Markus Söder: Dieter Reiter ist ein guter Oberbürgermeister, aber...

In der AZ spricht Ministerpräsident Markus Söder über die Bürgerproteste in Daglfing, seinen Blick auf die Stadt – und fordert Hyperloops für den ÖPNV.
von  Felix Müller, Thomas Müller
Söder beim AZ-Interview mit Vize-Chefredakteur Thomas Müller (rechts) und Lokalchef Felix Müller.
Söder beim AZ-Interview mit Vize-Chefredakteur Thomas Müller (rechts) und Lokalchef Felix Müller. © Sigi Müller

Verlorener Monaco-Franze-Charme, Wohnraum-Problematik und nicht ausreichender öffentlichen Personennahverkehr. Die Probleme in München sind nicht zu übersehen, auch von Markus Söder nicht. Und Bayerns Ministerpräsident hat so ein paar Ideen für die bayerische Landeshauptstadt.

München - In der AZ spricht Ministerpräsident Markus Söder über die Bürgerproteste in Daglfing, seinen Blick auf die Stadt – und fordert Hyperloops für den ÖPNV.

AZ: Herr Söder, fühlt sich Bayern aus München zu regieren an, als regiere man ein Land von einer feindlichen Insel aus?
MARKUS SÖDER: Warum?

Bei der Landtagswahl erreichten CSU und Freie Wähler in der Stadt zusammen 30 Prozent, ein katastrophaler Wert.
Daraus ergibt sich für uns eine besondere Verantwortung. Wir können uns in München deutlich steigern. Der Unionsstreit hat gerade im letzten Jahr in München eine besondere Sensibilität erzeugt. Denn hier leben sehr viele Menschen, die aus Nordrhein-Westfalen, Hamburg oder Berlin zugezogen sind. Die sind mit der Geschichte und dem Mythos der CSU nicht so verbunden. Ich wünsche mir, dass sie sich hier zu Hause fühlen und stolz darauf sind, in Bayern zu wohnen. Wir werden zeigen, dass wir keinen Unterschied machen zwischen Einheimischen und denen, die gerne zu uns gekommen sind. Wir machen ein politisches Angebot für alle.

München hat den Monaco-Franze-Charme verloren

Die Neuzugezogenen sind das eine. Einst haben Sie in der AZ beklagt, der Monaco-Franze-Charme gehe in München verloren. Was können Sie fürs alte München tun?
Die Tatsache, dass wir dringend Wohnraum und eine bessere Verkehrssituation brauchen, macht die Lage nicht einfacher. Vielleicht ist jetzt, im Jahr vor der Kommunalwahl, ein guter Zeitpunkt, einen Ideenwettbewerb auszurufen: Was ist das eigentlich, was München für uns ausmacht? Wie können wir ein neues "Wir-Gefühl" in der Stadt etablieren?

Am Stadtrand, in Daglfing, spitzt sich gerade die Debatte zu zwischen Menschen, die um den Charme ihrer dörflichen Randgebiete fürchten, und denen, die auf den letzten freien Flächen möglichst viel bezahlbaren Wohnraum haben wollen. Verfolgen Sie die Debatte?
Ja.

Haben Sie eine Position dazu?
Wir müssen dafür sorgen, dass der Charakter der Vorstädte erhalten bleibt. Es wäre schade, wenn München diesen Charme verliert und man dort nur noch Bettenburgen baut. Wo es dörfliche Strukturen in der Großstadt gibt, gibt es auch einen anderen Zusammenhalt.

Söder beim AZ-Interview mit Vize-Chefredakteur Thomas Müller (rechts) und Lokalchef Felix Müller.
Söder beim AZ-Interview mit Vize-Chefredakteur Thomas Müller (rechts) und Lokalchef Felix Müller. © Sigi Müller

Warum nicht in München mal in die Höhe bauen

Nicht mehr bauen ist keine Lösung für den Wohnungsmangel.
Ich glaube, dass wir uns intelligentere Formen des Wohnens überlegen müssen. Die Beschränkung der Höhe ist nicht mehr zeitgemäß. Was spricht dagegen, zum Beispiel in der Parkstadt Schwabing höher zu bauen oder an Ausfallstraßen die Flächen von Aldi oder Lidl besser zu nutzen. Ich glaube, man kann viel mehr machen – ohne den Charakter der Vorstädte zu zerstören. Und: Wir brauchen eine Vernetzung mit dem Umland auch beim Thema Wohnen.

Wir haben kürzlich mit vielen Umland-Bürgermeistern gesprochen. Die wollen alle gar nicht mehr Neubau – wie es sich die Stadt erhofft – sondern weniger.
Es wäre sinnvoll, wenn wir neue Formen der Zusammenarbeit zwischen München und dem Umland finden. International setzen wir auf Multilateralismus – und im Kommunalen fällt es uns so schwer. Ich habe im letzten Jahr viel Zeit damit verbracht, zwischen der Stadt und den Landkreisen beim MVV zu vermitteln. Das ist aber eigentlich nicht die Aufgabe des Ministerpräsidenten. Vielleicht braucht es mehr Bereitschaft im Münchner Rathaus, auch mal auf andere zuzugehen.

Söder: "Eine junge Frau als OB würde München gut zu Gesicht stehen"

Wie läuft es zwischen Ihnen und Dieter Reiter? Enger Austausch?
Leider viel zu wenig. Das ist schade. Wir müssen an einer neuen Verlässlichkeit zwischen Landeshauptstadt und Staatsregierung arbeiten. Sagen wir es so: Da ist noch Luft nach oben.

Werden Sie Reiters CSU-Konkurrentin Kristina Frank im Wahlkampf unterstützen?
Als Ministerpräsident respektiere ich selbstverständlich den Oberbürgermeister als zentralen Gesprächspartner. Als CSU-Chef werde ich natürlich Kristina Frank unterstützen. Ich halte sehr viel von ihr. Sie hat Power und Pfiff. Dieter Reiter ist ein guter Oberbürgermeister, aber München würde eine junge Frau als Oberbürgermeisterin sehr gut zu Gesicht stehen.

Hat Sie eine Chance?
Es geht bei einer Kommunalwahl auch darum, wer das Lebensgefühl und die Zukunft repräsentiert. Der Oberbürgermeister hat sich im Landtagswahlkampf übrigens aktiv für seine SPD engagiert. Das Ergebnis ist bekannt. Aber bis zur Kommunalwahl ist noch lange, lange Zeit.

Bund, Bayern, München - beim Thema Wohnen ziehen alle an einem Strang

Nochmal zurück zum Wohnen. Sie bebauen die McGraw-Kaserne. Aber können Sie wirklich mit Überzeugung sagen: Wir als Staatsregierung tun schon alles Menschenmögliche, um in München bezahlbaren Wohnraum zu schaffen?
Ich glaube schon. Und ich hoffe, dass wir die Wohnungsthematik mittelfristig in den Griff bekommen können. Denn im Grunde ziehen alle an einem Strang. Bund, Bayern, München – alle wollen die Verfahren beschleunigen und ein kluges Flächenmanagement machen.

Warum hat sich die Situation so katastrophal entwickelt?
In München wurde unter Ude das Wohnungsthema stark unterschätzt. Genehmigungsverfahren für einzelne Projekte haben fünf bis zehn Jahre gedauert. Jetzt unter der schwarz-roten Zusammenarbeit ist es viel besser geworden. Aber die Aufgabe braucht Zeit, vor allem weil wir weiter Wachstum haben. Was hoffentlich auch so bleibt. Wenn ich die internationale Wirtschaftslage sehe, hoffe ich, dass wir weiter nur die Sorgen des großen Wachstums haben.

Für die alteingesessenen Münchner ist weniger der fehlende Neubau das Problem. Sie sorgen sich vor Verdrängung. Was planen Sie für besseren Mieterschutz?
Es drohten viele Sozialwohnungen dieses Jahr aus der Bindung zu fallen. Wir haben mit viel Geld dafür gesorgt, dass die Sozialbindung um 15 Jahre verlängert wird. Ich hoffe außerdem, dass es uns endlich gelingt, die Mietpreisbremse effektiver zu machen. Und wir müssen ein solides Grundsteuermodell erreichen. Denn eine Mietpreisbremse bringt nichts, wenn mit einer neuen Grundsteuer alles auf die Mieter umgelegt wird und so die Mieten steigen. Das müssen wir verhindern.

Weniger Angriffslust, mehr Landesvater: So gibt sich Markus Söder im Februar 2019.
Weniger Angriffslust, mehr Landesvater: So gibt sich Markus Söder im Februar 2019. © Sigi Müller

Söder: "Eine Hyperloop-Strecke für München? Auf jeden Fall!"

Zum Verkehr: Sie sind kürzlich drei Stationen S-Bahn gefahren. Der neue MVV-Chef sagt, die S-Bahn sei "grottig". Teilen Sie den Eindruck?
Nein, das fand ich nicht. Fakt ist aber: Wir decken den Bedarf nicht. Wir nehmen nun viel Geld in die Hand für mehr Linien, mehr Takt auf den Linien und dann auch günstigere Tickets. Eine andere Reihenfolge macht wenig Sinn.

Aber heuer wird es doch schon für viele günstiger. Das ist ja Teil Ihrer Reform.
Das war unser Einsatz: Allein mit 35 Millionen Euro des Freistaats konnte die Situation für die Münchner verbessert werden. Das 365-Euro-Ticket nehmen wir mittelfristig als nächstes in Angriff, aber wir müssen mit den Kommunen die langfristige Finanzierung gemeinsam besprechen. Daneben geht es darum, Ringlinien zu etablieren, damit weniger Menschen in die Stadt reinfahren müssen. Wir überlegen, den Südring für die S-Bahn zu öffnen, beim Nordring sieht es schon gut aus.

Der Oberbürgermeister hat kürzlich gedroht, wenn nicht mehr Förderung komme, werde der U-Bahn-Ausbau eingestellt. Können Sie da helfen?
Da frage ich erstmal: Ist öffentliches Drohen ein kluger Stil? Ich rate zu einer Kultur des Miteinanders.

Söder: "Die Magnetschwebebahn finde ich eine gute Idee"

Was halten Sie vom Transrapid nach Dachau?
Das ist kein klassischer Transrapid, aber die Magnetschwebebahn finde ich eine gute Idee. Wie die Seilbahnen – die aber nicht über Wohngebiete fahren sollen. Ich würde auch nicht wollen, dass man mir da in den Garten schaut. Wir sollten flexibel unterschiedliche Verkehrsmittel an den passenden Stellen einsetzen. Ich finde auch ein Lufttaxi zwischen dem Rathaus und der Staatskanzlei charmant (lacht). Und auch eine Hyperloop-Strecke (Hochgeschwindigkeitssystem in einer Röhre, die Red.) würde München interessanter machen.

Wollen Sie das untersuchen lassen?
Auf jeden Fall!

Wo könnte eine Strecke verlaufen?
Auch das muss passen. Quer durch Wohngebiete sicher nicht. Eher zwischen zwei Universitätsstandorten.

Im Koalitionsvertrag steht "Bayern bleibt Autoland". Das werden abgas- und staugeplagte Münchner nicht gerne hören.
Ohne Autos wird es nicht gehen. Die Leute brauchen Autos, um zum Beispiel zur S-Bahn zu kommen. Der Charme ergibt sich aus der Vernetzung der Mobilität. Ich bin auch dafür zu prüfen, wie autonomes Fahren in den Städten möglich ist.

Söder: "Tram durch den Englischen Garten? Mal sehen was dabei rauskommt"

Die Tram durch den Englischen Garten haben Sie immer abgelehnt. Jetzt kommt sie doch, oder?
Die Stadt hat mit Planungen begonnen - schauen wir mal, was rauskommt. Eine Mehrheit im Stadtrat scheint nicht sicher. Und ich höre viele Sorgen aus Schwabing. Mir ist wichtig, dass die Anwohner ernst genommen werden.

Wie sehen Sie heute, mit ein paar Monaten Abstand, die Münchner Großdemonstrationen 2018: Wirklich alles Radikale und Verirrte, wie es viele in Ihrer Partei gedeutet haben?
Nein. Die Demonstrationen sehe ich heute mit größerer Gelassenheit. Es gab ja auch manchen Fehler und für viele war auch ein Happening-Charakter dabei. Und jetzt das Volksbegehren: Das war kein Volksbegehren gegen die CSU, sondern eines für mehr Artenschutz. Wir werden die richtigen Schlüsse daraus ziehen. Ich plane übrigens auch eine klimaneutrale Staatskanzlei.

Wie bitte?
Ja, da wird jetzt ein Konzept gemacht und zertifiziert. Wir wollen für die Städte mehr Dachbegrünungen oder Efeu – das dient nicht nur dem Artenschutz, sondern ist auch wichtig für die Kühlung der Stadt.

Söder: "In München wird bald mehr Polizei sichtbar sein als bisher"

Honig wird es aber keinen geben aus der Staatskanzlei?
Mal schauen.

2018 haben Sie nicht nur die Kavallerie, sondern auch mehr sichtbare Polizeipräsenz etwa in U-Bahnhöfen angekündigt. Davon sehen wir im Alltag noch nichts.
Die Polizisten müssen für ihre sensible Tätigkeit ausgebildet werden, deshalb braucht es Zeit. Aber München bekommt eine deutliche Aufstockung. Im Frühjahr werden 117 neue Polizisten zugeteilt und das wird dann auch sichtbar sein.

Noch kurz zum Nockherberg, der übernächste Woche ansteht. Haben Sie gute Vorlagen fürs Derblecken geliefert die letzten Monate?

Wenige. (schmunzelt)

Was erwarten Sie von Maxi Schafroth?
Ich möchte beim ersten Mal nicht mit ihm tauschen. Ich weiß selbst, wie schwer Premieren-Auftritte sind. Er wird es sicher gut machen.

Ministerpräsident Markus Söder.
Ministerpräsident Markus Söder. © Sigi Müller

Söder: "Stephan Zinner ist ein großartiger Schauspieler"

Ist es ein Problem, dass er Allgäuer ist?
Sie werden von einem Franken nicht erwarten, dass er jeden anderen Zungenschlag als den münchnerischen schlecht findet. Auch Sie bei der Abendzeitung sollten mal ein bisschen multilateraler sein und Freude an Vielfalt haben. (lacht)

Was wird Stephan Zinner mit seiner Söder-Rolle machen?
Er ist ein großartiger Schauspieler, aber ich bin gespannt, ob er mich immer noch als Generalsekretär oder schon als Ministerpräsidenten interpretieren will.

Vielleicht spielt er Sie ja gar nicht so geläutert, milde, landesväterlich, wie Sie sich heute präsentieren.
Wir werden sehen. Ich freue mich auf jeden Fall auf den Nockherberg.

Zum Abschluss: Ihr Wunsch für München?
Wenn Berlin wie New York ist, dann ist München eher wie Kalifornien. Die großartige Work-Life-Balance, die Surfer im Englischen Garten, und die Tatsache, dass in keiner Stadt in Deutschland schneller die Sonnenbrille gezückt wird. Ich mag das. Und ich will, dass man stolz ist, hier zu leben. Wir brauchen ein lebensbejahendes München.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.