Missbrauchsskandal: Juristen reichen Strafanzeige in München ein
München - Mehr als 3.600 Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche sind juristisch nicht aufgearbeitet worden. Das ist der Befund einer umfassenden Studie der Universität Heidelberg, der Universität Gießen und des Zentralinstituts für seelische Gesundheit, die im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz angefertigt und am Donnerstag (25. Oktober) vorgestellt wurde.
Strafanzeige gegen Unbekannt
Ein Zusammenschluss von Juristen fordert nun auf Grundlage dieser Studie Aufarbeitung und hat Strafanzeige gegen Unbekannt bei der Staatsanwaltschaft München I eingereicht, die für das Erzbistum München Freising zuständig ist. Das elfseitige Schreiben liegt der AZ-Redaktion vor. Laut eines Berichts des "Spiegel" sind bei Staatsanwaltschaften im Bezirk aller 27 katholischen Diözesen Strafanzeigen eingereicht worden.
Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft München I konnte den Eingang am Montag weder bestätigen noch verneinen.
Juristen fordern Durchsuchungen in allen Diözesen
In dem Schreiben der Juristen heißt es: "Es gibt kein Recht der Kirche, ihre Institution von strafrechtlichen Eingriffen freizuhalten". Die jüngste Missbrauchsstudie hätte "zureichende tatsächliche Anhaltspunkte" für Straftaten geliefert, argumentieren die Professoren um den Passauer Strafrechtler Holm Putzke. Daher hätten die Behörden die unbedingte Pflicht, die Akten der Kirche sicherzustellen.
Die Fakten der Studie "rechtfertigen eine Durchsuchung sämtlicher Diözesen". Die Juristen zeigen sich in dem Schreiben außerdem verwundert "wie zurückhaltend Staat und Öffentlichkeit mit dem alarmierenden Anfangsverdacht schwerer Verbrechen umgehen".
Studie untersuchte Missbrauchsfälle zwischen 1946 und 2014
Laut der Missbrauchsstudie sollen zwischen 1946 und 2014 insgesamt 1.670 katholische Kleriker 3.677 meist männliche Minderjährige sexuell missbraucht haben. Der Leiter der Untersuchung, Harald Dreßing, hatte nach deren Veröffentlichung einen mangelnden Aufklärungswillen in weiten Teilen der Kirche beklagt. Das Ausmaß des Missbrauchs wie auch der Umgang der Verantwortlichen damit sei erschütternd gewesen.
Als Reaktion auf den Missbrauchskandal hat der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Reinhard Marx, Reformen angekündigt. So will er unter anderem die Ehelosigkeit von Priestern auf den Prüfstand stellen.
Lesen Sie auch: Papst schließt Synode: Kirche wird "beschmutzt"