Medizin-Touristen blockieren Münchner Wohnungen

München - Eine komische Gegend ist das, möchte man meinen, in diesem Block am Arabellapark. Die Nachbarn wechseln ständig, kommen mal von hier und mal von dort, sind mal so und mal so, aber eines sind sie allesamt: krank.
Jetzt liegt das weniger daran, dass der Arabellapark nur Kranke anziehen würde. Im Gegenteil, die Wohnungen hier wären sehr gefragt auf dem hitzigen Münchner Markt. Bloß: Da landen sie nie.
Der Block im Arabellapark, den Peggy Schön beschreibt, ist ein Beispiel für die unerwünschten Nebenwirkungen der Münchner Top-Medizin. Und dafür, wie durch Geldmacherei bezahlbarer Wohnraum für Münchnerinnen und Münchner blockiert wird. Peggy Schön ist Initiatorin der Petition „Wohnraum für Münchner statt für Medizintouristen – Durchsetzung der Zweckentfremdungssatzung“ auf der Online-Plattform Open Petition. (Hier geht's direkt zur Onlinepetition) Zusammen mit aktuell mehreren hundert Unterzeichnern fordert sie, dass die Vorschriften im Kampf gegen Zweckentfremdung von Wohnraum verschärft werden und Missbrauch nicht nur konsequenter, sondern auch härter als bisher bestraft wird.
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Medizintouristen, das sind Menschen, die nach München kommen, um sich hier behandeln zu lassen. Die Kliniken in der Stadt genießen teilweise international einen hervorragenden Ruf – und locken Patienten, die in ihrer Heimat nicht adäquat behandelt werden könnten. Das ist einerseits gut für die Kliniken und den Standort München.
„Doch es vernichtet auch Wohnraum“, sagt Peggy Schön. „Immer häufiger gehen Patienten, die ambulant behandelt werden, für die Dauer ihres Aufenthalts nicht in Hotels, sondern kommen in Mietwohnungen unter.“ Ihr seien Fälle nicht nur aus dem Arabellapark, sondern etwa auch aus der Ludwigsvorstadt bekannt.
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Für Vermieter lukrativ, für den Mieterverein ein klarer Missbrauch
Es seien dabei nicht immer die Eigentümer der Wohnungen, die diese an Medizintouristen vermieten. „Es gibt auch Mieter, die untervermieten oder Verwalter, die sich auf die Vermietung an Touristen spezialisiert haben.“ Online-Portale, wie sie beispielsweise gewöhnlichen Touristen Unterkünfte vermitteln, würden dabei nicht einmal gebraucht.
Pro Tag werden für so eine Mietwohnung als Krankenstation zwischen 100 und 150 Euro fällig, hat Peggy Schön beobachtet. Das Geschäft mit den Patienten, die lieber eine eigene Bude haben, als ins Hotel zu gehen, ist lukrativ.
Für Mieterschützer ist es ein klarer Missbrauch. „Diese Wohnungen werden zweckentfremdet“, sagt Anja Franz vom Mieterverein München. „Wir unterstützen daher die Petition in ihren Forderungen.“
Die Strafe sind bis zu 50 000 Euro Bußgeld – theoretisch
Das sind zum einen schärfere Vorschriften. Die Stadt München und der Freistaat sollen ihre Satzungen zur Zweckentfremdung erweitern. Außerdem soll die Stadtverwaltung strenger durchgreifen und den Rahmen des maximalen Bußgelds von 50 000 Euro ausschöpfen. Bisher sei das ein theoretischer Wert, wodurch sie das Geschäft auch noch rechne, wenn man mal erwischt wird.
Zudem würden Urteile, bei denen eine Zweckentfremdung festgestellt wurde, nicht schnell genug umgesetzt. Hier sollen Zwangsmaßnahmen wie eine Zwangsräumung beschleunigt werden.
Und dann stehen auch noch die Kliniken in der Kritik. Die Initiatoren der Petition werfen ihnen vor, den Missbrauch von Wohnraum zu unterstützen. „Es liegen etwa im Klinikum Bogenhausen Flyer aus, die für diese Art der Unterbringung werben“, sagt Peggy Schön.
Raphael Diecke, Sprecher des Städtischen Klinikums, wehrt sich gegen diese Vorwürfe. Die Experten des Klinikums würden zwar auch über München hinaus einen guten Ruf genießen, dadurch gebe es auch Anfragen aus dem Ausland. Aber: „Das Städtische Klinikum ist im Rahmen der kommunalen Daseinsvorsorge in erster Linie für die Versorgung von Patienten in München da und wirbt nicht aktiv um ausländische Patienten oder gar einen Aufenthalt in privaten Unterkünften.“