Mieterprotest: "Die Ampel muss handeln"
München - Angst, sagt Moritz Burgkardt, sei ein großes Wort. Ihn jedenfalls habe dieses Gefühl nicht gelähmt, sondern aktiv werden lassen.
Der 37-Jährige lebt in der Krumbacherstraße 9a. Das Haus wurde vor kurzem verkauft. An wen weiß Burgkardt nicht, nur dass es jemand sein muss, der sehr viel Geld zahlte. Denn eigentlich hätte die Stadt zuschlagen wollen. Das Gebäude liegt in einem Gebiet, wo sie ein Vorkaufsrecht hat.
München: Eigentlich hatte die Stadt Vorkaufsrecht
Doch im November erklärte das Bundesverwaltungsgericht diese Praxis für rechtswidrig. Seitdem können Kommunen Investoren keine Häuser mehr vor der Nase wegkaufen. Am Freitag entscheidet der Bundestag über einen Antrag der Linken, der das Vorkaufsrecht wiederherstellen soll.
Gestern sprach Burgkardt bei einer Kundgebung vor seinem Haus, in dem, wie er sagt, "viele normale Menschen jeglichen Alters leben, die es sich aber sicher nicht leisten könnten, wenn die Mieten steigen würden". Er appellierte deshalb gestern an die Parteien, sich dem Antrag anzuschließen - auch, wenn dieser von der Linken, also aus der Opposition kommt.
Auch Münchens Kommunalreferentin protestiert
In München zumindest sind sich Politiker von der Linken bis zur CSU einig, dass das Vorkaufsrecht helfen kann, dass die Mieten nicht weiter explodieren. Unter den etwa 80 Demonstranten war unter anderem Kommunalreferentin Kristina Frank von der CSU. Ihre Behörde hat die Vorkaufsrechte bis jetzt in München immer abgewickelt.
15 Häuser konnten nicht gekauft werden
Von 2001 bis 2020 kaufte die Stadt insgesamt 85 Objekte mit 1.502 Wohnungen. 15 Häuser hätte die Stadt seit November kaufen können, doch das Urteil verhinderte dies, schildert Frank. Sie fordert: "Die Ampel im Bund muss jetzt handeln. Der Schutz unserer Viertel vor Gentrifizierung darf nicht auf die lange Bank geschoben werden."
Diese Meinung vertritt inzwischen auch die bayerische Bauministerin Kerstin Schreyer (CSU). Im November hatte Bayern als einziges Bundesland dagegen gestimmt, das Baugesetzbuch so anzupassen, dass Vorkaufsrechte wieder möglich gewesen wären.
Nur die FDP ist unentschieden
Vor kurzem verteidigte Schreyer diese Haltung im AZ-Interview: Sie müsse erst die Begründung des Urteils lesen. Das hat sie inzwischen getan - und ist nun dafür, dass die Gesetze geändert werden. Auch Grüne und SPD fordern das. Münchens OB Dieter Reiter (SPD) hat deshalb sogar mit seinen Kollegen aus Hamburg und Berlin einen Appell an den Bundestag verfasst. Unentschieden ist allerdings der Regierungspartner, die FDP.
Der wohnungspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion Daniel Föst aus München äußerte Zweifel, ob das Vorkaufsrecht tatsächlich so wichtig ist. Die Münchner Bundestagsabgeordnete Nicole Gohlke von der Linken fordert deshalb: "Grüne und SPD müssen sich fragen, ob sie sich von der FDP auf der Nase herumtanzen lassen wollen."