Mietspiegel München: Zahlen Sie zu wenig?
Die Stadt hat berechnet, dass Münchner im Durchschnitt 1,1 Prozent weniger zahlen müssen. Den Eigentümern passt das freilich nicht. Sie gehen jetzt juristisch dagegen vor.
München - Frontalattacke auf den neuen Mietspiegel: Der Haus- und Grundbesitzerverein München zweifelt das Zahlenwerk an und moniert „zahlreiche Widersprüche“. Jetzt strebt er eine gerichtliche Überprüfung an.
Im April hat der Stadtrat den Mietspiegel 2011 abgesegnet. Er soll als finanzielle Orientierungshilfe dienen und im Streit zwischen Mietern und Vermietern vermitteln. Laut der neuen Auflage sind die Mieten im Vergleich zu 2009 um 1,1 Prozent gesunken. Und das stößt bei den Vermietern auf Unverständnis. Haus+Grund-Chef Rudolf Stürzer berichtet von „empörten Anrufen“. Klar: Wenn der Mietspiegel höhere Mieten zuließe, könnten Eigentümer auch mehr verlangen.
Konkret listet er mehrere Kritikpunkte auf. So führt er den Vergleich zwischen dem Mietspiegel und dem (ebenfalls von der Stadt herausgegebenen) Bericht zur Wohnungssituation ins Feld. Die Differenz zwischen den angegebenen Mietwerten ist groß, laut Stürzer liegt sie bei bis zu zwei Euro pro Quadratmeter. Zwar sind im Bericht zur Wohnungssituation nur die neu vereinbarten Mieten berücksichtigt. In den Mietspiegel fließen dagegen auch Bestandsmieten mit ein, die sich in den vergangenen vier Jahren verändert haben. „Die erhebliche Differenz ist damit aber nicht zu begründen“, meint Stürzer.
Mit Daten aus beiden Zahlenwerken hat er eine ganz eigene Berechnung angestellt – mit erstaunlichem Ergebnis: „Die Durchschnittsmiete der 150 000 Wohnungen in München, deren Miete in den letzten vier Jahren erhöht worden ist, dürfte nur 6,50 Euro pro Quadratmeter betragen, wenn der Mietspiegel richtig sein soll.“ Das zuständige Sozialreferat lässt die Kalkulation aber nicht gelten: "Man kann das Ganze nicht eins zu eins vergleichen."
Stürzer will noch andere Unstimmigkeiten entdeckt haben, etwa beim Thema Betriebskosten. Außerdem wirft er die Frage auf, warum die Daten, auf denen der Mietspiegel fußt, gleich vernichtet würden – und damit nicht überprüfbar sind.
Er könne nicht verstehen, warum der Stadrat das Zahlenwerk trotz „augenfälliger Widersprüche“ durchgewunken habe, sagt Stürzer. Er vermutet politische Motive: „Kein Politiker ist an hohen Mieten interessiert.“ Aber „mit solchen Spielchen“ werde man die Mieten nicht in den Griff kriegen. Er behauptet: „Das Vertrauen der Bürger in den Rechtsstaat wird durch so etwas massiv beeinträchtigt.“
Jetzt wartet der Haus- und Grundbesitzerverein nur noch auf einen passenden Fall, anhand dessen er den Mietspiegel gerichtlich überprüfen lassen kann. Freilich wisse er, dass er mit seiner Kritik Gefahr laufe, als „Mietpreistreiber“ zu gelten, sagt Stürzer. Aber darum gehe es nicht. Ein Mietspiegel, der bei Mieterhöhungsverfahren als Beweismittel diene, müsse stimmen.
Die Stadt sieht einer gerichtlichen Überprüfung gelassen entgegen. Wohnungsamtsleiter Rudolf Stummvoll: „Der Mietspiegel ist auf wissenschaftlicher Grundlage von renommierten unabhängigen Instituten erstellt.“
420 Millionen mehr Miete pro Jahr
Rollt auf Mieter und Eigentümer eine neue Kostenlawine zu? Wegen Fukushima? Da der Atomausstieg in Deutschland schneller als bisher geplant vollzogen werden soll, muss auch der Energieverbrauch zügiger gedrosselt werden. Das Bundesumweltministerium fordert deshalb die „umgehende Verschärfung des Effizienzstandards im Gebäudebereich“. Das bedeutet: Bereits in die Neufassung der Energiesparverordnung 2012 könnten weit strengere energetische Anforderungen an den Gebäudebestand gestellt werden als bisher. Experten des Haus- und Grundbesitzervereins München haben errechnet, mit welchen Belastungen Mieter und Eigentümer dann rechnen müssten:
- Die energetische Sanierung eines Mehrfamilienhauses mit einem durchschnittlichen jährlichen Energiebedarf (also 20Liter Öl oder 20 Kubikmeter Gas / Quadratmeter) kostet 250 Euro pro Quadratmeter, soll der Energiebedarf durch Vollwärmeschutz, Dachdämmung und Brennwertheizung halbiert werden.
- Von den 570000 Mietwohnungen in München gelten 200000 als sanierungsbedürftig. Sie „aufzurüsten“, würde rund 3,8 Milliarden Euro kosten.
- Eine mögliche Folge: Mieterhöhungen von 420 Millionen Euro pro Jahr.