Mietspiegel 2015: Sieben Fragen und Antworten
Der Mietspiegel ist das wichtigste Instrument im Feilschen um Mieterhöhungen. Wie kommt er zustande? Was sagt er wirklich aus? Und ist er politisch gesteuert?
Antworten auf wichtige Fragen zum Mietspiegel:
Warum steigen die Mieten in zentralen Lagen viel stärker? Die Preise im Mietspiegel sind in Lagen um die Altstadt sowie in begehrten Vierteln wie Schwabing im Vergleich zum letzten Mietspiegel deutlich stärker gestiegen als in Lagen außerhalb des Zentrums.
Und das findet Göran Kauermann auch gut. Er ist Statistik-Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) und leitet das Team, das für die Stadt den Mietspiegel berechnet. Die Wissenschaftler haben die entscheidende Änderung selbst angeregt, und Kauermann sagt dazu: „Es ist ein Zuschlag, der längst fällig war.“
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Bisher hat der Mietspiegel nämlich bei der Lage einer Wohnung nicht berücksichtigt, ob diese im begehrten Zentrum liegt oder nicht. Eine gute Lage im äußeren Bereich führte zum gleichen Aufschlag wie eine gute Lage in der City. Das Ergebnis: Die Preise fürs Zentrum wurden zu niedrig angesetzt, die für Außen zu hoch. „Bisher haben die Mieter in Trudering also quasi mehr bezahlt, damit die Mieten in der Maxvorstadt niedriger bleiben“, sagt Kauermann. Jetzt wird das dadurch ausgeglichen, dass der Mietspiegel sechs statt vier Lagen kennt und dabei auch die Nähe zum Zentrum eine Rolle spielt.
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Dadurch steigen die Mietspiegel-Preise in Vierteln wie Schwabing deutlich, während die Steigerung in anderen Vierteln wie etwa dem Hasenbergl sogar unter der Inflationsrate liegt. Und das nützt laut Göran Kauermann den meisten Mietern, denn in dem Bereich, der nun relativ gesehen entlastet wird, liegen 70 Prozent der Münchner Wohnungen.
Ganz wichtig: Die zentralen Lagen wurden nicht festgelegt, sondern statistisch errechnet. Sie sind also ein Spiegel des Wohnungsmarkts.
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Wie genau ist der Münchner Mietspiegel? Sehr genau. Während in Städten wie Berlin und Hamburg die Mietspiegel zu kippen drohen, weil sie juristisch anfechtbar sind, ist der Münchner Mietspiegel rechtssicher und schützt wegen seiner Genauigkeit auch vor Tricksereien.
Denn: In vielen anderen Städten werden Tabellenmietspiegel mit Preise für bestimmte Quadratmeterspannen erstellt. Dabei entstehen große Preissprünge. Dadurch ist dann zum Beispiel eine Wohnung mit 39,9 Quadratmetern deutlich teurer als eine Wohnung mit 40 Quadratmetern – da können Vermieter tricksen und die Preise nach oben treiben.
Für München machen die Statistiker einen Regressionsmietspiegel, bei dem die Preise nicht springen, sondern in einer glatten Funktion verlaufen. Die Preisschritte werden im Mietspiegel in Zwei-Quadratmeter-Schritten ausgewiesen. Es ginge auch noch genauer, aber so habe man eine gute Mischung aus Genauigkeit und Überschaubarkeit, sagen die Statistiker.
Wer bestimmt, wie der Mietspiegel berechnet wird? Der Mietspiegel legt die ortsübliche Vergleichsmiete fest, und dafür gibt es gesetzliche Vorschriften. In Paragraf 558 des Bürgerlichen Gesetzbuches heißt es: „Die ortsübliche Vergleichsmiete wird gebildet aus den üblichen Entgelten, die in der Gemeinde oder einer vergleichbaren Gemeinde für Wohnraum vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage in den letzten vier Jahren vereinbart oder (...) geändert worden sind. Ausgenommen ist Wohnraum, bei dem die Miethöhe durch Gesetz oder im Zusammenhang mit einer Förderzusage festgelegt worden ist.“ Sozialwohnungen oder einkommensorientiert geförderte Wohnungen (EOF-Wohnungen) sind also beispielsweise nicht im Mietspiegel enthalten.
Für welche Wohnungen gilt der Mietspiegel? Für alle Objekte aus dem frei finanzierten Wohnungsbau. Für Wohnungen, die in irgendeiner Art gefördert werden, nicht – schließlich sind deren Preise auch nicht im Mietspiegel eingerechnet. Ebenso wenig gilt er für Wohnheime, Einfamilienhäuser, Doppelhaushälften, Reihenhäuser oder einzeln vermietete Zimmer.
3000 telefonische Interviews sind verwertet worden
Die ortsübliche Vergleichsmiete ist bei Mieterhöhungen wichtig. Die Mietpreisbremse, die der Bundestag vergangene Woche beschlossen hat, besagt etwa, dass die Preise bei einer Neuvermietung höchstens zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen dürfen (außer, der Vormieter hat schon mehr bezahlt). Bei Erhöhungen von bestehenden Mietverträgen spielt die ortsübliche Vergleichsmiete in einem qualifizierten Mietspiegel schon bisher eine entscheidende Rolle. Ein Vermieter muss Mieterhöhungen mit Verweis auf den Mietspiegel begründen, auch wenn er drei Vergleichswohnungen mit möglicherweise höheren Preisen anführt.
Ist der Münchner Mietspiegel repräsentativ? Ja, denn er basiert auf einer professionell ausgewählten Stichprobe. Das Marktforschungsinstitut TNS Infratest hat dazu 28 092 Telefonanfragen bei Münchnerinnen und Münchnern gestartet. Davon waren 4228 zum einen bereit, ein Interview zu führen und zum anderen auch für den Mietspiegel relevant – das heißt, dass sie in den vergangenen vier Jahren einen neuen Mietvertrag abgeschlossen haben oder ihnen die Miete erhöht wurde.
Am Schluss wurden rund 3000 Interviews verwertet. Die Wissenschaftler haben auch statistisch sichergestellt, dass die Stichprobe repräsentativ ist.
Was hat neben Größe und Baujahr einen Einfluss auf die Preise? Es gibt verschiedene Zu- und Abschläge zur Miete wie etwa für eine Terrasse oder einen Kamin. Die Forscher von TNS fragen sehr viele Faktoren ab, die die Miete erhöhen oder senken könnten. Die Wissenschaftler der LMU werten dann aus, welche Faktoren einen signifikanten Effekt, also wirklich Einfluss auf die Miete haben.
„In München ist zum Beispiel ein Holzboden ein wichtiger Faktor, der den Preis erhöht“, sagt der Statistiker Michael Windmann aus dem Team der LMU. „Allerdings wird dieser Faktor schwächer, weil es immer mehr Wohnungen mit Holzboden gibt.“ Andere Einflüsse fliegen gleich ganz raus: „Teppichboden war früher preissteigernd, jetzt ist der Faktor raus – genauso wie eine offene Küche.“
Ist der Mietspiegel ein politisches Instrument? Ja und nein. Zum einen wird er natürlich politisch genutzt: Um je nach Sichtweise für die Mietpreisbremse zu argumentieren oder gegen die Vermischung von Bestands- und Neuvermietungspreise zu schimpfen. Grundsätzlich ist die Statistik aber weder absichtlich hochgerechnet zu einem „Mieterhöhungsspiegel“ für die Eigentümer noch kleingerechnet zu einem „Mietpreisdämpfer“ für die Mieter.
„Solange von beiden Seiten Beschwerden in gleicher Anzahl kommen, ist der Mietspiegel weder zu hoch noch zu niedrig“, sagt Göran Kauermann. „So soll es sein, denn der Mietspiegel ist an sich wissenschaftlich und nicht politisch.“
Klar ist aber auch: Durch die Art der Berechnung sind die Mieten im Mietspiegel niedriger als das, was tatsächlich bei Neuvermietungen verlangt und gezahlt wird – gerade bei Erstbezug. Das macht den Bau neuer Wohnungen aus Sicht der Bauwirtschaft unattraktiv.
Er ist aber auch wesentlich höher als das, was die Münchner im Schnitt zahlen – weil viele in den letzten Jahren unveränderte Mieten rausfallen.
Das heißt, dass der Mietspiegel gerade bei Bestandsverträgen viel Luft nach oben zulässt und so praktisch doch zum Preistreiber wird, wie Mieterschützer kritisieren. Die Grundsätze, nach denen der Mietspiegel berechnet wird, sind von der Politik festgelegt – und daher sehr wohl politisch