Migrantin aus München spricht offen und ehrlich: "Fühlen uns allein gelassen mit unseren Ängsten"

München - Ihr Verein heißt Nala, auf Swahili bedeutet das: Löwin. Auch Fadumo Korn ist in München und darüber hinaus dafür bekannt, zu kämpfen wie eine Löwin. Gegen weibliche Genitalverstümmelung, gegen Ungerechtigkeit, gegen Rassismus. Und vor allem: für ein menschliches Miteinander.
Die Münchnerin wurde 1964 in Somalia geboren, 2021 bekam sie den Bayerischen Verfassungsorden verliehen. Im AZ-Interview spricht sie über Rassismus und die Demonstration in München am vergangenen Sonntag.

AZ: Frau Korn, Sie waren am Sonntag bei der Demo gegen rechts in München. Wie haben Sie die Stimmung erlebt?
FADUMO KORN: Meine Emotionen sind übergekocht, ich habe geheult. Es war überwältigend, respektvoll und rücksichtsvoll. Mit so vielen Menschen habe ich nicht gerechnet. Selbst eine alte Frau mit Gehstock hatte sich zwei Schilder umgehängt. Wenn ich mir vorstelle: All diese Menschen sind auch für mich aufgestanden. Das ist unglaublich beflügelnd. Das bedeutet: Mir kann nichts passieren, so viele Menschen würden mich beschützen. Es war wie ein warmer Mantel, der mich umarmt hat. Dieses Heimatgefühl, das mir durch die rechten Bewegungen fast entrissen worden wäre, habe ich überall gespürt: Ich bin hier zu Hause.
Aktivistin aus München: Faduro Korn und die Angst vor dem Erstarken der AfD
Der Rechtsruck ist dennoch spürbar in Deutschland, die AfD bekommt Zulauf, die "Correctiv"-Recherchen haben verstörende "Remigrations"-Pläne aufgedeckt. Wie geht es Ihnen als Mensch mit Migrationsgeschichte damit?
Remigration bedeutet für mich, dass man mich wegnehmen kann, dass ich als Mensch nichts wert wäre, man mich auf den Müll schmeißen könnte.
Macht Ihnen der Zulauf der AfD Angst?
Absolut. Ich hätte nicht gedacht, dass ich sagen würde: Ich habe Angst. Aber wenn sie gewählt würde und in die Regierung käme, würde das ja bedeuten, dass die AfD die staatliche Erlaubnis hätte, mir weh zu tun, mich auszugrenzen. Wenn die AfDler meinen, sie müssen rumgrölen und die sogenannten Ausländer aus dem Land jagen, sollten sie sich fragen: Wer kümmert sich in den Altenheimen um die alten deutschen Menschen und wechselt ihnen die Windeln? Wer kehrt die Straßen um vier Uhr morgens?
Alltagsrassismus in München: "Ich erlebe das eigentlich täglich"
Erleben Sie in letzter Zeit mehr Rassismus in Ihrem Alltag?
Ich erlebe das eigentlich täglich, aber jetzt hat sich etwas an der Sprache verändert. Wenn ich etwas bei Facebook oder Instagram schreibe, kommen sofort Nachrichten wie: "Ich werde mich wegen dir nicht verbiegen, ich habe immer N****kuss gesagt". Ich bin eine, die sich wehrt und aufsteht, aber ich erlebe auch mit meiner Nala-Gruppe Anfeindungen, bei denen sogar mir die Sprache wegbleibt. Wir waren im September im schönen Passau mit meinen zehn schwarzen Mädchen unterwegs und da wurden wir so dermaßen hässlich beschimpft. Von einer 40 bis 45 Jahre alten deutschen Frau.
Was erleben Sie noch?
Ich habe zuletzt auch mit einer Frau gestritten, die zu mir sagte: "Alle Ausländer, die hierherkommen und sich vermehren, sollen raus." Ich habe ihr gesagt: Kein Mensch verlässt die Heimat, weil es einfach schön ist, zu flüchten. Bis zu 18 Monate bekommen manche keinen Deutschkurs. Die Leute wollen lernen, ein Teil der Gesellschaft sein, sie wollen arbeiten, dürfen aber nicht. Eine typische Sache, die ich auch erlebe: dass sich Personen im Zug wegsetzen oder dass sie ihre Tasche festhalten, wenn ich vorbeigehe. Böse Blicke erlebt man auch.
"Es tut jedes Mal gleich weh"
Lernt man, damit umzugehen, wenn man so oft damit konfrontiert wird?
Das fühlt sich an, wie wenn man sich in den Finger schneidet: Es tut jedes Mal gleich weh. Mir wird damit verdeutlicht: Du gehörst nicht dazu, wir wollen dich nicht hier. Es gibt aber auch freundliche Menschen und Begegnungen, die mich aus diesem Gefühl herausreißen.
Was wünschen Sie sich von den Menschen, die am Sonntag demonstriert haben?
Ich wünsche mir, dass jeder und jede, die in ganz Deutschland unterwegs war, sich auch einzeln einsetzt. Es geht um einzelne Zwischenfälle, die passieren. Dass man sagt: "So nicht! Ich stehe zu dir, wir sind jetzt schon zu zweit."
Und von der Politik?
Ich erwarte von der Politik: klare Kante. Ich will, dass Dieter Reiter uns lobt. Ich will, dass er uns tröstet, dass die AfD so einen starken Entwicklungsschub erlebt. Ich möchte, dass unsere Politik in Deutschland sagt: Wir sind auf eurer Seite und wir beschützen euch, stehen euch bei. Mir fehlt auch Fürsorge von der bayerischen Politik. Wir fühlen uns allein gelassen mit unseren Problemen, mit unseren Ängsten.