Ludwigsfeld: Siedlung mit viel Eigeninitiative und Geschichte

Ludwigsfeld - Ich glaube, egal, wie viel man in München unterwegs ist, es wird immer Ecken geben, die man nicht auf dem Schirm hat. Aber wenn man sie schon im Bezirksausschuss vergisst, muss ich mir sicher keinen Vorwurf machen. Später mehr dazu. Eine Journalistin hatte mich gefragt, ob ich die Siedlung Ludwigsfeld kenne, ihre Geschichte, wie es heute da auschaut?
Vom Bezirksausschuss vergessene Siedlung
Ich kannte sie vom Vorbeifahren. Auf dem Weg nach Dachau geht’s in Karlsfeld rechts weg. Viel mehr wusste ich nicht. Also habe ich die Siedlung besucht. Auffällig, alle Straßen tragen Namen von Edelsteinen. Die Siedlung ist auf einem Gelände eines ehemaligen Außenlagers vom KZ gebaut. Nach der Befreiung durch die Amerikaner waren die Baracken für Menschen, die sich durch die Kriegswirren fernab ihrer Heimat befanden.

Ab 1952 wurde mit Geldern aus dem Marshallplan eine Siedlung für 3.800 Menschen gebaut. Kaum zu glauben, dass 1996 ein Bewohner den Vorschlag an den 24. Münchner Stadtbezirk richtete, man möge doch die Rubinstraße als Einbahnstraße ausweisen und man damals feststellte, dass die Siedlung vom Bezirksausschuss völlig vergessen worden war.
Ehemalige Baracken: Heute Gärtchen und Rollschuhplatte
Heute leben 20 Nationalitäten in der Siedlung, darunter auch noch Familien ehemaliger Zwangsarbeiter. Ludwigsfeld gilt als Beispiel gelungener Integration. Was mir bei meinem Spaziergang auffiel, war das viele Grün. Schön eingewachsen ist die Siedlung. Alte Obstbäume, aber auch große Baumarten überall. Dschungelgleich an manchen Ecken. Man sieht viel Eigeninitiative. Kleine Gärtchen wurden angelegt.

Auf der Rollschuhplatte, einer großen, geteerten Fläche auf dem Grundriss einer ehemaligen Baracke, findet normal ein großes Siedlungsfest statt. In Eigeninitiative wird ein großes Zelt aufgebaut. Heuer fällt es wegen Corona aus.
Freundliche Menschen und der TSV in der Baracke
Über einem kleinen Vordach liegt ein Brautschmuck, wahrscheinlich vom Brautauto und zeigt damit an, dass sich offensichtlich zwei Menschen gefunden und geheiratet haben. Ein Stück weiter steht die letzte Baracke. Darin ist der TSV Ludwigsfeld untergebracht. Auffällig ist die Freundlichkeit der Menschen hier. Ich werde angesprochen, man erzählt mir viel, man zeigt mir versteckte Mosaiken, erklärt mir Wandbemalungen. Andere lächeln mich im Vorbeigehen an und grüßen.

Eine Frau erzählt mir von der letzten Baracke. Das passiert mir nicht oft, denn mit Kamera bewaffnet durch ein Stadtviertel zu gehen, zu schauen, Bilder zu machen, wirkt für viele Menschen oft fast bedrohlich. Das Einzige was wirklich fehlt in dieser schönen Siedlung, ist ein Lokal. Vielleicht hat ja jemand eine Idee.
In diesem Sinne eine schöne Woche.
Ihr Sigi Müller
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