LMU-Professor Michael Hoelscher: Dritte Welle, dritte Impfung - und weitere Lockdowns

Der LMU-Professor Michael Hoelscher warnt Bürger und Politiker vor neuen Herausforderungen.
von  Ralf Müller
Michael Hoelscher.
Michael Hoelscher. © LMU

München - Während sich in Deutschland die erste Corona-Impfung noch in quälend langsamem Tempo dahin zieht, empfiehlt der Münchner Infektiologe Michael Hoelscher den Politikern, sich schon jetzt um die Bereitstellung neuen Impfstoffs für Drittimpfungen im Herbst und Winter gegen Virus-Varianten zu kümmern.

Neue Corona-Impfung im Winter 2021/2022

Spätestens im Winter 2021/2022 werde eine neue Impfung für alle nötig sein, sagte der Leiter der Abteilung für Infektionskrankheiten und Tropenmedizin am Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU).

Professor Michael Hoelscher ist im Expertenrat der Regierung in Bayern

Hoelscher ist eines der beiden Mitglieder des von der bayerischen Staatsregierung einberufenen Expertenrats zur Corona-Pandemie. Er hielt einige unangenehme Prognosen für diejenigen bereit, die glauben, die Pandemie sei schon so gut wie überstanden. Das mag für die "Wildform" des Virus zutreffen, sagte der Professor, diese sei aber ohnehin schon ein Auslaufmodell. Inzwischen habe sich in Deutschland eine dritte Welle aufgebaut, die ausschließlich von der britischen Virus-Mutante angetrieben werde. Schon bald werde die Ursprungsform des Virus bei den Infektionen in Deutschland keine Rolle mehr spielen.

Die britische Variante sei 1,3 bis 1,5 Mal ansteckender als die Urform. Auch die Mortalität bei Erkrankungen durch das britische Virus liege beim 1,3-Fachen.

Hoelscher-Prognose: Inzidenz liegt bald wieder über 100

Für die Wildform des Virus hätten die Lockdown-Maßnahmen wahrscheinlich ausgereicht, für die Variante aber nicht, legte Hoelscher dar. Der Wissenschaftler rechnet mit deutlich ansteigenden Infektionszahlen in den nächsten Wochen. "Wahrscheinlich" werde in einem Monat die deutschlandweite Sieben-Tage-Inzidenz wieder über 100 oder 150 liegen, sagte Hoelscher voraus.

LMU-Professor rechnet mit Lockdown-Phasen bis Herbst 2022

Die derzeitige Lockerungsphase werde ebenso wahrscheinlich noch vor dem Sommer von einem neuerlichen Lockdown abgelöst werden. "Noch mindestens eineinhalb Jahre" rechnet Hoelscher mit einem Wechsel von Öffnungs- und Lockdown-Phasen.

Es müsse alles getan werden, um das Vordringen der Südafrika-Mutation zu verhindern, die insbesondere in Tirol aufgetreten ist, so der Forscher weiter. Nach bisherigen Studien entfalteten die Impfstoffe gegen diese Variante keine oder nur geringe Wirkung. Eine durchgemachte Covid-19-Erkrankung schließe eine neue Infektion mit dem Südafrika-Virus keineswegs aus.

Drittimpfungen stehen an

Bisher habe man nur bei dem in Deutschland noch nicht zugelassenen Impfstoff von Johnson & Johnson immunisierende Wirkung gegen diese Variante feststellen können. Die nächste Generation von Impfstoffen werde auch gegen gefährlichere Virus-Mutanten wirken, sagte Hoelscher voraus. Der Politik riet der Professor dringend, sich "nahtlos" um die im Winter anstehenden Drittimpfungen sowie diese modifizierten Impfstoffe zu bemühen. "In sechs bis neun Monaten", so Hoelscher, "werden wir wieder impfen müssen". Dies müsse man "jetzt angehen".

"Das Virus werden wir nicht mehr los", stellte Hoelscher für die Zukunft fest. Es sei allerdings mit immer weniger schweren Krankheitsverläufen zu rechnen. Bestenfalls reiche dann eine Immunisierung im Kindesalter aus, wahrscheinlicher sei aber, dass sich die Menschen wie bei Grippe jedes Jahr neu impfen lassen müssten.

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