Mann aus Wut überfahren: Fünf Jahre für Taxi-Attacke
München - Keinen Ton sagt Martin S. an seinem letzten Verhandlungstag – auch nicht, als Richter Norbert Riedmann das Urteil verkündet. Er schaut während dessen Ausführungen aus dem Fenster oder starrt ins Leere und nimmt das Urteil stoisch auf: fünf Jahre Freiheitsstrafe und fünf Jahre Fahrverbot.
Gefährliche Körperverletzung statt versuchter Mord
Martin S. (59), der am 28. August 2016 einen Fußgänger erst angefahren und dann noch überfahren hat, bereut. Das sieht man ihm nicht nur gestern an, das hat er während des Prozesses auch deutlich gemacht, sagt Riedmann – auch darum die vergleichsweise geringe Strafe für versuchten Totschlag, gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr und gefährliche Körperverletzung.
An jenem Abend im August hatte es der Geschädigte Abdernaser A. auf der Altschwabinger Franzstraße gewagt, gegen eine Scheibe von Martin S.’ Taxi zu schlagen. Der Fußgänger wollte damit erreichen, dass der Taxler in der engen Straße langsamer fährt. Der gelernte Speditionskaufmann hielt an, setzte seine Mercedes E-Klasse zurück und hielt dann mit quietschenden Reifen und aufheulendem Motor voll auf das Opfer zu. Der 26-Jährige hatte dabei keine Chance: Er wurde vom Auto erfasst und auf die Motorhaube geschleudert. Dann fiel er auf die Straße. Martin S. fuhr noch einmal über ihn.
"Es ist total ungewöhnlich, dass der Geschädigte zufällig eine Statur hat, mit der er genau unter das Auto passte", sagt Richter Riedmann, "außerdem, dass er nicht unter einen Reifen geraten ist." Im Krankenhaus habe er trotzdem drei Tage gelegen und leide noch heute unter psychischen Folgen der Tat. Spätestens nachdem Martin S. den jungen Mann von der Motorhaube habe fallen sehen und weitergefahren sei, habe er "billigend in Kauf genommen, dass er zu Tode kommen könnte".
Doppelmilderung der Strafe
Für versuchten Totschlag ist ein Strafrahmen von bis zu 15 Jahren möglich – das Gericht entschied sich aber zu einer sogenannten Doppelmilderung der Strafe. Der Strafrahmen kann dabei zwei Mal gesenkt werden, wenn die Umstände dafür sprechen.
Im Fall von Martin S. tun sie das, erläutert Riedmann: "Der Beklagte hat sich nach dem Wegfahren vom Unfallort dann doch noch selbst gestellt. Es bestand nur abstrakte Lebensgefahr. Der Beklagte bereut die Tat zutiefst, das glauben wir ihm. Er hat sich entschuldigt, hat dem Geschädigten schon einen großen Betrag gezahlt und einen noch höheren in Aussicht gestellt. Er hat von selbst auf seine Fahrerlaubnis verzichtet. Er ist nicht vorbestraft."
Die Staatsanwaltschaft, die auf versuchten Mord plädiert hatte, prüft eine Revision.
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