Markus Söder und die "rote Linie" bei der Landtagswahl: Wird es eng für den CSU-Chef?

Was wird aus dem Ministerpräsidenten und CSU-Vorsitzenden Markus Söder, wenn das Ergebnis bei der Landtagswahl schlecht ausfällt? Einige in der Partei sehen bei 35 Prozent eine "rote Linie". Und dann?
von  Ralf Müller
Gerade erst wurde er mit einem Rekordergebnis als Partei-Vorsitzender bestätigt. Doch was geschieht, wenn Markus Söders CSU bei der Landtagswahl am 8. Oktober weniger als 35 Prozent der Stimmen erhält?
Gerade erst wurde er mit einem Rekordergebnis als Partei-Vorsitzender bestätigt. Doch was geschieht, wenn Markus Söders CSU bei der Landtagswahl am 8. Oktober weniger als 35 Prozent der Stimmen erhält? © Peter Kneffel / dpa

München - So ändern sich die Zeiten: Als der damalige bayerische Ministerpräsident Günther Beckstein (CSU) bei der Landtagswahl 2008 für seine Partei ein Ergebnis von "nur" 43,3 Prozent einfuhr, trat er zurück. Er hatte sich zum Ziel "50 Prozent plus X" gesetzt. Würde am 8. Oktober bei der Bayern-Wahl Nachfolger Markus Söder ein solches Ergebnis erreichen, würde seine Partei jubelnde Dankeswallfahrten zu ihm organisieren.

Die Zeiten haben sich in den vergangenen 15 Jahren für die Volksparteien brutal verändert. Auch die CSU kann der allgemeinen Erosion nicht entgehen, analysiert der Passauer Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter schon seit vielen Jahren. Hinzu komme ein "grundsätzlicher Vorbehalt" gegen die klassischen institutionalisierten Volksparteien. Das erkläre auch, dass die Opposition im Bund von der Schwäche der Regierung nicht profitieren könne.

Schon 2018 fuhr Markus Söder ein historisch schwaches Ergebnis für die CSU ein

Was nichts daran ändert, dass Söder gewaltig unter Druck steht, wenigstens das Wahlergebnis von 2018 in Höhe von 37,2 Prozent zu halten. Diese Quote wurde damals von der Partei als Ausrutscher nach unten angesehen, der sich nicht wiederholen dürfe. Doch wahrscheinlich ist am 8. Oktober genau dies der Fall, denn die Prognosen der Demoskopen für die CSU verharren bei 36 Prozent. Was auch heißt, dass es noch weiter nach unten gehen könnte.

Würde Söder dann weiterhin so fest im Sattel sitzen wie derzeit? Immerhin hat er auf dem jüngsten CSU-Parteitag bei der Wiederwahl als Vorsitzender ein Rekordergebnis von 96,6 Prozent erzielt. "Der Auftritt auf dem Parteitag war klasse", hebt der mittelfränkische Abgeordnete und Landtagsvizepräsident Karl Freller hervor: "Das wirkt nach."

Ein potenzieller Nachfolger für Markus Söder ist jedoch nicht in Sicht

Andere sind da nicht so sicher und ziehen bei 35 Prozent eine "rote Linie". Bei 35 Prozent minus X werde hörbares "Gegrummel" einsetzen, sagt Oberreuter. Er kennt dieses typische "CSU-Gegrummel", das weitgehend hinter vorgehaltener Hand abgegeben wird, nur zu gut. Es führte nach einer mehr oder weniger langen Leidensphase zur Ablösung der CSU-Ministerpräsidenten Max Streibl, Edmund Stoiber und Horst Seehofer.

Zur aktuellen Situation gebe es aber einen gewichtigen Unterschied, betont Oberreuter: Bei Stoiber arbeiteten Günther Beckstein und Erwin Huber an der Ablösung, bei Seehofer war es der ehrgeizige Söder. Mit anderen Worten: Hätte der amtierende Ministerpräsident und CSU-Chef einen, wie er selbst ist, im Genick, würde es schon bei einem 37-Prozent-minus-X-Ergebnis gefährlich. Doch der machthungrige Nachfolger, der glaubt, alles besser machen zu können, ist weit und breit nicht in Sicht.

Die Europawahl 2024 könnte zum nächsten Denkzettel für Markus Söder werden

Die Partei, meint jedenfalls der CSU-Politiker Freller, wird mit Söder auch im Falle eines mäßigen Ergebnisses nachsichtig umgehen, denn noch kein CSU-Regierungschef habe mit drei Mega-Krisen wie Corona, Klima und Krieg umgehen müssen. Und die negativen Folgen der Aiwanger-Flugblatt-Affäre könne man Söder nun wirklich nicht in die Schuhe schieben.

Andere glauben nicht an so viel Solidarität. Bei einem miesen Ergebnis werde es zwar keinen Putsch in der Partei gegen Söder geben, aber es würde ein "Erosionsprozess" einsetzen.

Dieser könnte sich beschleunigen, wenn die CSU bei der Europawahl im kommenden Jahr eine weitere Schlappe erleidet. Diese ist nicht auszuschließen, ja sogar wahrscheinlich, denn dieses Mal kann die Partei nicht mit Manfred Weber, dem Vorsitzenden der EVP im Europaparlament, als eigenem Spitzenkandidaten aufwarten.

So manche Wähler sind enttäuscht, dass Weber nicht – wie von der CSU versprochen – EU-Kommissionspräsident wurde. Zudem wird die Europawahl, bei der es in den Augen vieler Wähler "um nichts geht", gerne zum Verteilen von Denkzetteln benutzt.

Mit seinem Bekenntnis zur Freie-Wähler-Koalition verschaffte Söder Aiwanger viel Freiheit

Söder könnte also als CSU-und Regierungschef bewertet werden, bei dem die Wahlergebnisse seit Amtsantritt immer nur die Richtung nach unten kannten. Und man sollte trotz der überwältigenden Zustimmung auf dem CSU-Parteitag nicht annehmen, dass der Nürnberger in seiner Partei ausschließlich Freunde hat, die auf solche Analysen nicht kommen.

Mit etwas schlechtem Willen kann Söder auch ein entscheidender Fehler in der Wahlkampfstrategie vorgehalten werden – und das passiert auch bereits. Schon frühzeitig hatte er sich zur Fortführung der Koalition mit den Freien Wählern bekannt. Das schaffte Klarheit, aber auch ordentlich Bewegungsfreiheit für den Freie-Wähler-Vorsitzenden und Vizeministerpräsidenten Hubert Aiwanger, die er weidlich auszunutzen wusste.

Für Söders Nachfolge kämen Ilse Aigner oder Joachim Herrmann in Frage

Das war vielleicht nicht so klug, heißt es aus der Partei. Nun sieht es so aus, als ob die Landtagswahl eine Gewichtsverschiebung innerhalb der Koalition und damit des Kabinetts zu Gunsten der Freien Wähler mit sich bringen würde. Aber wer könnte im Falle eines Falles die Nachfolge Söders antreten, dem auch seine Gegner überdurchschnittliche rhetorische Fähigkeiten und beispiellosen Einsatz im Wahlkampf bescheinigen?

Am meisten genannt wird für das Amt an der Regierungsspitze die Landtagspräsidentin und Vorsitzende des größten CSU-Bezirks Oberbayern Ilse Aigner. Sie hatte in dem inoffiziell von Ex-Ministerpräsident Seehofer ausgelobten Wettbewerb mit Söder klar den Kürzeren gezogen. Wie schon öfter wird auch Innenminister Joachim Herrmann ins Gespräch gebracht, doch der 67-Jährige wäre allenfalls eine Zwischenlösung.

Will Markus Söder eigentlich noch Bundeskanzler werden?

Nicht die große Auswahl gäbe es auch bei der Neubesetzung des Parteivorstands, für den – nicht zum ersten Mal – der Name des Europapolitikers und Parteivizes Manfred Weber fällt. Immerhin erzielte Weber von den fünf stellvertretenden Vorsitzenden das beste Wahlergebnis auf dem jüngsten Parteitag. Doch gibt es in der CSU offenbar immer noch Vorbehalte gegen die "Europapolitiker". Aber die hat es früher auch gegen Protestanten und Nicht-Oberbayern gegeben.

Das Personaltableau ist also dünn und die Zahl der Konkurrenten überschaubar. Söder werde daher auch bei einem schlechten Wahlergebnis um 35 Prozent um seine Macht mit einiger Aussicht auf Erfolg kämpfen, aber den Sprung ins Berliner Kanzleramt könne er in diesem Fall wohl vergessen, ist in der CSU zu hören. Aber dorthin will Söder ja nach eigenen Worten sowieso nicht und er selbst hat eine Amtshöchstdauer von zehn Jahren vorgeschlagen. Also alles kein Problem?

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