Matthias Braumandl: Richter, Sechzger, Staatsanwalt

Im AZ-Interview redet ein Ex-Richter über schwierige Fälle, Daniel Bierofka und eine Bairisch-Nachhilfe.
Interview: John Schneider |
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Matthias Braunmandl einmal in Richterrobe und einmal privat als Fan des TSV 1860 München.
jot, privat Matthias Braunmandl einmal in Richterrobe und einmal privat als Fan des TSV 1860 München.

Im AZ-Interview redet ein Ex-Richter über schwierige Fälle, Daniel und Bierofka und eine Bairisch-Nachhilfe.

Der gebürtige Münchner und Löwen-Fan hat schon Bayern-Fans (aber auch Sechzger) in den Knast geschickt, einem Rechtspopulisten Nachhilfe in Bairisch gegeben und zuletzt den ehemaligen Chef der Münchner Musikhochschule wegen sexueller Nötigung verurteilt. Amtsrichter Matthias Braumandl wechselt jetzt die Seiten. Der 39-Jährige wird Gruppenleiter für Jugend und Jugendschutz, aber auch für Kapitalverbrechen wie Mord und Totschlag bei der Staatsanwaltschaft München II.

AZ: Der Wechsel zur Staatsanwaltschaft: Ein Muss für jeden Richter? Oder aber eine Möglichkeit, um Karriere zu machen?
MATTHIAS BRAUMANDL: In Bayern muss man mindestens jeweils einmal Richter und Staatsanwalt gewesen sein. Aber keiner arbeitet wegen der Karriere bei der Justiz, in den großen Kanzleien lässt es sich deutlich besser verdienen. Es geht tatsächlich um Idealismus.

Es ist bei uns generell gewünscht, immer wieder, spätestens nach fünf bis sieben Jahren, die Stelle zu wechseln. Keine Spezialisten, sondern Allrounder. Wir wollen keine Spezialisten sondern Alleskönner. Ich bin jetzt seit acht Jahren Richter, sechs davon beim Strafgericht.
Außerdem gibt es bei der Staatsanwaltschaft drei Gruppenleiterstellen, die mich schon immer reizten. Eine wurde jetzt frei. Und ich mag das Oberland (Zuständigkeitsbereich der Staatsanwaltschaft München II, die Red.).

Ihre Lieblingsrolle: Ankläger oder Richter? Oder am Ende doch Verteidiger?

Nee. (Das kommt schnell und offenbar von Herzen.) Als Verteidiger ist man von so vielem abhängig, Gericht, Mandant. Man muss sich ständig rechtfertigen.

Zuletzt haben Sie vor allem Sexual-Straftaten verhandelt. Ein besonders schwieriges Terrain, da oft nur Aussage gegen Aussage steht.

Ja, das ist schwierig. Dabei sind wir hier in München auf einer Insel der Glückseligen. Es gibt ein hochspezialisiertes und hochprofessionelles Fachkommissariat (das K 15 in der Hansastraße), Videovernehmungen von kindlichen Opfern sind bei uns, anders als in anderen Städten, gang und gäbe. Richterin Karin Jung und ich hatten 2015 insgesamt 130 solche Vernehmungen. Es gibt dadurch ein hohes Maß an Opferschutz durch die beschützte Atmosphäre einer solchen Vernehmung.

In einem Ihrer letzten Prozesse wurde aber kritisiert, dass die Vernehmung des Opfers auf dem Polizeirevier nicht diesen hohen Ansprüchen genügt habe.

Das ist ein Manko, wenn die erste Vernehmung nicht durch das Fachkommissariat erfolgt. Aber auf der Polizeiinspektion kann man Opfer ja auch nicht einfach wegschicken. Die Polizei ist verpflichtet, eine solche Anzeige aufzunehmen.

Sie sind selber Vater. Verfolgen Sie Missbrauchs-Fälle nach Hause?

Nein, das verfolgt mich nicht. Mitgefühl gehört zu meiner täglichen Arbeit, ich lasse das auch emotional im Büro.

Lesen Sie hier: Prozessbeginn gegen Siegfried Mauser

Ihre schwerste Entscheidung als Amtsrichter?

Schwerste Entscheidung kann ich nicht sagen. Schwerste Momente waren die Vernehmungen als Ermittlungsrichter. Da erfasste mich manchmal schon eine Welle von Mitleid, Wut oder sogar Hilflosigkeit. Wenn ein Kind von einem schweren sexuellen Missbrauch erzählt, von erzwungenem Sex über Jahre, und das dann in einer Weise passiert, als ob sie von der Schule sprechen würde. Weil es für das Kind so normal ist. In diesem Bereich will ich weiterarbeiten und die Bösen einfangen. Als Amtsrichter hatte ich bislang ja nur die maximal Mittelbösen auf der Anklagebank.

Eine der kuriosesten Szenen in Ihrem Gerichtssaal war die Bairisch-Nachhilfestunde in Sachen Götz-von-Berlichingen-Zitat für einen Rechtspopulisten. Wie kam es dazu?

Beim Tatbestand der Beleidigung kommt es eben ganz genau auf die exakte Äußerung an und wie diese aufgefasst werden kann. Und da sind eben auch die hiesigen Sitten, Gebräuche und gegebenenfalls die Mundart zu berücksichtigen. Manchmal ist so etwas für Nicht-Münchner zunächst etwas schwierig, aber ich war dann gerne zur Aufklärung bereit.

Als 1860-Fan haben Sie den Schickeria-Gründer in den Knast geschickt: Würde der Anwalt Braumandl den Richter Braumandl wegen Befangenheit ablehnen?

Nein. Gewalt im Fußball geht einfach gar nicht.

Sollte Bierofka über die Saison hinaus Trainer bleiben?

Unbedingt.

Weil?

Weil er Sechziger ist, weil er brennt.

Sie waren zunächst Bayern-Fan. Wann und wie wurden Sie bekehrt?

Ich war 1991 aus Neugier bei der Relegation Sechzig gegen Borussia Neunkirchen im Grünwalder. Diese Emotionen der Fans, diese Intensität - das kannte ich nicht aus dem Olympiastadion und hat mich und alle meine Freunde total umgehauen.
   

 

 

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