"Mietenstopp in München": Das hat es mit Programm von OB Dieter Reiter (SPD) auf sich

Die 68.000 städtischen Wohnungen in München sollen nicht teurer werden. Das fordern OB Dieter Reiter und die SPD. Doch der Stadtrat muss das erst beschließen. Und die Grünen sind sauer.
von  Christina Hertel
410 Euro zahlt Anna Ferlewycz Miete und das soll auch so bleiben, wenn es nach OB Dieter Reiter geht.
410 Euro zahlt Anna Ferlewycz Miete und das soll auch so bleiben, wenn es nach OB Dieter Reiter geht. © Daniel Loeper

München - Es ist noch nicht lange her, da klingelte der Postbote an Anna Ferlewycz Tür – mit einem Paket so groß wie zwei Schuhkartons. "Ich wollt's zuerst gar nicht annehmen, man weiß ja heutzutage nicht", sagt Anna Ferlewycz. "Aber da schauen Sie mal." Sie öffnet den Deckel: Sekt, Traubensaft, Apfelmus, die Fleischdosen hat sie schon rausgenommen.

Das Paket kam von dem Herrn Reiter, dem Oberbürgermeister, zu ihrem 90. Geburtstag, wahnsinnig gefreut hat sie sich da, erzählt die Rentnerin. Heute kommt der Oberbürgermeister persönlich vorbei – nicht weil Geburtstag, sondern wohl weil bald Landtagswahl ist. Aber das ist ja auch eine Zeit der Geschenke. Und diesmal sollen rund 170.000 Münchner eines bekommen, die in einer städtischen Wohnung leben.

München: OB Dieter Reiter verspricht gleichbleibend niedrige Mieten

Ihre Mieten werden in den nächsten Jahren nicht steigen – in diesen Zeiten, in denen sonst alles teurer wird. Das ist die Botschaft, die Reiter im Innenhof der Wohnanlage verkündet, in der auch Anna Ferlewycz lebt.

Der Ort ist kein Zufall: Die Anlage in Milbertshofen gehört seit ein paar Jahren der Stadt und vorher dem Freistaat, aber der verkaufte vor zehn Jahren 32.000 Wohnungen in ganz Bayern.

Diese Anlage in Milbertshofen gehört der Stadt – so wie rund 68.000 Wohnungen.
Diese Anlage in Milbertshofen gehört der Stadt – so wie rund 68.000 Wohnungen. © Loeper

Sie zahle 410 Euro für zwei Zimmer, Küche, Bad, Balkon. Das gehe ganz gut mit ihrer kleinen Rente, sagt Ferlewycz. Sie arbeitete früher als Verkäuferin, ihr Mann als Setzer bei einer Zeitung. Wäre die Miete gestiegen, könnte sie seltener zum Friseur oder zur Fußpflege. "Das Sparen haben wir gelernt", sagt die 90-Jährige.

Münchner Sozialwohnungen für alle, die drauf angewiesen sind

So weit kommt es nun voraussichtlich nicht. Alle Mieten der rund 68.000 städtischen Wohnungen sollen nicht steigen, so verkündet es Reiter. Momentan betragen sie durchschnittlich 7,92 Euro pro Quadratmeter bei freifinanzierten und 6,45 Euro bei geförderten Wohnungen. Letztere sind die Sozialwohnungen.

Für die gelten strengere Einkommensgrenzen, zum Beispiel darf das Brutto-Einkommen von zwei Personen nicht höher als 50.200 Euro sein. Die Stadt vermietet an mittlere Einkommensgruppen. Bei "München Modell Wohnungen" darf ein Zwei-Personen-Haushalt bis zu 62.500 Euro brutto verdienen.

Erst vor Kurzem ist Anna Ferlewycz 90 geworden – und hat ein Geschenk von der Stadt bekommen. Jetzt soll sie wieder eines kriegen: Ihre Miete wird wohl günstig bleiben.
Erst vor Kurzem ist Anna Ferlewycz 90 geworden – und hat ein Geschenk von der Stadt bekommen. Jetzt soll sie wieder eines kriegen: Ihre Miete wird wohl günstig bleiben. © Daniel Löper

Alleine kann Reiter den Mietenstopp nicht beschließen. Er braucht eine Mehrheit im Stadtrat. So war es auch 2019. Damals trat der erste Mietenstopp in Kraft. Er läuft im Juli 2024 aus. Etwas Zeit wäre also noch – bis zur Landtagswahl sind es aber nur noch sechs Wochen.

Keine Überraschung also, dass sich bei dem Termin die zwei SPD-Stadträte freuen dürfen, die für den Landtag kandidieren: Micky Wenngatz und Lars Mentrup. "Von den 25.000 Wohnungen, die die staatliche Wohnbaugesellschaft in dieser Legislatur bauen wollte, werden wohl nur 700 fertig", sagt Mentrup. "Solche Zahlen würde uns die Münchner Presse um die Ohren hauen", sagt Reiter.

Dieter Reiter knüpft Mietenstopp in München an seine Person

Und deshalb fragt die Münchner Presse nach: Wie lange soll der Mietenstopp denn gelten? "So lange wir es uns leisten können", antwortet Reiter darauf. Mindestens bis zum Ende seiner Amtszeit – "so lange, die auch dauern wird". Reiter will nämlich, wenn 2026 das nächste Mal Kommunalwahl ist, wieder kandieren.

Vorgenommen hat sich Reiter außerdem, mehr zu bauen. Damit sich die Stadt leisten kann, müsse sie woanders sparen: nämlich bei der Sanierung. "Neubau hat mich Priorität vor der Sanierung", sagte Reiter. Das bedeute nicht, dass Wohnungen verfallen sollen. Nur solle die Stadt nicht über den gesetzlichen Standard hinaus energetisch erneuern.

Mietenstopp in München: Meinungsverschiedenheiten zwischen Grün und Rot

Das ist allerdings im Koalitionsvertrag mit den Grünen anders vereinbart und im Stadtrat anders beschlossen worden. Denn Grün-Rot hat sich höhere Ziele gesteckt. "Verkünden", sagt Grünen-Fraktions-Chef Dominik Krause, "kann Reiter viel. Aber noch gelten die Stadtratsbeschlüsse." Angefressen klingt er trotzdem. Mal wieder. Die Grünen seien schon im Juli auf die SPD zugegangen, um darüber zu sprechen, wie es mit den städtischen Mieten weitergeht.

Denn auch die Grünen wollen eine soziale Ausgestaltung der Mieten, sagt Krause. Die Wörter "generellen Mietenstopp" nimmt er nicht in den Mund. Denn es seien noch viele Fragen offen: Ist eine Staffelung der freifinanzierten Wohnungen nach Einkommen möglich? Wie geht es mit Mieten weiter, die nicht die Bewohner, sondern der Staat bezahlt?

Auf Stimmen der CSU kann die SPD kaum hoffen. Schon beim letzten Mietenstopp stimmte die CSU dagegen. "Das Defizit, das entsteht, ist enorm", sagt CSU-Chef Manuel Pretzl. Und schließlich brauche die Stadt Geld für Neubau. Ohne, dass sich Reiter überlegt, woher das kommen soll, bleibe das Ganze nur eines: ein Wahlkampf-Auftritt.

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