Milbertshofen: Sklavenarbeit auf Hotel-Baustelle

Sie schufteten 60 Stunden die Woche an der Moosacher Straße - und bekamen dafür nur einen Hungerlohn. Am Ende ernährten sich die 40 bulgarische Bauarbeiter sogar von Abfall und weggeworfenen Semmeln.
von  Abendzeitung
Auf dieser Baustelle an der Moosacher Straße schufteten 40 Bulgaren ohne Lohn.
Auf dieser Baustelle an der Moosacher Straße schufteten 40 Bulgaren ohne Lohn. © Gregor Feindt

MÜNCHEN - Sie schufteten 60 Stunden die Woche an der Moosacher Straße - und bekamen dafür nur einen Hungerlohn. Am Ende ernährten sich die 40 bulgarische Bauarbeiter sogar von Abfall und weggeworfenen Semmeln.

Am Ende nahm der Hunger ihnen ihre Würde. Nach der Arbeit schlichen die Bauarbeiter aus Bulgarien hinter die Bäckereien in Milbertshofen und sammelten weggeworfenes Brot – als Abendessen. Andere aßen sogar Abfall. Sie hatten keinen Cent für Essen, obwohl sie 60 Stunden in der Woche schufteten.

Sklavenarbeit, mitten in München – wie die AZ erfuhr, waren die Männer auf der Baustelle des „Leonardo-Olympiapark-Hotel“ in der Moosacher Straße beschäftigt. Vier Kräne stehen hier, darunter wächst der Rohbau des Vier-Sterne-Hotels, das Ende 2010 fertig sein soll. Gestern früh untersuchten 20 Beamte der Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Hauptzollamts ein Sub-Unternehmen aus Bulgarien, dass die 40 Männer beschäftigt.

Schon im Sommer hatten die Zollbeamten die Firma kontrolliert. Sie befragten die 40 Betonbauer. Die sagten den Fahndern: Wir arbeiten für 900 bis 1000 Euro bei 60 Stunden die Woche – das ergibt einen Nettostundenlohn von circa vier Euro, laut gesetzlichem Mindestlohn müssten sie neun Euro netto bekommen. In Bulgarien aber hätten sie noch weniger bekommen, sie muckten nicht auf. Dabei hatte die Firma den Auftrag nur bekommen, weil sie sie dazu verpflichtete, ihren Angestellten elf Euro netto pro Stunde zu zahlen.

Wer sich verletzte, wurde sofort nach Bulgarien zurückgeschickt

Die Zollbeamten nahmen damals Unterlagen der Firma mit und saßen bis vergangene Woche noch daran. Da standen einige Bulgaren vor der Tür – und rückten mit der traurigen Wahrheit heraus: Seit zwei Monaten bekommen sie gar keinen Lohn mehr. Sie können nichts essen, außer dem, was andere nicht wollen. „Sie erklärten, dass sie inzwischen gezwungen wären, bei den nahe gelegenen Bäckereien zum Geschäftsschluss weggeworfenes Brot aufzusammeln, teilweise sogar Abfall essen zu müssen“, sagt der Sprecher des Hauptzollamts, Thomas Meister.

Die Arbeiter konnten nicht einmal zum Arzt. Sie erzählten den Zollbeamten, dass sich ein Arbeiter die Hand gequetscht hatte – der Chef der Firma schickte ihn nach Bulgarien zurück. Er war nicht versichert, konnte den Arzt nicht zahlen: Er war wertlos.

Die Finanzgruppe steht am Anfang der Ermittlungen. Gestern wurden die 40 Bauarbeiter und andere Firmenangestellte bis spät in die Nacht befragt. Die Beamten prüfen auch, ob der Generalunternehmer Max Aicher aus Freilassing von den Wucherlöhnen wusste – Generalunternehmer müssen prüfen, ob ihre Sub-Unternehmer korrekte Löhne zahlen. Es liegt derzeit nichts gegen die Firma vor. Und die Männer? Wie die AZ erfuhr, konnten sie letzte Nacht noch in ihren Containern schlafen. Heute fuhren sie mit dem Bus zurück nach Bulgarien. Vor der Abfahrt hatte der Zoll aber noch etwas organisiert: Ein warmes Essen. Endlich.

Thomas Gautier

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