Mietenstopp in München: Erste Hürde geschafft
Das von einem breiten Bündnis getragene Volksbegehren feiert Erfolg. Im Kampf gegen Wucherpreise fordert es: Sechs Jahre keine Erhöhungen. Verzweifelte Münchner erzählen, wie groß ihre Not ist.
München - "Danke!", steht mit roten Buchstaben auf gelben Schildern, die Initiatoren des Volksbegehrens Mietenstopp auf dem Dach des Gewerkschaftshauses in die Höhe halten. Spätestens, als sie die Schilder umdrehen, wird klar: Die erste Etappe ist geschafft – locker. Knapp 52.000 Unterschriften sind für das Volksbegehren zusammengekommen. Mehr als doppelt so viele als für den ersten Schritt nötig.
"Die hohe Zahl an Unterschriften zeigt, wie groß die Not ist – die Menschen wünschen sich dringend eine Veränderung, damit der außer Kontrolle geratene Mietmarkt wieder in geregelte Bahnen gelenkt wird", sagt Beatrix Zurek (SPD), Chefin des Mietervereins München. Sie mahnt: "Wenn es mit den Mieterhöhungen so weitergeht, ist unser soziales Gefüge in Gefahr!"
Kernforderung: Mieten in laufenden Verträgen für sechs Jahre einfrieren
In München ist der Druck zwar besonders hoch, insgesamt sollen die Forderungen des Volksbegehrens jedoch in 162 bayerischen Städten und Gemeinden gelten. Eine Kernforderung des Volksbegehrens ist, dass die Mieten in laufenden Verträgen sechs Jahre lang eingefroren werden – Staffel- und Indexmietverträge eingeschlossen.
Die zweite Forderung ist, dass bei Wiedervermietungen und nach Modernisierungen künftig maximal die ortsübliche Vergleichsmiete verlangt werden darf. Ausgenommen vom Mietenstopp sollen jedoch alle Neubauten sein, die seit 2017 entstanden sind – um Investitionen nicht zu bremsen.
Gesetzesentwurf wird beim Innenministerium überprüft
Faire Vermieter, die vergleichsweise wenig Geld verlangen, sollen nicht bestraft werden. Sie dürften ihre Mieten in den sechs Jahren auf bis zu 80 Prozent der ortsüblichen Vergleichsmiete erhöhen. Als nächsten Schritt wird das Bündnis den Gesetzesentwurf jetzt zur Überprüfung beim Innenministerium einreichen.
Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (CSU) vermutet jedoch schon jetzt: "Ein Landesgesetz, das die Mieten für Wohnungen auf dem freien Markt für sechs Jahre einfriert, ist verfassungswidrig." Die Gesetzgebungskompetenz liege beim Bund und nicht bei den Ländern.
Der Gesetzesentwurf des Volksbegehrens sieht jedoch vor, dass der Mietenstopp über das Öffentliche Recht geregelt werden soll und nicht über das Zivilrecht – über das beispielsweise die Mietpreisbremse geregelt ist.
Chefin der Münchner SPD zeigt sich optimistisch
Professor Frank Mayer, der an der Uni Bielefeld Öffentliches Recht unterrichtet und am Gesetzesentwurf für den Mietenstopp mitgeschrieben hat, sagt: "Über das Öffentliche Recht kann das Land Bayern agieren. Es kommt nur auf den politischen Willen an." Beatrix Zurek ergänzt: "Das sind keine juristischen Fantasien – wir gehen von einer Rechtmäßigkeit aus."
Auch Claudia Tausend, Chefin der Münchner SPD, zeigt sich optimistisch: "Die 52.000 Unterschriften sind ein Riesenerfolg", sagt sie. Vize-Parteichef Roland Fischer ergänzt: "München braucht die Atempause im Mieterhöhungswahnsinn dringend."
"Die Miete frisst meine ganze Rente"
Eigentlich hat sich Ute Armanski (75) als Rentnerin ein würdevolles Wohnen vorgestellt. Die Haidhauserin liebt ihr Viertel – und engagiert sich dort regelmäßig. Doch jetzt droht eine Mieterhöhung – und für Ute Armanski die große Not: Ihre Miete soll von 1.000 Euro auf 2.300 Euro erhöht werden – wegen Modernisierung! "Ich bekomme aber nur 1.300 Euro Rente", klagt Ute Armanski.
Um sich ihre teure Stadt noch irgendwie leisten zu können, vermietet sie schon jetzt gelegentlich unter – etwa an Studenten. "Was in meiner Stadt passiert, finde ich unendlich verstörend", sagt die Münchnerin.
Sie hofft auf den Mietenstopp. "Für Menschen, die in meiner Lage sind, wäre das eine gute Lösung", sagt sie. Ute Armanski bezeichnet sich als "City Girl". Sie mag das Stadtleben, ist im Viertel vernetzt. Kommt es zu der angekündigten Mieterhöhung, wäre all das in Gefahr.
Sie wünscht sich mehr Mitgefühl für Menschen in ihrer Situation. Traurig sagt sie: "Ich teile mein Schicksal mit Vielen."
Kinderarzt schlägt Alarm: Kein Personal mehr!
In seiner Praxis in Laim sind auch Kassenpatienten zugelassen, Kinderarzt Tobias Eisenhut (52) hat circa 80 kleine Patienten am Tag. Aktuell sucht er dringend nach Arzthelfern – doch er hat wegen der teuren Mietpreise in München große Schwierigkeiten, welche zu finden. "Wenn Bewerber keine Wohnung in München finden, dann gehen sie in eine andere Stadt", sagt der Arzt.
Von dem Notstand sind längst nicht nur die Arztpraxen betroffen, auch in den Krankenhäusern fehlt es an Pflegepersonal. Eisenhut erzählt etwa von einem Kind mit Mengingitis, das stationär hätte behandelt werden müssen. Die Station war allerdings komplett ausgelastet – das Kind wurde dann in der Notaufnahme behandelt. Er erzählt von einem weiteren Fall, bei dem ein wenige Tage altes Baby dringend eine Infusion brauchte. Da ein Münchner Krankenhaus komplett ausgelastet war, musste die Familie mit dem Notfall weiter nach Traunstein fahren – im privaten Auto.
Eisenhut mahnt: "Das sind keine exotischen Einzelfälle." Er sieht einen immer größeren Notstand auf die Stadt zukommen.
Lesen Sie hier: SPD stellt realen Mietspiegel für München vor
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