Mietenkrise in München endlich besiegen

Neubau, aber nicht nur, und wenn bezahlbar- Mieteraktivisten fordern von der neuen Regierung, Instrumente zum Mieterschutz endlich zu schärfen.
Myriam Siegert
|
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
12  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Münchner Mietshäuser: Nicht nur das Heizen und der Strom werden teuer, sondern auch die Miete.
Münchner Mietshäuser: Nicht nur das Heizen und der Strom werden teuer, sondern auch die Miete. © imago/Sven Simon

München - Ein Ein-Zimmer-Apartment, 31 Quadratmeter in einem Hochhaus im Westend, nicht möbliert, mit Nachtspeicherofen - dafür zahlt Juliane Schneider (Name geändert) 900 Euro kalt. Also fast 30 Euro pro Quadratmeter. Als sie den Mietervertrag abschloss, so erzählt Schneider, stand schon im Vertrag, die Mietpreisbremse könne nicht angewendet werden, weil schon der Vormieter über 800 Euro gezahlt hatte. Warum sie trotzdem unterschrieb? "Ich musste innerhalb von zwei Wochen eine neue Wohnung finden, nur so bin ich da gelandet." Zuvor hatte sie möbliert zur Untermiete gewohnt, wo sie plötzlich gekündigt wurde.

Mietwucher aufgedeckt: Vermieterin in Erklärungsnot

Wehren wollte sich Juliane Schneider trotzdem. Sie wandte sich ans Sozialreferat, mit der Bitte, ihren Fall auf Mietwucher zu prüfen. Nach einem aufwendigen Verfahren, in dem sie ihre Zwangslage belegen musste und ein ausführliches Mietwertgutachten der Wohnung erstellt wurde, teilte das Referat ihre Einschätzung, dass hier Mietwucher vorliege. Die angemessene Miete für das Apartment liege bei 395 bis maximal 435 Euro. Die Vermieterin muss sich nun der Behörde nun erklären.

Schneiders Fall ist ein extremer. Hat sie Erfolg, sieht die Vorschrift eine Absenkung der Miete und ein Bußgeld für die Vermieterin vor. Doch meist haben es Mieter schwer gegen Mietwucher vorzugehen. Der Mieter müsse seine Zwangslage beweisen, allein das sei eine große Hürde, so Monika Schmid-Balzert, Sprecherin der Kampagne Mietenstopp. Seit vielen Jahren schon würden Gerichte diese außerdem kaum noch anerkennen.

Eine Verschärfung des sogenannten Mietwucherparagrafen ist daher nur eine von mehreren Forderungen, die das Bündnis aktuell an die neue Bundesregierung stellt.

Mieten steigen weiter: Stärkere Maßnahmen zur Begrenzung nötig

Die Mieten müssen sofort und deutlich stärker, als im Koalitionsvertrag vereinbart, begrenzt werden, so die Kampagne. Indem vorhandene Instrumente scharf gestellt werden, aber auch neue geschaffen. Denn: Die Lage der Mieter, längst nicht mehr nur in Großstädten, ist angespannter denn je. Laut dem Immo-scout24-Wohnbarometer stiegen die Mieten für Bestandswohnungen 2021 bundesweit um durchschnittlich 4,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr, bei Neubauwohnungen sogar um sieben Prozent.

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Die überparteiliche Kampagne Mietenstopp, der viele kleine Mieterinitiativen aus ganz Deutschland, aber auch große Verbände wie der Paritätische Gesamtverband oder die Arbeiterwohlfahrt (AWO) angehören, fordert deshalb auch, die Mietpreisbremse bei Wiedervermietungen von Wohnungen zu verschärfen statt nur, wie im Koalitionsvertrag vorgesehen, zu verlängern. Bisher, so Lukas Siebenkotten, Präsident des Deutschen Mieterbundes, habe sie nicht den erwünschten Effekt erzielt, weil es einfach zu viele Ausnahmen gebe.

Mietenstopp für viele die beste Lösung 

Für Bestandsmieter sei zudem ein Mietenstopp für sechs Jahre die beste Lösung: Er würde die Mieten auf dem jetzigen Stand einfrieren. Die von der Ampel geplante Senkung der Kappungsgrenze für Mieterhöhungen im Bestand von 15 auf elf Prozent in angespannten Wohnungsmärkten reiche nicht aus.

Regierung muss neues Vorkaufsrecht schaffen

Eine weitere zentrale Forderung: ein neues Vorkaufsrecht. "Mit ihm haben Kommunen aktiven Mieterschutz betrieben und sich nach Jahren der Privatisierung auch ein Stück Hoheit über ihre Stadtentwicklung zurückgeholt", sagt Lorena Jonas von der Initiative "23 Häuser sagen Nein". Nun sei es an der Politik schnell ein neues Vorkaufsrecht zu schaffen.

Maßnahmen für Bestandsmieter sind nach Ansicht der Mieter-Experten ein unverzichtbarer Baustein für bezahlbaren Wohnraum. Die Politik konzentriere sich stark auf den Wohnungsneubau. Das alleine werde aber die Wohnungskrise nicht lösen.

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
12 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
  • Thomas Miller am 20.02.2022 08:40 Uhr / Bewertung:

    Absolut richtig von der Mieterin. Die Vermieter handeln in München zu über 90% bei den Mieterhöhungen bei Neuvermietungen (egal ob Alt oder Neubau) illegal und verlangen über die Mietspiegel plus 10% was Sie dürfen.

    Diese illegal hohen Mieten gehen dann aber wieder in den Mietspiegel ein und so führt diese Praktik auch noch zu viel höheren Mietspiegelpreisen.

    Die Mieter müssen mehr Ihr Recht einfordern und einfach mal nach Einzug die Miete "rügen" - der Mietspiegel der Stadt München ist online verfügbar. Mit ein paar Klicks hat man die "offizielle und rechtlich zulässige" Miete gemäß Mietspiegel berechnet.
    Damit kann man dann ja mal seinen Vermieter konfrontieren.

  • Kadoffesalod am 19.02.2022 11:54 Uhr / Bewertung:

    Die von Linken, SPD und Grünen eingeführten Instrumente wie Mietenstopp, Mietpreisbremse, Kappungsgrenze, Mietpreisreduzierung und Rückzahlungspflicht auf Anordnung haben bis jetzt das Wohungsproblem noch nicht gelöst. Nicht mal im Ansatz.

    Da muss man einfach die Instrumente nochmals drastisch verschärfen und weitere Maßnahmen wie z. B. die Übernahmeverpflichtung von Nebenkosten durch die Vermieter überlegen. Das wird dann schon viele Investoren dazu bringen dass sie wieder mehr Wohnungen bauen, kaufen und vermieten.

    Auch die drastisch steigenden Kosten für Strom, Heizung, Versicherungen, Heizungsablesung, Gebäudereinigung u.s.w. u.s.w. mit welchen die Nebenkosten immer teurer werden, machen Immobilien immer attraktiver.

  • Mobilist am 19.02.2022 16:46 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Kadoffesalod

    Welchen Mietenstopp meinen sie? Ich kenn keinen. Und die Mietpreisbremse hat mehr Löcher als ein Schweizer Käse. Mangels Strafen gleicht sie eher eine Empfehlung.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.