Löwenbräukeller-Brand: "Ich kann Olga nicht vergessen"
13. April 1973: Vor genau 40 Jahren kommt es auf einer „Bravo”-Party im Löwenbräukeller zu einer Massenpanik mit zwei Toten und 23 Verletzten. Der Onkel von Olga Tschirwa (†14) erinnert sich
MÜNCHEN Zwischen Elvis-Puppen, Beatles-Postern und Akustikgitarren hängt in der kleinen Dachwohnung von Rentner Fred Reithmayr (67) ein altes Schwarzweißfoto unter einem Kruzifix. Es zeigt seine damals 14-jährige Nichte Olga Tschirwa, die am Abend des 12. April 1973 nach einer Bravo-Party im Münchner Löwenbräukeller an der Ausgangstür bei einer Massenpanik regelrecht totgequetscht worden ist.
„Es ist jetzt 40 Jahre her. Aber ich kann Olga nicht vergessen”, sagt Reithmayr. Für den Hobby-Musiker und DJ, der jetzt im Altenzentrum Milbertshofen auflegt, bricht damals eine Welt zusammen: „Ich habe leider keine Kinder. Für mich war Olga wie eine eigene Tochter.”
Die Erinnerungen an seine Nichte sind in zwei Aktenordnern archiviert. Fotos, gemalte Bilder von Olga, Zeitungsartikel über das Unglück und die Eintrittskarte zur „Bravo-Girl”-Wahl des Jahres. Als Stimmungsmacher treten Chris Roberts, Peter Maffay und die britische Erfolgsband The Sweet auf. Reithmayr: „Sie ist ein Sweet-Fan gewesen. Darum wollte sie unbedingt zu der Veranstaltung. Das ist ihr erstes und leider auch ihr letztes Konzert gewesen, das sie besuchen konnte.”
An jenem Abend stehen viele Eltern vor dem Haupteingang des Löwenbräukellers. Gegen 22 Uhr ist die Party vorbei. 3000 Mädchen und Jungs strömen zum Ausgang. Fatal: Es ist nur eine schmale Flügeltür geöffnet. Der Onkel: „Meine Schwester wartete damals draußen auf Olga. Irgendjemand soll im Saal von einem Feuer erzählt haben. Deshalb ist Panik ausgebrochen. Die Kinder wollten nur noch raus”, sagt Fred Reithmayr, der früher selbst mit seiner Band „Down Beats” in kleinen Konzertsälen aufgetreten ist.
Binnen Sekunden stürzen die Jugendlichen übereinander. In Todesangst versucht jeder, aus dem Saal zu kommen. Eine 15-Jährige wird regelrecht zertrampelt. Ein Einsatzretter sagt später: „Man konnte nur noch das blutverschmierte Kleid erkennen. Der Körper war nur noch eine blutige Masse.” 23 Teenager kommen mit Knochen- und Beckenbrüchen davon. Einige werden mit abgetretenen Ohren und eingedrückten Gesichtern in die Kliniken verbracht. Auch Olga Tschirwa kommt ins Krankenhaus.
Nach sechs Tagen stirbt das Mädchen an einer schweren Lungenquetschung. Reithmayr notiert damals den Todeszeitpunkt. 19. April 1973, 15.45 Uhr. Am 5. August 1959 war Olga um 15.45 Uhr zur Welt gekommen.
Sie wird auf dem Nordfriedhof im Grab der Großeltern beigesetzt. „Alle 14 Tagen besuchen meine Lebensgefährtin und ich ihr Grab”, sagt der Rentner. Die Zeit nach dem Unglück sei schlimm gewesen: „Ich lenkte mich mit der Arbeit und der Musik ab. Ich habe sämtliche Zeitungsartikel aufbewahrt und mit den Erinnerungen von Olga zusammengeheftet”, sagt Reithmayr, der die Alben seiner Schwester geben will. Aber sie lehnt ab. „Sie wollte nicht mehr daran erinnert werden. Ich habe sogar einen alten Kassettenrekorder von Olga aufgehoben”, sagt der Onkel und zieht hinter seinen 120 Gitarren, die er in seiner 45-Quadratmeter-Wohnung aufbewahrt hat, einen alten „Schaub Lorenz CX 75” hervor: „Der funktioniert auch noch. Ich kann mich eben nur schwer von Dingen trennen. Vor meiner Scheidung hatte ich ein Haus und viel Platz.”
Viel ist damals in der Presse über das Unglück berichtet worden. Aber trotz öffentlicher Empörung und Kritik an den Veranstaltern kann niemand juristisch zur Verantwortung gezogen werden. Ein Verfahren wird damals eingestellt. „Das habe ich nie verstanden. Dabei hieß es, dass jemand den Schlüssel für die anderen Türen nicht gefunden haben soll. Deshalb gab es nur den schmalen Ausgang”, sagt Fred Reithmayr. Und klappt das Album zu.
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