Mal offiziell, mal heimlich: "Guerilla-Gärtner" pflanzt in München Bäume
München - Am Griechenplatz hatte Christian Vogt kürzlich wieder so einen Glücksmoment: Gleich sieben Löcher durfte er da in der recht nackerten Wiese ausheben lassen. Und sieben junge Roteichen auf öffentlichem Grund pflanzen, bezahlt von privaten Spendern. Mit wohlwollender Erlaubnis der Stadtverwaltung übrigens - was bemerkenswert ist. Denn Privatmenschen dürfen sonst nicht einfach so in städtischen Grünflächen herumwerkeln.
Bei Christian Vogt ist das ein bisschen anders - weil er inzwischen so viel Wind um sein Projekt "Eichen der Welt" gemacht hat, dass seine Worte auch im Rathaus gehört werden.
München verliert 1.000 Bäume pro Jahr
Sein Ziel ist nämlich, gegen den Baumschwund anzupflanzen. 333 Eichen will der Umweltschützer mithilfe von Spendern im Münchner Süden pflanzen. Schließlich verliert München 1.000 Bäume pro Jahr, weil viel gebaut und nachverdichtet wird. Obwohl die Stadt viel nachpflanzt, sind seit 2011 20.000 Bäume aus dem Stadtbild verschwunden (AZ berichtete). Und auch das städtische Kommunalreferat kommt mit seinen Aufforstungsplänen kaum hinterher - weil schlicht Flächen für Bäume fehlen.
Dabei wären mehr Bäume wichtig fürs Stadtklima. Sie reinigen die Luft wie ein großer Feinstaubfilter. Sie setzen Sauerstoff frei, speichern das klimaschädliche CO2 und spenden Schatten.
AZ: Herr Vogt, was verbindet Sie gerade mit der Eiche? Gibt es eine Geschichte dazu?
CHRISTIAN VOGT: Die erste Eiche, die mich beeindruckt hat, stand in unserem Garten am Waldrand, als ich zehn Jahre alt war. Sie war riesig und uralt. Ihr Stamm war so dick, dass man ihn nur zu dritt umfassen konnte. Ich habe sie angeschaut und gedacht, dass sie schon lange vor mir da war, und wahrscheinlich noch lange nach mir da sein wird. Aber um meine persönliche Liebe zur Eiche geht es gar nicht, sondern darum, dass ich glaube: Die Eiche ist der Stadtbaum der Zukunft.
Warum? Bis jetzt ist der typische Münchner Straßenbaum doch mehr der Spitzahorn und die Winterlinde.
Es gibt da drei gute Argumente. Erstens sind Eichen großartige Luftreiniger. Sie binden mehr CO2, Stickoxide und Feinstaub als andere Bäume. Zweitens sind sie mit Abstand Artenvielfalts-Weltmeister. Alte Eichen beherbergen bis zu 1.000 Arten in ihrer Krone, vom Hirschkäfer über Fledermäuse und Pilze bis zum Specht.
Weltweit gibt 450 verschiedene Eichen-Arten
Aber vor allem suchen Sie nach dem perfekten Klimawandel-Baum für München, richtig?
Genau. Ich denke, dass die Eiche besonders gute Chancen hat, den Klimawandel gut zu überleben. Sie hält Hitze gut aus, kommt aber auch mit Überschwemmungen klar. Die Frage ist, welche der weltweit 450 Eichen-Arten auf Dauer am besten in München zurechtkommt. Diese Arten sind fast alle auf der nördlichen Erdhalbkugel zu finden. Also da, wo ähnliches Klima herrscht wie bei uns oder wo es so heiß ist, wie es bei uns mit dem Klimawandel noch werden wird.
Allein im Vollmarpark haben Sie mit Spenden schon 33 Eichen eingepflanzt und einen Lehrpfad daraus gemacht. Wie haben Sie das als Privatmann genehmigt bekommen?
Ich habe bei mir im Viertel und bei der Stadtverwaltung mit viel Ausdauer Überzeugungsarbeit geleistet. Den Durchbruch hat schließlich ein Antrag beim Bezirksausschuss Harlaching gebracht.
Warum haben Sie am Lehrpfad Dreiergruppen gepflanzt?
Damit man gut vergleichen kann. Eine Dreiergruppe besteht jeweils aus einer heimischen Stieleiche und zwei nicht-heimischen Eichen wie der Scharlach-, Schindel- oder Zerreiche. So werden wir über die Jahre sehr gut beobachten können, wie die einzelnen Arten sich am selben Standort unter denselben klimatischen Bedingungen entwickeln. Ich möchte gern die beste Eichenart für München finden. Nach zehn Jahren Beobachtung sollten wir wissen, welche es ist.
Wie viel Geld muss ein Spender für eine Eiche hinlegen?
750 Euro, wenn die Gärtner des Baureferats für uns das Einpflanzen übernehmen. Wenn wir alles allein machen müssen, 1.500 Euro.
Wer gibt Ihnen denn so viel Geld für einen Baum?
Erst mal waren das Freunde und Bekannte, dann hat sich das Projekt über Mund-zu-Mund-Propaganda verbreitet. Inzwischen haben sich örtliche Gewerbetreibende eingebracht, junge Familien oder Großväter, die einen Baum für den Enkel spenden. Und der Bezirksausschuss Harlaching hat eine Baumgruppe finanziert. Es dürften an die 30 Spender sein und 40.000 gespendete Euro.
Um die 50 Spender-Eichen gibt es bereits in München
Sie nennen sich selber auch "Guerilla-Gärtner", was hat es damit auf sich?
Wenn sich auf meinem Balkon zufällig eine Birke aussamt, werfe ich das Pflänzlein nicht weg, sondern setze es da ein, wo zuvor eine alte Birke gefällt und nicht nachgepflanzt worden ist. Oder wenn Nachbarn einen Mini-Christbaum im Topf gekauft haben und der nach Weihnachten nicht mehr gebraucht wird, finde ich ein Stück Wiese, wo man den einpflanzen kann und wo das keinen stört.

Aha. Wie viele Spender-Eichen gibt es inzwischen in München?
Um die 50, dazu gehören auch die zwei Scharlach-Eichen an der Pfarrkirche Heilige Familie in Harlaching und die sieben Roteichen am Griechenplatz.
Plus 40 Jungeichen, die sich an einer Hangkante selber ausgesamt haben. Wie ist denn das passiert?
Wahrscheinlich haben Eichhörnchen dort mal Eicheln im Boden vergraben. Jedenfalls, als ich die jungen Triebe sah, hab ich den Hang über den Bezirksausschuss schützen lassen, damit die Gärtner dort nicht mehr mähen dürfen.

Wenn Sie die angepeilte Zahl von 333 Eichen geschafft haben, was kommt dann?
Dann gebe ich 7.000 als Ziel für die nächsten zehn Jahre aus. Wenn viele Leute mitmachen, ist das leicht zu schaffen.
Wie können Bürger das Projekt unterstützen?
Indem sie einen Pflanzplatz auf ihrem privaten Grundstück anbieten. Wer einen solchen Platz zur Verfügung
stellen kann, bitte bei mir melden! Oder indem sie eine Eichenspende übernehmen. Wenn das gewünscht ist, bringen wir auch eine Spenderplakette am Baum an. Ich meine das ernst: Münchner, pflanzt Eichen!
Interessierte können Christian Vogt direkt kontaktieren: 0157/ 34 50 99 32, kristjan.klausarson@gmail.com
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