Interview

Maxi Schafroth vor dem Geister-Nockherberg: "Derblecken mit Jetlag"

Maxi Schafroth wird am Freitag seine Fastenrede auf dem Nockherberg halten – ohne Politiker. In der AZ spricht er über diese Herausforderung.
von  Thomas Becker
Der Kabarettist, Schauspieler, Filmemacher, Jahrgang 1985, stammt aus dem Allgäu. Er derbleckt heuer zum zweiten Mal. "Ich bin wahnsinnig gespannt auf die Stimmung" - sagt Maxi Schafroth ein paar Tage vor dem Zuschauerlosen Nockherberg.
Der Kabarettist, Schauspieler, Filmemacher, Jahrgang 1985, stammt aus dem Allgäu. Er derbleckt heuer zum zweiten Mal. "Ich bin wahnsinnig gespannt auf die Stimmung" - sagt Maxi Schafroth ein paar Tage vor dem Zuschauerlosen Nockherberg. © Felix Hörhager/dpa

AZ: Herr Schafroth, nicht mehr lange hin bis zum Tag X. Wie gut schlafen Sie vor diesem etwas anderen Nockherberg-Auftritt am Freitagabend?
MAXI SCHAFROTH: Die Nächte werden immer kürzer. Oft sitze ich um vier Uhr nachts noch senkrecht am Laptop und schreibe. Naja, eigentlich kürze ich nur noch: Momentan ist die Rede noch viel zu lang!

Nockherberg-Predigt von Schafroth dieses Jahr mit anderem Konzept

Mei, Zeit genug wäre ja, so ohne Singspiel und ohne Zuschauer…
Für mich ist das ja auch neu. Ich hab' dafür ein anderes Konzept entwickelt, mit Musik und wechselnden Ebenen, dass es halt nicht wirkt wie eine trockene Predigt. Bin gespannt, wie das aufgeht. Trägt das eine Stunde lang in einem leeren Saal? Das Spannendste für mich wird sein, wenn ich daheim sitze und mir das anschaue.

Schafroth bei seinem ersten Derblecken 2019.
Schafroth bei seinem ersten Derblecken 2019. © Tobias Hase/dpa

Eigentlich hätte die Gaudi am 3. März steigen sollen, doch da gibt es ernstzunehmende Konkurrenz: die Ministerpräsidentenkonferenz, die über den Lifestyle der Deutschen in den kommenden Wochen entscheidet. Das muss ja alles noch bewertet und in den Text eingepflegt werden.
Drum sag ich ja: Nachtschicht! Danach werde ich sicher so eine Art Jetlag haben, weil mein ganzer Tagesablauf verdreht ist. Aber ich mach' das nicht ungern. Es war ja jetzt lange ruhig, zum Verzweifeln ruhig. Daher war ich auch froh, als es von Paulaner hieß: "Wir wollen was machen! Was kannst du dir vorstellen?" Es hätte ja auch sein können, dass man wieder komplett absagt. Ich fand's jedenfalls gut, dass der Mut da ist, dass man macht, was möglich ist.

Kabarettist Schafroth: "Die Leute sind so dankbar für Unterhaltung"

Vor einem Jahr war das Derblecken mit eine der ersten Veranstaltungen, die nicht mehr stattfinden konnten, korrekt?
Das war exakt in der Woche des Umbruchs. Die Woche davor hat man noch Scherze gemacht und hätte gesagt: "Servus, ich begrüße die Weihnachtsfeier von Webasto!" Den Witz konnte man dann nicht mehr machen. Da merkt man, wie die Pandemie Maßstäbe versetzt hat. Und der Konjunktiv im Zusammenhang mit Corona ist echt heikel. Wir haben wahrscheinlich noch nie so viel dazugelernt und uns auf neue Sachen eingestellt wie in den letzten zwölf Monaten - ich in meinem künstlerischen Schaffen jedenfalls nicht. Aber die Leute sind so dankbar für Normalität, für Unterhaltung. Das habe ich auch bei meinem Autokabarett im Sommer gemerkt.

Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Für ein wenig Satire und Entertainment hocken sich Menschen gegen Geld sogar in ihr Auto.
. . . und fahren von Frankfurt aus runter zu mir ins Allgäu! Das gibt mir schon ziemlich viel Schreibkraft.

Wie wird das Setting am Nockherberg sein? Stehen Sie wirklich in diesem riesigen Saal allein vor leeren Biertischen?
Das ist noch ein Geheimnis. Was ich aber schon verraten kann: Ich baue sehr viele Überraschungen ein.

"Das ist die Realität der letzten Monate: Wir betrinken uns alleine"

Ihr Starkbier müssen Sie aber alleine trinken. Traurig, oder?
Das ist die Realität der letzten zwölf Monate! Wir betrinken uns doch alle allein.

Die Sendung beginnt um 20.15 Uhr: Da gibt's auch keine Weißwürscht mehr.
Nix gibt's. Ich bin selber wahnsinnig gespannt auf diese Stimmung. Ich hab' die Rede ja so geschrieben, dass ich mit genau dieser Stimmung umgehe. In der Tragik liegt ja auch immer etwas Komisches, wenn man den Humor nicht verliert. Das wird die Triebfeder des Abends sein. Die Zuschauer sind ja empathisch, wissen, dass wir Künstler gerade keine Bühnen und fast nichts zu tun haben. Wir brauchen ja den Druck aus dem Publikum.

Derblecken auf dem Nockherberg: "Ich hab' eine diebische Freude, die zu demaskieren"

2019 hatten Sie Premiere als Bußprediger - vor der versammelten Polit-Prominenz, was man im normalen Kabarettleben ja leider nie hat. Wie haben Sie diese unmittelbare Nähe empfunden?
Das ist am Nockherberg schon eine Spezialität, eine besondere Bühnen-Saal-Mechanik. Das Publikum ist wie ein Anspielpartner: hochinteressant! Wenn ich bei "extra3" mit Christian Ehring eine Duo-Szene spiele, dann habe ich einen Anspielpartner und daheim schauen die Menschen am Fernseher zu. Auf dem Nockherberg ist der Saal mein Anspielpartner - da muss es funken, irgendwie. Das ist nicht wie beim abgefilmten 3sat-Kabarettfestival, wo man einem Auftritt beiwohnt, sondern eine viel engere Beziehung im Sinne von Zuschauer daheim, Zuschauer im Saal und Akteur. Ein wahnsinnig dichtes Setting: Das ist das Tolle daran.

Aber Spaß macht das schon, dieses öffentliche Abwatschn, oder?
Die sitzen da drin, und ich hab' eine diebische Freude, die zu demaskieren, und die versuchen alles, sich nicht demaskieren zu lassen - da brizzelt's schon. Das kann einen aber auch ziemlich aushebeln. Es ist schon so, dass man als Künstler den Saal für die Interaktion braucht. Wenn einem in den ersten fünf Minuten der Saal aussteigen würde, würden die weiteren 45 Minuten ganz schön schwierig werden. Es ist genau dieses Ausloten: Dass die Derbleckten einerseits gewatscht sind, andererseits aber noch lachen müssen und nicht sagen können "Das war jetzt so daneben", dass sie die Arme verschränken und auf den Boden schauen. Es ist schon echt eine Gratwanderung, was es zu einer Herausforderung macht. Aber einer angenehmen.


Fastenrede auf dem Nockherberg am Freitag, 20.15 Uhr, BR Fernsehen.

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