"Manchmal habe ich Angst": Seniorin sorgt sich wegen Radl-Rambos in München

Gabriele Stieglbauer aus München traut sich kaum noch zum Gassi gehen. Seit die Wege im Park geteert wurden, haben Senioren wie sie Angst vor forschen Radlern und umgefallenen E-Scootern.
von  Hüseyin Ince
Gabriele Stieglbauer am Eingang zum Park östlich der Regina-Ullmann-Straße. Radler nutzen hier meistens den Gehweg. Eine klare Beschilderung fehlt. Als Fußgängerin fühlt sich die Seniorin mit ihrem Hund auf den engen Wegen daher sehr unwohl.
Gabriele Stieglbauer am Eingang zum Park östlich der Regina-Ullmann-Straße. Radler nutzen hier meistens den Gehweg. Eine klare Beschilderung fehlt. Als Fußgängerin fühlt sich die Seniorin mit ihrem Hund auf den engen Wegen daher sehr unwohl. © Daniel von Loeper

München – Es ist idyllisch hier in Oberföhring bei Gabriele Stieglbauer (72). Seit 40 Jahren wohnt sie an der Regina-Ullmann-Straße. Etwa genauso lange hat sie in einer Münchner Bank gearbeitet und sich vor einigen Jahren in den verdienten Ruhestand verabschiedet.

Mit ihrer Hündin Irmi geht sie seither viel Gassi, gleich nebenan im Park, im Umgriff der Regina-Ullmann- und nördlich der Johanneskirchner Straße. Doch seit sie Rentnerin ist, hat sich etwas verändert. Gemütlich Gassi zu gehen oder einfach nur zu spazieren, das wird für sie immer schwieriger. Sie ist da inzwischen oft nervös. Denn: "Vor rund zehn Jahren haben sie hier die Wege geteert", erinnert sich Stieglbauer, "seitdem fahren auch sehr viele Radler auf diesen Wegen, wo die Leute früher hauptsächlich zu Fuß unterwegs waren."

Angst im Park: Oft ist es wirklich haarscharf

Kreuz und quer konnte man früher über die Grünfläche schlendern, erinnert sich Stieglbauer. Das habe niemanden gestört. Die Rentnerin hat eigentlich nichts dagegen, dass hier Radler unterwegs sind. Doch: "Die sind oft so flott, dass ich sie nicht bemerke. Manchmal habe ich Angst um meinen Hund", sagt sie.

Die AZ wollte sich ein Bild machen. Wir haben uns mit Gabriele Stieglbauer getroffen, unter der Woche, am späten Vormittag. "Am extremsten ist es, wenn die Leute morgens zur Arbeit fahren oder nachmittags ab 16 Uhr wieder zurück", erzählt sie. Tatsächlich sind die langgezogenen, doch recht schmalen Wege verlockend, um mit dem Rad eine hohe Geschwindigkeit aufzunehmen. Oft gehe alles gerade noch gut, erzählt Stieglbauer, wenn wieder ein Radler haarscharf über die Wiese ausweichen muss.

"Blöde Tussi war das Harmloseste": Seniorin wird von Radl-Rambos in München beschimpft

Gleichzeitig wird vor Ort klar, was hier eigentlich alles unterwegs ist, auf den recht schmalen, glatt geteerten Wegen: erwachsene Fußgänger, spielende Kinder, Radler, Lastenradler – und: E-Scooter. Es wundert einen nicht, dass es hier zu Konflikten kommt, wenn zu Stoßzeiten alle auf einmal die Wege nutzen. Am Eingang des Parks wird klar, wie viel Unklarheit herrscht. Fast alle Radler nutzen die Gehwege, um in den Park zu fahren, vorbei an Fußgängern.

Stieglbauer sei schon oft beschimpft worden, weil sie beim Gassigehen den ein oder anderen Radler gebeten habe, doch etwas vorsichtiger und langsamer zu fahren, weil hier doch Mütter mit ihren Kindern unterwegs seien und auch Senioren. "Blöde Tussi war da noch das Harmloseste, was ich zu hören bekam", erzählt sie. Ein Radler sei sogar mal vor einigen Jahren abgestiegen und habe sie gepackt und geschüttelt, was sie sich denn einbilde. Seither spreche Stieglbauer zu flotte Radler nicht mehr an.

Die E-Scooter soll Ex-Verkehrsminister am besten "persönlich einsammeln"

Zu E-Scootern hat Stieglbauer ein besonders schwieriges Verhältnis. "Die werden oft kreuz und quer abgestellt. Manchmal liegen sie auch irgendwo", sagt Stieglbauer. Für Seniorinnen und Senioren sind diese Stolperfallen besonders gefährlich. Schließlich ist die Verletzungsgefahr viel größer als bei Jüngeren. "Ich würde Ex-Verkehrsminister Andreas Scheuer am liebsten bitten, die Dinger persönlich einzusammeln", sagt Stieglbauer. Der habe schließlich diese Dinger zugelassen.

Das Problem mit den E-Scootern sieht eine Freundin von Gabriele Stieglbauer genauso. Lucia heißt sie und wohnt ebenfalls in der Gegend, seit 1973. Grundsätzlich findet sie die geteerten Wege gut, eine bessere Struktur sei das. Doch ihr Mann ist auf den Rollator angewiesen. "Da müssen wir schon besonders vorsichtig sein", sagt sie, "man möchte sich gar nicht vorstellen, was passiert, wenn er mal samt Rollator über ein E-Scooter stolpern sollte."

Wo dürfen Radler in München fahren? Die Stadt verweist auf die Grünanlagen-Ordnung

Bei Dämmerung und nach Sonnenuntergang seien umgefallene E-Scooter besonders schwer zu sehen. Die Gefahr durch unvorsichtige Radler sei da zudem ständig, auch für die Radler sei das ja gefährlich – sagt die Radlerin Lucia. "Neulich hat eine Freundin erzählt, dass sie mit dem Hund unterwegs war, ein Fahrradfahrer um die Ecke gezischt ist, dem Hund ausweichen musste und stürzte", erinnert sie sich. Sonntags sei die Gefahr am größten, wenn bei gutem Wetter besonders viel los sei im Park.

Doch dürfen Radler und E-Scooter hier überhaupt fahren? Eine Nachfrage bei der Münchner Polizei: Man kenne die Örtlichkeit nicht exakt, jedoch verweist eine Sprecherin auf die Grünanlagen-Ordnung der Stadt. Darin heißt es, Fahrräder dürften nur dort fahren, wo es Schilder eindeutig erlauben.

Im Bezirksausschuss steht das Thema E-Scooter auf der Tagesordnung

Doch viele Wege sind nicht klar beschildert, vor allem die Nord-Süd-Strecken nicht. Lediglich auf den Ost-West-Querungen sind die Wege markiert und klar beschildert: auf der einen Seite das Radl-Symbol, auf der andren Seite das Fußgänger-Piktogramm, auf blauem Hintergrund, wie etwa auf dem Isabelle-Braun-Weg oder an der Ost-Einfahrt zum Bichlhofweg.

Beim zuständigen Bezirksausschuss Bogenhausen (BA) ist das Thema E-Scooter bekannt und auf der Tagesordnung, der Rest sei in der Form noch nicht aufgeschlagen. BA-Chef Florian Ring (CSU) sagt zu, sich ein eigenes Bild von der Lage zu machen. Ob eine Beschilderung fehlt, kann er nicht genau sagen. Aber: "Am liebsten wäre es mir persönlich, dass München es so macht wie Paris", sagt Ring.

Kommt das E-Scooter-Verbot in München?

Dort habe man schließlich nach jahrelangem Ärger die Scooter aus der Innenstadt verbannt. Das würde auch in solchen Grünanlagen wie östlich der Regina-Ullmann-Straße für mehr Verkehrssicherheit sorgen, sagt BA-Chef Ring. Er möchte das bei der Stadt demnächst anregen. Zonenweise würde das Verbot von E-Scootern eh nicht funktionieren, sagt Ring. Stieglbauer hingegen sagt, es wäre schon mal ein Anfang, wenn hier "Vorsicht-Kinder"-Schilder aufgestellt würden. "Dann wären die Leute vielleicht deutlich aufmerksamer", sagt sie.

Die Stadt kennt zwar die grundsätzliche Problematik, dass es überall in der Stadt zwischen Radlern, Fußgängern und E-Scooter-Fahrern zu Engpässen mit Konfliktpotenzial kommt. Doch im Park bei Gabriele Stieglbauer habe es seit Datenerfassung 2010 keine Unfälle gegeben, schreibt eine Sprecherin des Mobilitätsreferats (MOR) der AZ.

Das Mobilitätsreferat stellt fest, dass einige Wege im Park gar nicht fürs Radeln freigegeben sind

Das subjektive Gefühl der Unsicherheit berücksichtige man bei der Verkehrsplanung bereits. "Es ist nachvollziehbar, dass sich die Leserin unsicher fühlt, wenn sie dort spazieren oder mit Ihrem Hund Gassi geht. Generell ist es sehr bedauerlich, dass sie und viele andere Senioren sich aufgrund des Verhaltens weniger Rad- und E-Scooter-Fahrern in ihrer Mobilität eingeschränkt fühlen", antwortet die MOR-Sprecherin. Auch die städtische Verkehrssicherheitskampagne "Merci Dir" appelliere daher an einen respekt- und rücksichtsvollen Umgang im Straßenverkehr.

Zur rechtlichen Situation im Park schreibt das MOR dann etwas überraschend: Tatsächlich seien die Nord-Süd-Wege eigentlich gar nicht fürs Radeln freigegeben – und damit dürften dort eigentlich auch keine E-Scooter fahren. Derzeit gebe es jedoch "keine erhöhte Beschwerdelage", aber man werde die Anlagenaufsicht bitten, künftig in dem Bereich stärker zu kontrollieren.

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