Misstöne nach Amoklauf: Unsäglicher Schmerz
Die Familien der getöteten Migrantenkinder und einer Mutter – sie haben eine andere Reaktion erwartet von den Repräsentanten Münchens, Bayerns und Deutschlands. Sie haben erwartet, dass ihnen persönlich kondoliert wird von den Stellvertretern der Stadt und des Landes, in dem sie seit Jahrzehnten leben und die für sie und ihre Kinder zur Heimat geworden sind.
Während der türkische Außenminister bereits am Samstag bei den Opferfamilien anrief und die Generalkonsule von Griechenland und der Türkei persönlich vorbeikamen, ließ sich aus dem Rathaus oder von der Staatsregierung niemand bei den Opferfamilien blicken. Abgesehen von der Migrationsbeirätin Nükhet Kivran, die in Eigeninitiative sechs Familien besuchte.
Trauernde wollen in ihrem Schmerz gesehen werden, hat ein Diakon und Trauerbegleiter einmal zu mir gesagt. Nach dem Amoklauf vom OEZ zeigen sich hier aber auch kulturelle Unterschiede – nämlich an der Art, wie getrauert wird. Für Türken ist es eine Selbstverständlichkeit, einander sofort beizustehen. Verwandte, Freunde, Bekannte und Kollegen – alle kommen vorbei. Frauen bringen riesige Töpfen voller Essen, das sie für alle gekocht haben. Gemeinsam wird geweint, geklagt, gebetet und an die Verstorbenen erinnert. Oft tagelang.
Über Gefühle soll man nicht richten
Viele Christen oder nichtgläubige Deutsche, die einem Trauernden nicht ganz so nahe stehen, haben hingegen oft eine große Scheu, zeitnah zu ihm zu gehen. Sie glauben zu stören. Sie wollen die Angehörigen erst einmal in Ruhe lassen. Viele fühlen sich auch hilflos, wissen nicht, was sie sagen sollen oder wie sie trösten können.
Dass die muslimischen Familien die Repräsentanten jetzt zum Teil recht scharf für ihr „Versagen“ angreifen, ist sicherlich vor allem eines: Ausdruck ihres unsäglichen Schmerzes. Dazu gehört auch, Wut über empfundenes Unrecht hinaus zu schreien. Diese Menschen haben ihre Liebsten verloren. Sie erleben tiefsten Schmerz, ihre Gefühle sind extrem. Das sollten wir nicht verurteilen, sondern ihnen menschlich begegnen – und nun auf sie zugehen.
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