Interview

Marc Jörg im AZ-Interview: "München war als Gastgeber herausragend"

Marc Jörg, Co-Erfinder der European Championships, spricht im AZ-Interview über den großen Erfolg seiner Multi-EM, eine mögliche Olympia-Bewerbung – und wie viele Städte nun dieses Event ausrichten wollen.
Florian Kinast |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
50 Jahre nach den Spielen von 1972 unterstrich München mal wieder seinen Ruf als große deutsche Sport-Stadt.
50 Jahre nach den Spielen von 1972 unterstrich München mal wieder seinen Ruf als große deutsche Sport-Stadt. © Thomas Niedermueller

München - AZ-Interview mit Marc Jörg: Der 56-jährige Schweizer arbeitete von 1993 bis 2000 für die Uefa, ab 1996 als Marketingdirektor. Nach zehn Jahren als Sportchef der European Broadcasting Union (EBU) machte sich Jörg selbstständig. Heute ist er mit Paul Bristow Co-Direktor der von den beiden gegründeten European Championships.

Co-Direktor der European Championships: Marc Jörg
Co-Direktor der European Championships: Marc Jörg

AZ: Herr Jörg, vor zwölf Jahren entwickelten Sie mit dem britischen Sportvermarkter Paul Bristow die Idee der European Championships, um mit zeitgleich an einem Ort stattfindenden Europameisterschaften kleineren Sportarten mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen. Nach der Premiere 2018, wie hat Ihnen die Zweitauflage hier in München gefallen?
MARC JÖRG: Es war überragend, sehr beeindruckend. Wir hatten uns gewünscht, dass das Konzept in seiner zweiten Edition noch besser wird, und das wurde es auch. Unsere Erwartungen wurden sogar übertroffen. Nicht nur weil die Athleten erstklassigen Sport gezeigt haben, sondern auch weil die Menschen in den Stadien, den Hallen, an den Straßen und auf den Plätzen für eine phänomenale Stimmung sorgten und auch den letzten Läufer noch bejubelten. München und seine Menschen haben sich erstklassig in Szene gesetzt.

"Magische Momente" in München

Hatten Sie als Cheforganisator überhaupt Gelegenheit, sich Wettkämpfe anzusehen?
Leider nicht so viele wie ich wollte, aber es waren noch immer genug, um diese großartige Stimmung und diese emotionale Atmosphäre aufzusaugen. Sie müssen wissen, ich bin jetzt seit 25 Jahren im Sportgeschäft tätig und habe viel gesehen, aber ich kann mich nicht erinnern, solch magische Momente wie hier in den letzten zehn Tagen in München erlebt zu haben.

Zum Beispiel?
Ich denke nur ans BMX-Biken am Olympiaberg, wo da oben 15.000 Menschen standen und die Sportler feierten. - 15.000! Beim BMX! Oder an den Einlauf des Marathons, als ich am Odeonsplatz stand und diesen unglaublichen Endspurt von Richard Ringer verfolgte. Alle Menschen schienen sich in diesen Tagen zu freuen und Spaß zu haben. Wohin ich schaute, ich habe nur fröhliche Gesichter gesehen. Das ist etwas, was ich als eine der schönsten Belohnungen mit nach Hause nehme und nie vergessen werde. Es war einfach ein großes Fest.

Lesen Sie auch

"München hat ein Zeichen für die Nachhaltigkeit gesetzt"

Ein älterer Volunteer sagte der AZ bei einer Begegnung, die Stimmung sei so heiter gewesen wie bei den Spielen 1972 vor dem 5. September.
Das freut mich zu hören. München hat neben der großartigen Stimmung auch ein Zeichen für die Nachhaltigkeit gesetzt. Dass alle Wettkämpfe in bereits vorhandenen Sportstätten, die teilweise seit Olympia vor 50 Jahren existieren, stattfanden, dass nichts Neues gebaut werden musste, dass der Olympiapark mit seiner auch architektonisch famosen Anlage seit 1972 so toll genutzt wird wie in keiner anderen Olympia-Stadt, besser geht es doch nicht. Auch diese kleine Geste, dass bei den Siegerehrungen keine Blumensträuße verteilt wurden, sondern kleine Pflanzen, die hier im Park in einem Champions Garden eingesetzt werden und dann wachsen, wundervoll.

Manche Politiker sprechen jetzt nach all der Euphorie von einer neuerlichen Olympia-Bewerbung, allerdings wäre so eine lockere Party wie in den letzten zehn Tagen bei Olympischen Spielen gar nicht mehr möglich: Strenge Zugangskontrollen, Sichtschutzzäune, Barrieren, dazu Knebelverträge durch das IOC, es wäre alles viel reglementierter. Sehen Sie Ihre Multi-EM als bewussten Gegenentwurf zum absurden Gigantismus des IOC bei Olympischen Spielen?
Wir möchten niemanden belehren, wie man eine Sportgroßveranstaltung organisiert. Aber mit dem Erfolg hier in München haben wir doch bewiesen, wie gut unser Konzept funktioniert, auch wie kostengünstig man so etwas veranstalten kann...

Lesen Sie auch

Im Vergleich zu Olympia kostengünstig

Die European Championships kosteten gerade mal 130 Millionen Euro, Olympische Spiele gehen nicht mehr unter einem zweistelligen Milliardenbetrag über die Bühne.
Unsere Vision war ja vor allem, dass man den Sport wieder greifbarer macht für die Menschen. Ich habe gehört, dass viele Münchner erstaunt waren, als sie Athleten in der Stadt getroffen haben oder im Bus oder in der Straßenbahn. Aber genau so soll es sein. Der Sport und die Sportler gehören in die Mitte der Gesellschaft. Und nicht auf einen abgehobenen Marmorsockel.

Unruhe gab es zu Beginn der Europameisterschaften, als der Präsident des Deutschen Leichtathletikverbandes erklärte, er wolle künftig die Familie der European Championships wieder verlassen, die Leichtathletik-EM solle wieder ein "Stand-Alone-Event" werden - wofür er heftig Widerspruch von seinen Athleten erntete, die das Konzept sehr begrüßten. Denken Sie, die Leichtathletik ist bei der dritten Ausgabe in vier Jahren noch dabei?
Der Prozess steht noch am Anfang. Wir sind ein noch so junges Unterfangen, wir hatten auch diesmal andere Sportarten als noch vor vier Jahren in Glasgow. Wir werden demnächst anfangen, uns Gedanken zum Programm für 2026 zu machen. Klar ist aber auch, dass die Sportarten, die wir jetzt hatten, Priorität haben, und dass wir sehr gerne mit ihnen weitermachen würden.

Lesen Sie auch

Nach unseren Informationen hatten Sie den ganzen Freitag über viele Termine mit Städten, die berauscht vom Erfolg Münchens nun bei Ihnen Schlange stehen, weil sie 2026 auch so ein schönes Sportfest ausrichten wollen.
Wir haben einige Interessenten, und wir haben vor, es mit ihnen genauso zu machen wie jetzt hier in München. Dass wir mit ihnen sprechen, und dass wir ein schlüssiges Konzept nicht über sie hinweg, sondern eben gemeinsam mit der Stadt entwickeln.

Können Sie sagen, wie viele Interessenten es gibt?
Ein paar sind es schon. Ich würde sagen, eine Hand voll.

Darf sich München Hoffnung machen, die European Championships eines Tages wieder beheimaten zu dürfen?
Das wäre toll. München hat großen Mut bewiesen, uns eine Chance zu geben und uns aufzunehmen. München war als Gastgeber herausragend.

Sie würden also wiederkommen?
Wenn wir dürfen, sehr gern. Wir sind München sehr dankbar.

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.