Messerstecher in der U-Bahn: Der Prozess hat begonnen
München im Februar: Statt einer Entschuldigung zückte ein Stadtstreicher ein Messer, verletzte einen Studenten. Jetzt muss sich Johann S. vor dem Schwurgericht wegen versuchten Mordes verantworten.
MÜNCHEN Der Fall schockte die Münchner im Februar, denn es hätte jeden treffen können, der mit der U-Bahn zur Arbeit fährt. Es traf den 27-jährigen Studenten Robert S. – nach einem Streit um einen Sitzplatz in der U-Bahn, bespuckte ein 65 Jahre alter Stadtstreicher den jungen Münchner, der folgte ihm auf die Rolltreppe der U-Bahn-Station am Hauptbahnhofs, stellte ihn dort zur Rede. Statt einer Entschuldigung zückte der 65-Jährige ein Messer und zog die Klinge durch das Gesicht seines Kontrahenten. Seit Montag muss sich Johann S. dafür vor dem Schwurgericht wegen versuchten Mordes verantworten.
Sein Opfer schilderte die Tat am Montag so: Er sei am 13. Februar in der Frühe am Sendlinger Tor in die U1 Richtung OEZ zugestiegen, bat den Obdachlosen, der sich auf einer Sitzbank breit gemacht hatte, seinen Rucksack wegzunehmen, damit er sich setzen könne. „Ganz höflich, ich habe sogar ’Bitte’ gesagt.“ Doch der 65-Jährige rührte sich nicht, grummelte nur etwas vor sich hin. „Ich habe nur ’Sau-Preiß’ verstanden.“ Der 26-Jährige zwängte sich dennoch auf die verbleibende Sitzfläche. Am Hauptbahnhof wollte der Stadtreicher aussteigen, spuckte dem Studenten zuvor aber noch in den Nacken.
Der Student folgte ihm und wollte ihn zur Rede stellen. Auf der Rollreppe zum Zwischengeschoss eskalierte der Konflikt. „Ich habe das Meser gar nicht gesehen, dachte es sei seine Faust gewesen, die mich im Gesicht erwischte.“ Doch als er sich an die Wange fasste, spürte er das Blut. Im Zwischengeschoss sank der Student stark blutend zusammen, das Messer hatte seine Kaumuskeln und Speicheldrüse durchtrennt. Passanten eilten ihm zu Hilfe.
Der 26-Jährige wurde mit einem Rettungswagen in ein Krankenhaus gebracht und sofort operiert. Mehrere Wochen konnte er nur Suppe und Brei zu sich nehmen, die erste Woche nach der Attacke konnte er vor Schmerzen nicht reden, musste alles aufschreiben. Bis heute spürt er die Folgen. „Die Narbe werde ich mein Leben lang im Spiegel sehen“, erklärte Robert S. am Montag vor Gericht.
Dem Messerstecher gelang zunächst die Flucht. Der Obdachlose fuhr mit einer S-Bahn zum Isartor. Ein Zeuge folgte ihm und konnte die Polizei alarmieren, die den Täter festnahm. Johann S., der aufgrund einer Sehschwäche nicht lesen kann und laut Gutachterin nur einen IQ von 67 besitzt, entschuldigte sich gestern bei seinem Opfer. Robert S., der auch als Nebenkläger auftritt, nahm die Entschuldigung an. Der Prozess wird fortgesetzt.
John Schneider
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