Mehr Hilfe für arbeitslose Akademiker

Ein Netzwerk bietet Hilfe aller Art für Menschen mit Hochschulausbildung, die von Arbeitslosigkeit bedroht oder betroffen sind.
von  dapd

München - Arbeitslose haben mit Vorurteilen zu kämpfen: Viele Menschen meinen, es handle sich um Faulenzer, die nur vor dem Fernseher sitzen, oder um Heranwachsende ohne Ausbildung. Solche Klischees haben mit der Realität jedoch wenig zu tun. Hinter den Zahlen, die die Bundesagentur für Arbeit allmonatlich herausgibt, verbergen sich oft Schicksale auch von hochqualifizierten Menschen, die selbst wohl nie gedacht hätten, einmal in der Arbeitslosen-Statistik aufzutauchen. Für einen Teil von ihnen hat sich in München vor knapp zehn Jahren das Netzwerk erwerbssuchender Akademiker *nea e.V. gegründet: Es bietet Hilfe aller Art für Menschen mit Hochschulausbildung, die von Arbeitslosigkeit bedroht oder betroffen sind. Trotz der allgemeinen Klagen über Fachkräftemangel haben die meist ehrenamtlichen Mitarbeiter des Netzwerks viel zu tun.

Den Verantwortlichen bei *nea zufolge gewähren viele Unternehmen Bewerbern häufig keine Einarbeitungszeit mehr. Büroleiter Konny Hoff kritisiert zudem befristete Projektverträge, die „auf praktisch alle Branchen“ übergriffen. „Man verlangt Fachkräfte, ist aber nicht bereit, sie entsprechend zu bezahlen oder aber den Nachwuchs zu qualifizieren.“ Trotz der wirtschaftlich soliden Lage fällt es Hochqualifizierten mitunter schwer, wieder einen Job zu finden – besonders wenn sie älter, Mutter oder alleinerziehend sind. In dem Netzwerk sind aber alle Altersgruppen und Branchen vertreten. Betroffen seien nicht etwa nur der weltfremde Geisteswissenschaftler, der außer einem Uniabschluss wenig vorzuweisen habe, sondern auch Juristen, Mediziner oder Betriebswirte, sagt Oliver Eggert, der *nea 2003 gegründet hatte.

Wer zu dem Netzwerk findet, hat oft schon resigniert. *nea versteht sich deswegen für die etwa 170 meist temporären Mitglieder, die dabei sind, bis sie wieder einen Job haben, nicht als Arbeitsvermittlung, sondern vor allem als Anlaufpunkt für Information, Hilfe und Selbsthilfe. Der Verein berät in bürokratischen Fragen, bei Antragstellungen, bei Behördengängen. Er vermittelt Ansprechpartner und ermöglicht Austausch und damit neue Impulse. Denn er setzt vor allem darauf, Kontakt zu anderen Akademikern in ähnlicher Situation herzustellen oder zu solchen, die die Arbeitslosigkeit hinter sich gelassen haben.

Das Knüpfen von Netzwerken hat da oft einen größeren Nutzen als die Vermittlungsbemühungen der Arbeitsagentur. „Was ich an *nea wirklich toll finde, ist, dass die Leute hier die Möglichkeit haben, sich auszuprobieren“, sagt *nea-Psychologin Melitta Sauer. Sie können nicht nur Büros und Computer nutzen, sondern sich neues Wissen erarbeiten und von anderen lernen. So eignete sich ein arbeitsloser Geologe in dem Netzwerk das nötige Know-how an, um jetzt als Webdesigner zu arbeiten.

Mitglieder können außerdem Seminare oder Einzelgespräche zur Berufsorientierung vereinbaren oder sich ihre Bewerbungsunterlagen von Personalern durchsehen lassen. Sauer gibt auch psychologische Hilfestellung, wenn die Betroffenen mit Problemen wie Depressionen zu kämpfen haben – oder wenn es schlicht um Aufmunterung geht. Den meisten Netzwerk-Mitgliedern wurde zwar aus wirtschaftlichen Gründen gekündigt. „Aber sie denken, sie sind selbst schuld, dass sie entlassen worden sind, und schämen sich“, sagt Sauer. Bei *nea gebe es ein niedrigschwelliges Angebot, das die Mitglieder mit dem Gefühl nutzen könnten: Wir sitzen alle im gleichen Boot. „Mir ist es ein großes Anliegen, den Leuten Mut zu machen, an ihre eigenen Wünsche und Fähigkeiten zu glauben“, sagt auch Hoff. „Das Umsetzen ist dann meistens eher das kleinere Problem.“

 

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