich die Ablehnung von Lilo Münch gar nicht gegen das Heim per se – vielmehr gegen das unselbstständige Leben dort. Wer mit ihr spricht, möchte kaum glauben, dass sie schon seit 93 Jahren die Welt erforscht. Es ist eine vitale und wache Dame, die da im Hof sitzt.

Lilo Münchs Vital-Rezept: Abenteuer und viel Sport

Das ist wohl dem Hunger danach geschuldet, das Leben und die Welt in allen Details zu erleben. Nach dem Tod des geliebten Mannes zog die gebürtige Mainzerin aus dem Odenwald nach München, arbeitete 20 Jahre lang als Sekretärin bei BMW, weitere 20 Jahre war sie als Rentnerin in Milbertshofen ansässig – und in dieser Zeit meist in der Welt unterwegs. "Ich war immer frei wie ein Vogel, habe alle Erdteile besucht, einmal ein Vierteljahr auf Bali gelebt. Beim Schwimmen wurde ich da mal von einem Unwetter überrascht, damals dachte ich, das Leben ist vorbei. Ich bin dann aber doch gut rausgekommen, habe nur ein paar Schrammen abbekommen", erinnert sich Lilo Münch an eines der vielen Abenteuer.

Sport war ihr Leben. Um fit zu bleiben, und nicht auf einen Rollator oder Stock angewiesen zu sein, läuft sie heute zweimal täglich alle fünf Stockwerke zu ihrem 32 Quadratmeter großen Zimmer im Heim zu Fuß hinauf.

Kurz vor ihrem 92. Geburtstag, damals lebte sie in der Schweiz, stand Lilo Münch erneut ein Umzug bevor – der führte sie auf Rat von Freunden in das Heim, in dem sie heute wohnt. Mit all ihrer Vitalität und Eigenständigkeit fühlt sie sich dort aber fehl am Platz. "Ich bin auch kein Massenmensch, ich war immer eine Einzelgängerin. Ich weiß Freundschaften zu schätzen, aber ich brauche meinen eigenen Raum", sagt sie.

Zwar hat sie ein eigenes Zimmer in dem Heim, doch verglichen mit der Selbstständigkeit in einer eigenen Wohnung reicht ihr das nicht. "Da wird Ihnen alles abgenommen, ich darf ja fast nicht allein auf die Toilette gehen. Das Essen kommt auf einem Tablett, ob es eine schöne Mahlzeit ist, interessiert aber nicht. Danach wird es halt wieder abgeholt", beschreibt Lilo Münch den Alltag, der sie so ermüdet.

"Ich passe da nicht rein – ich bin ja nicht dement"

"Ich will nicht schlecht über die anderen Menschen im Heim sprechen, aber ich passe nicht in dieses Umfeld. Ich bin nicht dement wie viele da und dafür bin ich dankbar." Es gehe ihr nicht gut dort, sagt sie und seufzt. Sobald sie herauskomme, etwa im Fraunhofer einen Schweinsbraten esse, sei sie ein anderer Mensch. Oder wenn sie an der Isar oder in der Stadt mit Leuten zusammenkomme, die echte Ansprechpartner sind, dann gehe es ihr besser. Das bestätigt auch ihr guter Freund, bei dem sie schon ein Weihnachtsfest verbrachte. Mit seiner Hilfe will sie die Situation nun ändern – und das Heim wieder verlassen: eine eigene Wohnung finden!

Die Suche danach ist freilich nicht einfach, da geht es Lilo Münch nicht anders als vielen in der Stadt. Auf Anzeigen kamen bisher keine Reaktionen. "Viele haben auch Vorbehalte gegenüber dem Alter."

Schmerzlich vermisst sie auch ihren Dachgarten wie damals in der Schweiz – ein Balkon wäre schön. Viel Platz bräuchte sie nicht. "So 50 Quadratmeter wären schön. Und in ein paar Jahren brauche ich wohl auch einen Aufzug", erklärt sie lächelnd. Und verspricht: "Ich bin auch bestimmt eine ruhige Bewohnerin."


Wer Lilo Münch helfen kann, eine eigene Wohnung zu finden, wende sich an ihren Betreuer unter: Tel: 0179/1298877. Obergrenze: 1300 Euro warm

Lesen Sie hier: Münchnerin in Wohnungsnot: "Nur Platz für Millionäre"

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