Interview

Manuel Pretzl: "Die Koalition des Zauderns spart - außer bei Radwegen"

Seit der Wahl vor einem Jahr regiert die CSU nicht mehr mit - Zeit für eine kritische Bilanz.
von  Christina Hertel
Manuel Pretzl hat mit der AZ über ein Jahr grün-rote Koalition gesprochen.
Manuel Pretzl hat mit der AZ über ein Jahr grün-rote Koalition gesprochen. © Bernd Wackerbauer

München - Vor einem Jahr wandelte sich auch die Rolle der CSU: vom Gestalter in der Regierung zum Beobachter in der Opposition. Was aus Sicht des CSU-Chefs Manuel Pretzl seitdem schief läuft, erklärt er im Interview.

AZ: Selbst der Oberbürgermeister Dieter Reiter gibt zu, dass es am Anfang gerumpelt hat zwischen den Grünen und der SPD. Was ist Ihre Einschätzung, Herr Pretzl, wie lange dauert es, bis die Koalition auseinanderbricht?
MANUEL PRETZL: Meine Befürchtung ist, dass die Koalition tatsächlich bis zum Ende hält. Denn alle werden an den Fleischtöpfen der Macht festhalten und sich deshalb leider bis zum Ende durchwursteln.

Manuel Pretzl über Grün-Rot: "Die Koalition drückt sich vor großen Entscheidungen"

Warum leider?
Es ist eine Koalition des Zauderns. Grün-Rot hat nichts zustande gebracht, außer die Pop-up-Bike-Lanes, die vorher gelb markiert waren, mit weißer Farbe umzumalen. Die Schanigärten und die Sommerstraßen, mit denen sich die Koalition so schmückt, gehen auf unsere Beschlüsse aus der vergangenen Legislatur zurück. Vor allen anderen großen Entscheidungen drückt sich die Koalition herum.

Zum Beispiel?
Dass Grün-Rot beschlossen hat, den Bau der U5 Richtung Pasing auf Halde zu stellen, ist eine verkehrspolitische Sünde. Auch bei der Digitalisierung passiert nichts. Selbst beim Klimaschutz gehen die Impulse auf die Vergangenheit zurück.

"Die Grünen werden alles Geld in Radwege stecken"

München solle eine Stadt mit einem kühlen Klima und warmen Herzen werden, sagt Anne Hübner, die Chefin der SPD- Fraktion. Wie weit ist München von diesem Ziel aus Ihrer Sicht entfernt?
Sehr weit. Zwar hat die Koalition vor einem Jahr symbolträchtig den Klimanotstand ausgerufen. Doch tatsächlich beschlossen wurde seitdem nichts. Selbst das Klimaschutzreferat geht auf einen Antrag der CSU zurück. Aber auch in der Sozialpolitik fehlen Impulse. Die SPD ist allen Ernstes stolz, dass keine Mittel für Sozialausgaben gestrichen wurden. Das wird aber nicht reichen, um die Auswirkungen der Corona-Pandemie aufzufangen. Wir haben mehr Stellen zur Bekämpfung von Depression und ein Konzept gegen Einsamkeit gefordert. Doch das wurde abgelehnt.

Am Ende wird sich München jedoch nicht alles leisten können. Wer wird sich also durchsetzen? Die Grünen mit ihren Radverkehrsplänen? Oder die SPD mit ihrem Wohnbauprogramm?
Leider die Grünen. Sie werden alles Geld, was wir noch übrig haben, in Radwege stecken. Das sieht man schon heute: Die Stadt nutzt ihre Vorkaufsrechte nicht mehr immer, sie spart sogar beim Schulbau. Die Verwaltung schätzt, dass die Umsetzung des Radentscheids eine Milliarde Euro kostet. Von diesem Geld könnte man auch das ÖPNV-Netz sehr gut ausbauen, die Digitalisierung vorantreiben oder Schulen sanieren. Doch die SPD rennt den Grünen ohne Verstand hinterher.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.