Medizin-Studenten lernen an modernen Simulations-Puppen

Um für den Klinik-Alltag gewappnet zu sein, lernen TU-Studenten an Simulations-Puppen, die sogar sprechen können.
von  Sophie Anfang
Die Puppe atmet, hat Blutdruck und kann intubiert werden.
Die Puppe atmet, hat Blutdruck und kann intubiert werden. © Sophie Anfang

MünchenEs ist ein OP-Saal, wie man ihn aus vielen Krankenhäusern kennt: Der Patient liegt ruhig auf dem Tisch, gerade wurde er spinal anästhesiert, über eine Infusion bekommt er Antibiotikum. Zwei junge Ärztinnen reden ihm gut zu. „Der Arm mit der Infusion tut ein bisschen weh. Es brennt“, sagt der Patient. Dann geht alles ganz schnell: Erst steigt der Puls, dann Husten, die Sauerstoffsättigung sinkt. „Ist der allergisch?“, fragt eine Ärztin. Sie wird nervös, holt die Oberärztinnen. Der Blutdruck sinkt rapide. Sie spritzen Adrenalin, Propofol, intubieren. Große Hektik. Der Monitor piept noch, aber ganz dumpf. Noch mal Adrenalin.

„So, das reicht“, sagt Dominik Hinzmann, als er den Raum betritt und den Monitor ausschaltet. Aufatmen bei den vier Nachwuchs-Medizinerinnen, die Simulation ist vorbei. Der Patient mit dem allergischen Schock ist in Wirklichkeit eine hochmoderne Plastikpuppe, die Körperfunktionen hat und sogar sprechen kann, der OP-Saal Teil der neuen Ärzte-Ausbildung am TU-Klinikum Rechts der Isar.

Medizin-Studenten üben an hochmodernen "Simulations-Mannequins"

Seit Beginn des Wintersemesters tasten sich Medizin-Studenten hier in täuschend echter Umgebung und an sogenannten „Simulations-Mannequins“ an den Krankenhaus-Alltag heran.

Einmal pro Semester lernen sie in Kleingruppen bei Rollenspielen verschiedene Bereiche kennen: Hygiene, Stationsmanagement oder, wie diesmal, was bei akuter Lebensgefahr zu tun ist.

Die Studenten werden von praktizierenden Ärzten betreut

Hinzmann arbeitet sonst als Anästhesist im Klinikum rechts der Isar. An diesem Vormittag betreut er Studenten bei der Simulation.

Die Studentinnen, die gerade noch als Ärztinnen versucht haben, den Plastik-Patienten zu retten, sitzen inzwischen mit anderen Studienkolleginnen in einem Nebenraum. Auf einem Monitor ist eine Videoaufzeichnung der Simulation zu sehen. „Diese Überforderung, in der ihr jetzt wart, werden ihr in der Praxis wieder erleben“, sagt Hinzmann. Dann lobt er: fachlich sei viel richtig gelaufen. Nur bei der Kommunikation hat’s gehapert: „Ihr wärt weiter gekommen, wenn ihr miteinander geredet hättet.“

"Die Situation war schrecklich, aber wir haben viel gelernt", sagt eine Studentin

Julia, eine Studentin im 10. Semester, die in der Simulation die Oberärztin war, nickt: „Die Situation war schrecklich, aber wir haben viel gelernt.“

Simulationen stammen aus der Raumfahrt, seit zehn Jahren werden sie verstärkt in der Aus- und Weiterbildung von Ärzten eingesetzt. Drei Millionen Euro hat das Uniklinikum der TU in die Hand genommen, um ihr früheres Krankenblattarchiv an der Nigerstraße entsprechend umzubauen. Finanziert wurde es aus Studienbeiträgen, Universitätsmitteln und Zuschüssen von Freistaat und Industrie.

Im Zentrum gibt es sechs Räume

Jetzt gibt es dort sechs Simulationsräume: einen OP-Saal, ein Intensiv- und ein Stationszimmer sowie drei Räume, die wie Arztpraxen aussehen. Alle sind mit Kameras ausgestattet, damit die Simulation aufgezeichnet und danach in der Gruppe angeschaut und besprochen werden kann.

„Ein Drittel wird gespielt, zwei Drittel gebrieft“, sagt Maike Kühnel, die Leiterin des Simulationszentrums.

40 000 Euro kosten die Puppen

Übungen mit „falschen Patienten“, das gab es zwar auch schon früher. Aber so täuschend echt waren sie nicht. Die 40 000 Euro teuren „Simulations-Mannequins“ atmen, klimpern mit den Augenlidern, haben Puls und Blutdruck. Die Studenten können ihnen Artzney spritzen oder sie intubieren.

In einem Nebenraum überwacht der betreuende Arzt per Video, wie die Studenten behandeln und kann die Körperfunktionen der Puppe dementsprechend anpassen. Dann fällt etwa der Blutdruck in den Keller, oder der Puls rast. Über ein Mikrofon kann der Betreuer die Puppe wie einen echten Patienten sprechen lassen.

Der Lerneffekt sei größer, sagt die Leiterin des Zentrums

„Dadurch haben sie einen ganz anderen Lerneffekt, weil sie auch einen anderen Stress fühlen“, erklärt Kühnel. 1200 Studenten ab dem fünften Semester werden künftig jedes Halbjahr die Simulationskurse belegen.

Für die angehenden Ärztinnen, die sich heute an den Simulations-Mannequins versuchen durften, war es jedoch der letzte Kurs am Modell: Sie sind fast fertig mit dem Studium. Schade, findet Julia: „Jetzt, wo wir es besser wissen, wäre es gut, die ganze Übung noch mal zu machen.“

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