Mega-Bauruine statt Vorzeigeprojekt in München: "Wie eine klaffende Wunde"

Was aus René Benkos Bauruinen in München wird, ist noch völlig unklar – und schon meldet erneut eine Firma eines österreichischen Immobilienkonzerns für ein großes Projekt in der Innenstadt Insolvenz an.
von  Nina Job
So haben Bauarbeiter die Baustelle an der Adolf-Kolping-Straße hinterlassen. Die Grube erinnert ans "Sendlinger Loch" – ebenfalls eine tote Baustelle.
So haben Bauarbeiter die Baustelle an der Adolf-Kolping-Straße hinterlassen. Die Grube erinnert ans "Sendlinger Loch" – ebenfalls eine tote Baustelle. © Daniel von Loeper

München - Ein Arbeiter hat eine halb leere Sprudelflasche zurückgelassen. Zwei riesige Baukräne, ein paar Baucontainer und eine Schubkarre stehen noch da. Aber die Arbeiter sind weg, sie haben schon vor knapp zwei Wochen ihre Sachen gepackt. Zurück bleibt ein gigantisches Bauloch an der Adolf-Kolping-Straße, eine tote Baustelle mitten in der Stadt.

Wieder eine – nachdem in den vergangenen Monaten eine Pleite nach der anderen in René Benkos Signa-Reich die Stadt erschütterte. Und in München Bauruinen in bester Lage zurückließ. Auch bei der jüngsten Pleite handelt es sich um ein Tochterunternehmen eines österreichischen Immobilienunternehmens. Überhaupt gibt es einige Parallelen.

Nachhaltige Büros: An der Adolf-Kolping-Straße in München sollte ein Vorzeigeprojekt entstehen

An der Adolf-Kolping-Straße war ein Vorzeigeprojekt geplant. Die Stadt hatte dafür ein Grundstück im Erbbaurecht an einen österreichischen Investor Imfarr vergeben. Dieser wollte direkt hinter den Mathäser-Kinos zwischen Stachus und Hauptbahnhof – wo zuvor ein oberirdisches Parkhaus gestanden hatte – ein "nachhaltiges" und verkehrstechnisch bestens angebundenes Bürohaus bauen.

Ein nachhaltiger Büro- und Geschäftshaus im Herzen Münchens mit hochmoderner Tiefgarage sollte an der Adolf-Kolping-Straße entstehen.
Ein nachhaltiger Büro- und Geschäftshaus im Herzen Münchens mit hochmoderner Tiefgarage sollte an der Adolf-Kolping-Straße entstehen. © Imfarr

Das "Muc.One" sollte die modernste Tiefgarage Deutschlands bekommen samt Mobility Hub für E-Fahrzeuge. Darüber sollten 13.400 Quadratmeter mietbare Flächen für Büros, Geschäfte und Gastro entstehen. Auf dem Dach war eine spektakuläre Terrasse mit vielen Pflanzen geplant.

Doch vor wenigen Tagen hat der Projektentwickler, die Imfarr-Tochter Elements of Infrastructure GmbH Insolvenz angemeldet. Nun droht auch diese Baustelle für lange Zeit stillzustehen. Wie die Signa-Projekte Alte Akademie in der Neuhauser Straße, die Neubebauung an der Schützenstraße, sie Sanierung am Bahnhofplatz sowie der Neubau am ehemaligen Kaut-Bullinger-Stammsitz in der Rosenstraße. Ein herber Tiefschlag für die (Innen-)Stadt.

Bauruine an der Adolf-Kolping-Straße: "Jetzt haben wir auch ein 'Sendlinger Loch'"

Frank Schneider ist Geschäftsführer des Kolpinghauses direkt gegenüber der "Muc.One"-Baustelle. Die Grube, auf die er schaut, erinnert ihn an das wohl bekannteste Bauloch der Stadt an der Alramstraße. Auch hier geht seit Jahren nichts weiter. "Jetzt haben wir auch ein 'Sendlinger Loch' vor der Tür", sagt Schneider. "Nur bei uns steht kein Wasser drin." Er fürchtet: "Wenn sich nicht bald ein neuer Investor findet, wird uns das auch länger bleiben." Frank Schneider ahnte schon, dass der Projektgesellschaft die Insolvenz droht. Die Firma hatte Büros im Kolpinghaus gemietet, er hatte oft Kontakt zum Projektleiter, kam gut mit ihm aus.

Als Gründe für die Pleite gab das Unternehmen stark gestiegene Baukosten an. "Die Gründe hierfür lagen unter anderen in einer monatelangen Verzögerung durch eine nachbarschaftliche Klage." Diese Verzögerungen hätten "Forcierungsmaßnahmen mit dementsprechenden Kostensteigerungen" erfordert, heißt es. Dazu kamen hohe Finanzierungszinsen – unter denen seit einiger Zeit alle Bauherren leiden.

"Das Sicherheitsgefühl leidet": Wann geht es im Bahnhofsviertel in München endlich voran?

Das Kolpinghaus, dessen Geschäftsführer Frank Schneider ist, gehört zu den Gründungsmitgliedern der Interessensgruppe Südliches Bahnhofsviertel. Dessen Vorsitzender Reinhard Sigel sorgt sich ums Viertel, in dem mehr als 40.000 Menschen arbeiten und etwa 4000 wohnen. Im Viertel befinden sich zudem 60 Prozent aller Hotelbetten der ganzen Stadt. "Die Situation ist sehr schwierig. Das Viertel leidet sowieso an einer Vielzahl Baustellen", sagt Sigel. Die Großbaustelle am Hauptbahnhof, ein Hotel-Neubau mit 400 Betten und weitere Projekte gehören dazu. "Die vielen Baustellen sorgen nicht unbedingt für ein attraktives Umfeld für alle, die hier leben und arbeiten."

Die größte Großbaustelle in der Innenstadt wird noch Jahre dauern: der Hauptbahnhof.
Die größte Großbaustelle in der Innenstadt wird noch Jahre dauern: der Hauptbahnhof. © Daniel von Loeper

Stillstehende Baustellen würden die Situation noch deutlich verschlimmern. "Das zieht das ganze Viertel runter", sagt Reinhard Sigel. "Wir haben ja schon die Schützenstraße, die fast eine No-go-Area ist." Dort gammeln der riesige leerstehende Karstadt und das ehemalige kaum halbsanierte Hertie-Kaufhaus vor sich hin. "In der Schützenstraße können sich Gewerbetreibende kaum noch halten", sagt Sigel.

Benko-Hinterlassenschaft: die Karstadt-Bauruine (l.) in der Schützenstraße. "Fast schon eine No-go-Area", heißt es aus dem Viertel.
Benko-Hinterlassenschaft: die Karstadt-Bauruine (l.) in der Schützenstraße. "Fast schon eine No-go-Area", heißt es aus dem Viertel. © Daniel von Loeper

Potenzielle Kunden würden abgeschreckt, auch für Anwohner sei die Situation sehr belastend. Tote Baustellen hätten den Effekt, dass sie Obdachlose, Alkoholabhängige und Drogenkonsumenten anziehen würden. "Das sind Bereiche, die sozial nicht so kontrolliert sind und vermüllen. Das Sicherheitsgefühl leidet – vor allem bei den Damen", meint Sigel. Für Eigentümer von Immobilien sei so eine Lage auch "nicht unbedingt wertfördernd".

Temel Nal, der seit 24 Jahren im Bahnhofsviertel als Rechtsanwalt arbeitet, glaubt eigentlich fest daran, dass neue Bauprojekte die Innenstadt aufwerten werden. Aber: "Ich hoffe nur, dass sie auch wirklich realisiert werden", sag er. "Zur Zeit ist es wie eine klaffende Wunde", sagt er.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.