Macht er auch den Kölner Dom ganz weiß?
Verspottet, bewundert: Dombaumeister
Michael Hauck geht von Passau an den Rhein
Sie haben ihn und seine Steinmetze als „Zuckerbäcker” verspottet. Als „Geldverschwender” und „Verbrecher” hat ihn das Kirchenvolk beschimpft. So erzählt Dombaumeister Michael Hauck gerne von der Zeit der schweren Geburt des „Weißen Doms”. Denn er hat dem Passauer Stephansdom eine Haut weiß wie Puderzucker gegeben, so makellos, wie in Deutschland wohl kein zweites historisches Bauwerk ist. Den Leuten gefiel das nicht. Doch die barocke Fassade entspricht genau dem verschwundenen, mehr als 300 Jahre alten Original. Das kann Hauck aus den Archiven belegen.
Und jetzt die Kölner: Müssen sie um die dunkle Patina ihres Wahrzeichens fürchten? Der Dombaumeister wurde – nach 24 Jahren in Passau – soeben an den Rhein berufen. Dort wird die größte gotische Kathedrale der Welt sein neuer Patient. Damit erklimmt Hauck mit 51 Jahren den Höhepunkt seiner Karriere. Ab April 2012 startet er als Vize-Dombaumeister, am 1. September 2012 löst er die amtierende Dombaumeisterin Professorin Dr. Barbara Schock-Werner ab.
„Ich bin mit Steinstaub in der Nase groß geworden”, erzählt der Sohn einer Steinmetzfamilie, der in Würzburg geboren wurde und ab 1988 in Passau die Staatliche Dombauhütte des Stephansdoms leitete. Dort sind 16 Restauratoren das ganze Jahr über mit dem größten Barockdom nördlich der Alpen, beschäftigt.
Mit 37 setzte der Meister eins drauf, begann an der Uni Passau Kunstgeschichte zu studieren, derzeit schreibt er an seiner Doktorarbeit über mittelalterliche Architektur.
Mit den Informatikern der Uni entwickelte er ein digitales Dombauarchiv: Jeder Stein des Bauwerks ist dort erfasst, katalogisiert und beschrieben – ein vollkommenes Verzeichnis für jeden Restaurator.
Jetzt, da sein Passauer Kunstwerk fast fertig ist, sind die Kritiker verstummt. Selbst die wieder entdeckten farbigen Barock-Uhren, deren verwitterte Pigmente Hauck aus den alten Schichten kratzte und nachmalen ließ, werden von Einheimischen wie Touristen bestaunt: Was für ein hübsches Motiv! Angesehene Denkmalpfleger hatten befürchtet, diese Kombination könnte zu kitschig werden. Es wurde fabelhaft.
Michael Hauck fühlt sich bestätigt. „Eine Barockstadt lebt von der Farbe, sie war der Ausdruck von Lebensfreude.”
„Hat er sich nach Köln beworben, weil wir ihm hier das Kraut ausgeschüttet haben?”, fragten sich manche Passauer, als sie von seinem Karrieresprung hörten. Denn zufälligerweise zur selben Zeit ging ein etwas unrühmliches Kapitel um den Dombaumeister zu Ende: Er zog vor dem Verwaltungsgericht Regensburg eine Klage zurück – sein letzter Versuch, die Reaktivierung der stillgelegten Ilztalbahn zu verhindern.
Die romantische Gleisroute von Passau in die Bayerwald-städtchen Waldkirchen und Freyung führt unmittelbar an Haucks Häuschen vorbei, dem ehemaligen Bahnhofsgebäude von Fürsteneck. Er hat alle politischen Hebel in Gang gesetzt, damit die Bahnstrecke begraben und zum Radlweg umgebaut wird. Als der Bauzug das verwucherte Gleis vor seinem Bahnhof rodete und Pflanzenschutzmittel versprühte, ging er gegen den Freistaat Bayern vor, der dies genehmigt hatte. Hauck hat verloren – ab 16. Juli starten die Touristenzüge.
An mangelnder Beharrlichkeit kann’s jedenfalls nicht gelegen haben. Wie schwierig es etwa war, die ursprüngliche Rezeptur des alten Passauer Dom-Anstrichs zu finden, schilderte Hauck in einem Vortrag vor Passauer Stadtbewahrern. „Aus verwitterten Farbresten versuchtem wir, einen ,Genabdruck’ herzustellen”, erklärt er. Eines war klar: „Die alten Baumeister kannten keine chemischen Zusätze und künstlichen Bindemittel.”
Vier Spezialisten bewarben sich mit ihren Rezepturen: ein Restaurator, ein Kirchenmaler, ein Wissenschaftler und ein 70-jähriger Stuckateur. Bis auf den alten Mann hatten alle ihre Mixturen fertig mitgebracht. „Der Stuckateur hat die Wand befühlt und hat dann aus seinen Kübeln etwas zusammen gekocht”, erzählt Hauck. Man ahnt, wie es kam: Der alte Meister lieferte das beste Ergebnis, der Herr Doktor von der Wissenschaft das schlechteste.
„Jetzt werden wir immer wieder nach der Rezeptur gefragt”, sagt der Dombaumeister. Aber er hüte sich vor Empfehlungen: Jedes Bauwerk habe seine spezifische Beschaffenheit. Sein neuer Patient in Köln darf gespannt sein, welche spezielle Wellness-Kur ihm der neue Domdoktor verschreibt.
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