Maxi Schafroth beim Nockherberg 2019: "Moralpredigten bringen nichts"
München - Ein Allgäuer auf dem Nockherberg! Maxi Schafroth ist heuer mit 34 Jahren erstmals der altehrwürdige Festredner. Mit der AZ spricht der Kabarettist aus dem Allgäu darüber.
AZ: Sie sind Fastenprediger am Nockherberg – was kann danach noch kommen?
MAXI SCHAFROTH: Kanzlerin könnte ich noch werden. Klar, das ist ein Ritterschlag, auch wenn es in Norddeutschland Leute gibt – ich mache ja viel für den NDR – die fragen: "Herr Schafroth, was ist das mit diesem Nockerlberg?"
Welcher Politiker ist besonders leicht zu derblecken?
Der Aiwanger, das rotbackerte Kachelofenkind. Aus seinem Gesicht sprudelt die Ländlichkeit. Das finde ich so schön, weil ich Parallelen zu meiner Biografie erkenne. Man kommt aus so einer Einöde mit grünem Ortsschild, wo die Leut’ mit 130 ungebremst durchrasen. Und auf einen Schlag ist man in München, ist konfrontiert mit dem Münchner Treiben, mit dem Münchner Wohlstand, dieser Gewichtigkeit.
Söder ist laut Schafroth schwer zu derblecken
Gibt’s einen Politiker, den Sie schwer greifen können?
Markus Söder, er hat eine gewisse Glattheit. Aber er ist schon wieder so stark im Schauspielern, dass ich mir denke: Komm doch mal wieder zu dir selber! Sei, wie du bist. Aber er hat eine Kritikfähigkeit. Wenn man ihm sagt "Sei mal demütig", dann kommt er demütig daher. Deshalb ist er absolut derbleckbar.

Sind alle Politiker derbleckbar?
Schwierig ist der Herrmann. Den kann man an seinen Aufgaben derblecken. Das ist die Frage: Geht man auf persönliche Eigenheiten? Der Herrmann strahlt ja eine Seriosität aus, aber seine Entscheidungen kann man durchaus anzweifeln, etwa das Polizeiaufgabengesetz. Trotzdem ist ein Aiwanger dankbarer, der lustig ausschaut und lustige Sachen macht – wie Flutpolder verhindern, wo seine Spezln Landräte sind. Das ist doppelt lustig. Bei den anderen muss man ein bisschen suchen und da bin ich gerade dran.
Das scheint Ihnen leicht zu fallen.
Jetzt ist ja auch meine Generation vertreten. Frau Schulze von den Grünen ist auch Jahrgang ‘85 wie ich. Jetzt kommt die Benjamin-Blümchen- und Bibi-Blocksberg-Generation in die Politik. Das wirft auch auf mich selbst ein Licht. Jetzt sind die Altersgenossen in politischen hohen Ämtern angelangt. Man nimmt das selbst nicht so wahr, dass man älter wird. Ich freu’ mich über Gleichaltrige, da ist man vom Humor auf einer Ebene.
Nockherberg 2019: Keine Watschn, keine Moralpredigt
Für wen derblecken Sie? Für die Politiker oder die Zuschauer?
Ich adressiere den Saal, aber verbünde mich mit dem Zuschauer daheim. Der Idealfall ist, dass eine Pointe den Politiker trifft, er lachen muss und dann denkt: "Hoppala, ich habe ja gelacht." Ich bin jemand, ich kann nicht ohne Sympathie arbeiten. Ich gehe nicht mit erhobenem Zeigefinger auf eine Bühne und verteile Watschn. Das ist nicht mein Selbstverständnis, so wichtig nehme ich mich nicht. Ich beobachte, ich analysiere, fasse zusammen und muss aber eine Verbindung zu den Leuten haben, die da sitzen. Es bringt nichts, jemandem eine Moralpredigt zu halten, der sich nach einer Minute verschließt. Das Kabarett muss es schaffen, ans Herz anzudocken und hinten ein kleines Taschenmesser reinzurammen.
Die SPD haben Sie noch nicht erwähnt. Mögen Sie die?
Mir tun die ja so leid. Sie verwandeln sich in eine homöopathische Essenz. Die Natascha Kohnen hat mit ihrer Anstandskampagne gezeigt, dass man im politisch aufgeheizten Klima mit Anstand nicht mehr weit kommt. Sie war vielleicht auch ein bisschen zu unterspannt. Sie geht beim Reden immer eine Oktave tiefer in so einen sozialpädagogischen Ton, wo man meint, jetzt wirft sie gleich einen Tennisball und alle dürfen ihre Namen sagen.
Existiert die SPD noch?
Wenn ich intuitiv meine Gedanken laufen lasse über die bayerische Politik, muss ich mich anstrengen, dass ich die SPD nicht vergesse. Das tut mir so leid. Ich möchte das hiermit in das Diktiergerät reinsagen: Es tut mir so leid um euch, SPD! Ich werde euch erwähnen. Wie die bayerische Frauen-Quote. Zehn Prozent SPD in der Rede, das langt dann.
Schafroth über Entwicklungsverzögerung auf dem Land
Haben die Grünen die SPD ersetzt?
Das ist eine Trendfrage. Sehr viele Menschen treffen eine politische Entscheidung gefühlig. Die Grünen haben es geschafft, sich im richtigen Trend zu positionieren, – gerade in München, wo man Hybridgeländewagen fährt und Grün wählt gegen das schlechte Gewissen. Wie meine Mutter in den 90ern in den Bio-Markt ist, da wurde sie schief angeschaut. Da haben sich die Leute gedacht, "jetzt kocht sie wieder Grünkernkücherl". Jetzt ist Bio ein Lifestyle einer bestimmten Schicht.
Das Gefälle Stadt-Land ist Thema in Ihrem Programm "Faszination Bayern". Ist es das, was die Gesellschaft spaltet?
Total. Am Land bestätigt man sich eher konservativer Haltungen. Den Begriff Asylanten sagen bei mir am Dorf viele selbstverständlich. Da merkt man, dass eine Entwicklungsverzögerung vorhanden ist. Und dann kommen die ins linksorientierte München, wo sofort jemand sagt, das Wort ist so und so konnotiert. Dabei sind die meisten Münchner selbst irgendwo vom Land nach München gezogen.
Ist Münchner Stadtpolitik ein Thema, in dem Sie drin sind?
Ich schaffe mir gerade in sehr viel Recherchearbeit einiges drauf. Aber man muss nicht unbedingt Figuren aus der Politik nehmen. Wenn man sich den Mietmarkt anschaut und was Herr Söder mit den GBW-Wohnungen fabriziert hat. Das sind die Punkte, wo der Staat soziales Bewusstsein zeigen kann. Dass sich ein Normalverdiener München nicht mehr leisten kann, ist ein Unding. Und ich wundere mich, dass das so zäh vorangeht. Aber ich appelliere auch an die Einzelnen, die in München Vermieter sind. Man muss nicht immer alles bis zum Anschlag ausreizen, das ist eine absolute Unart. Ich habe die letzten zehn Jahre in München Vermieter gehabt, die immer gesagt haben, wir erhöhen die Miete nicht. In meiner jetzigen Wohnung könnte meine Vermieterin locker das Doppelte haben. Die schafft übrigens bei der SPD. Die hat keine Lust, dass nur Rechtsanwälte und Unternehmensberater in München kreuchen und fleuchen. Solche Vermieter gibt’s aber zu wenige. Der Effizienzgedanke, der Leistungsgedanke, da ist München ganz vorne mit dabei. Da könnte man sich einfach mal ein bisschen entspannen.
Schafroth als Transgender Mama Bavaria?
Welche Themen treiben Sie sonst noch um?
Was mich sehr verärgert, war der Umgang der CSU mit den Protesten zum Polizeiaufgabengesetz. Mit was für einer Arroganz die CSU über 30 000 Leute drüberbügelt, das ist eine Entfremdung der Politik. Da könnte man nochmal drüber nachdenken und sagen: Okay, vielleicht wägen wir Sicherheit und Freiheit nicht richtig gegeneinander ab. Generell hat die CSU in der Flüchtlingsfrage Stil verloren mit ihrer verbalen Zündelei. Jetzt ist Süßlichkeit angesagt – das ist eine durchschaubare Rolle. Am Ende wundert man sich, dass die Leute das Vertrauen in die Politik verlieren.
Was für eine Rolle wollen Sie auf dem Nockherberg spielen?
Das Lustigste wäre, wenn ich als Mama Bavaria komme, als Transgender Mama Bavaria. Da will ich sehen, wie der Söder schaut. Der schaut eh immer so witzig beim Nockherberg, als wenn ihm was wehtut.
Gibt’s von Paulaner Vorgaben?
Das Paulaner-Logo wollen’s scho gerne im Bild haben. Na, absolute Freiheit. Das ist ein ganz toller Arbeitszustand. Dass es überhaupt so eine Institution gibt, dass man als Komödiant auf eine Bühne geht und den Leuten, die das Sagen haben, das ins Gesicht sagen kann, ist so ein großes Gut. Es gibt Länder, da wäre ich nach der Rede in Einzelhaft.
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