Links und rechts stehen, nicht gehen - neue Rolltreppen-Regel für München
München - Rolltreppen fahren will gelernt sein. Tatsächlich bestimmt ein ungeschriebenes Gesetz Münchens Welt der rollenden Treppen. Wer sich links auf dem Förderband platziert, und damit die "Rechts stehen, Links gehen"-Devise missachtet, wird nicht selten unfreundlich und unsanft aus dem Weg geräumt. Doch damit ist jetzt Schluss – zumindest vorübergehend.
Passagiere werden seit dieser Woche von MVG-Plakaten mit dem Leitspruch "Links und rechts stehen, nicht gehen!" in ihrer Rolltreppenmentalität erschüttert. Anstoß für die Treppen-Revolution ist die Sperrung des Übergangs zwischen U1/U2 und U4/U5, die bis voraussichtlich noch 1. September anhält. Zwei alte Rolltreppen - laut MVG die wichtigsten in München - werden nach 33 Jahren komplett erneuert. Die Fahrgäste müssen nun einen größeren Umweg über das gesperrte Geschoss in Kauf nehmen, gleichzeitig heißt das, dass die übrigen Rolltreppen mehr Menschen befördern. Einem großen Menschenstau und die damit einhergehenden Wartezeiten möchte die MVG mit dem neuen Treppen-Grundsatz entgegenwirken.
Platz auf Rolltreppen soll effektiver genutzt werden
Das Verkehrsunternehmen ist jetzt davon überzeugt, dass sich die Menschenmengen schneller auflösen, wenn man sowohl links als auch rechts steht. Der Rückstau soll dadurch verringert und der Platz auf dem Förderband effektiver genutzt werden. Der Ansatz ist schlüssig - wenn rechts gestanden und links nach oben gelaufen wird, erfordert das unnötig viel Platz und Rückstau auf Seiten der "Steher".
Gelbe Plakate mit Piktogrammen weisen jetzt zwischen, vor und an den Rolltreppen auf die neue Devise am Münchner Hauptbahnhof hin. Die Idee hat die MVG von einem Londoner Pilotprojekt aufgeschnappt. Hier wurde bestätigt, dass bei dem kollektivem Stehen auf der Rolltreppe in der selben Zeit knapp 30 Prozent mehr Menschen befördert werden.
Soweit die Theorie. Doch wie nehmen die Münchner die Rolltreppen-Revolution an?
Die AZ besuchte besagte Treppen und machte sich selbst ein Bild, wie und ob das ganze in Münchens Alltag Anklang findet. Und siehe da: Alles beim Alten!
Bisher scheint die Idee vom Stillstand auf dem Förderband nicht zu fruchten. Die Plakate finden bei dem dichten Gedränge vor den Fahrtreppen kaum Aufmerksamkeit - wenn überhaupt stiften sie Verwirrung bei den Rolltreppenfahrern. Also lieber auf Vertrautes zurückgreifen, denkt sich die Mehrzahl - mit dem alteingesessenen "Rechts stehen, links gehen" fährt sich es augenscheinlich für die Masse besser.
Dobrosav Preuß (53): "Ich finde die Regelung engstirnigen Unsinn. Man soll die Leute selber entscheiden lassen, wo sie gehen und stehen möchten - der Fluss der Menge löst sich dann schon automatisch auf. Die Schilder oder einen Unterschied habe ich trotzdem nicht bemerkt, bei diesem Schilderwald hier am Hauptbahnhof auch kein Wunder."
Philipp Anger (29): "Das ganze wird sich nicht durchsetzen. Ich finde das altbewährte 'rechts stehen, links gehen' sollte man nicht brechen - das funktioniert nach wie vor am besten. Durch die Anweisungen auf den neuen Plakaten weiß bald keiner mehr was Sache ist."
Alessandro don Paparo (26): "Man sollte alles beim Alten lassen. Als ich gerade auf der Rolltreppe gefahren bin, haben die neuen Schilder keinen interessiert. Rechts steht und links geht - wie immer. Das ist bereits in den Köpfen der Leute hier - es würde ewig dauern bis das jetzt wieder jeder verinnerlicht hat."
Victor Gangemi (25): "Wie sollen denn sonst auch Leute durch die es eilig haben? Ich sehe keinen Sinn hinter dieser Idee. Man sollte weiterhin überholen dürfen, das hat schon immer gut funktioniert." Alle Fotos: Sophia Dittmann
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