"Linke Masche": Aiwanger wehrt sich nach umstrittenen Aussagen bei Gruber-Demo

Erding/München - Nach seinem Auftritt am vergangenen Samstag bei einer Demo gegen das geplante Heizungsgesetz der Ampel-Regierung sieht sich Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) massiver Kritik ausgesetzt.
Grund dafür ist vor allem eine Aussage des Vize-Ministerpräsidenten. So sagte Aiwanger bei der von Kabarettistin Monika Gruber unterstützten Veranstaltung in Erding, dass sich "die schweigende große Mehrheit dieses Landes" die Demokratie wieder zurückholen müsse.
Zudem attackierte er in einem verbalen Rundumschlag auch die Medien, die seiner Meinung nach nicht "an der Seite der normalen Bevölkerung" stünden. "Ich hab die Nase voll, wenn man in der Früh aufsteht, die Zeitung aufschlägt oder das Radio einschaltet, und es kommt nur links-grüner Gender-Gaga auf uns zu", rief er – und bekam Applaus. Bereits kurz danach folgte Kritik, Aiwanger wurde vorgeworfen, die Wortwahl der AfD benutzt zu haben.
Aiwanger über seinen Auftritt in Erding: "Lasse mich nicht mundtot machen"
Aiwanger selbst wies die Vorwürfe wenige Tage später vehement zurück. "Ich stehe zu diesem Satz. Die breite Bevölkerung muss sich schlichtweg wieder Gehör verschaffen, wenn sie anders nicht ernst genommen wird", so Aiwanger am Montag gegenüber der Deutschen Presse-Agentur.
Der Freie-Wähler-Chef fügte hinzu: "Nur weil irgendwann mal ein AfDler etwas Ähnliches gesagt hat, ist das noch lange kein Tabu-Satz für jeden anderen." Mit dieser "linken Masche" lasse er sich nicht mundtot machen. "Morgen ruft die AfD dazu auf, in Lederhose aufs Oktoberfest zu gehen, dann dürfte niemand mehr in Lederhose aufs Oktoberfest gehen – oder was?", schimpfte Aiwanger.
Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nahm ebenfalls an der Demo teil und sprach auf der Bühne vor den rund 13.000 Teilnehmern. Zu Beginn musste er sich jedoch erstmal Gehör verschaffen. Der CSU-Chef wurde von vielen Demonstranten vor Ort ausgepfiffen und ausgebuht, offenkundig unter anderem von AfD-Sympathisanten – von denen er sich dann als einziger Redner scharf abgrenzte und dafür wiederum ausgepfiffen wurde. Teilweise sah er sich dazu gezwungen, seinen Redebeitrag mehrmals zu unterbrechen – Monika Gruber musste mehrmals für Ruhe sorgen.
Nach Aiwanger-Aussagen: Massive Kritik von Koalitionspartner CSU
Für den größeren Wirbel im Nachgang sorgt nun allerdings Aiwanger, vor allem aufgrund seiner deutlich schärferen Aussagen vor Ort. SPD und Grüne warfen Aiwanger unter anderem Populismus und Stimmenfischen am rechten Rand vor. Kritik kommt allerdings nicht nur aus der Opposition, sondern auch vom eigenen Koalitionspartner, der CSU. "Dass Aiwanger, zumal im Wahlkampf, oftmals deftiger hinlangt, war der CSU zwar schon aufgestoßen, aber bisher meist schweigend toleriert worden – um den Schein einer harmonischen Koalition nicht zu trüben. Nun folgten jedoch recht deutliche Worte vom Regierungspartner.
Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) nannte Aiwangers Wortwahl am Montag "leider unangemessen". "Wir leben in einer Demokratie, und deshalb braucht man auch niemanden aufzufordern, diese von irgendwo zurückzuholen – schon gar nicht als Regierungsmitglied mit besonderer Verantwortung", sagte er. "Bei aller inhaltlichen Auseinandersetzung gilt: Populismus am rechten Rand ist brandgefährlich und gefährdet unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt", warnte der CSU-Politiker.
Innenminister Joachim Herrmann (CSU) warnte Aiwanger davor, eine Sprache zu gebrauchen, "wie sie bei Querdenkern oder Reichsbürgern auf der einen Seite und bei Klima-Klebern auf der anderen Seite benutzt wird". Selbst wenn man sich über das Berliner Ampelchaos noch so aufrege, sollte man nicht in Zweifel ziehen, "dass wir eine rechtmäßige und funktionsfähige Demokratie in Deutschland haben".
Aiwanger: Ampel treibt die Menschen in die Arme der Rechten
Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) sagte der "Süddeutschen Zeitung" und dem "Münchner Merkur" (Montag), man könne die Entscheidungen der Ampel für richtig oder eben falsch halten. "Aber die Entscheidungen wurden demokratisch gefällt", betonte sie. "Das sollte auch ein stellvertretender Ministerpräsident und Vorsitzender einer Partei in Regierungsverantwortung nicht infrage stellen."
Aiwanger konterte dagegen: "Es ist undemokratisch, wenn die Ampel sehenden Auges Politik gegen eine große Mehrheit der Bevölkerung macht." Damit treibe sie die Menschen den Rechten in die Arme. "Selbst wenn die Ampel demokratisch gewählt ist, ist das kein Beweis dafür, dass alles, was sie beschließt, auch demokratisch im Sinne der Mehrheit der Bevölkerung ist." Eine Regierung müsse sich immer rückversichern, ob sie Politik für die Bevölkerungsmehrheit mache – "und das ist beim Heizungsgesetz eben nicht der Fall", sagte er.
CSU und Freie Wähler: Es knirscht vor der Landtagswahl im Herbst
Rückendeckung bekam er Aiwanger natürlich von der eigenen Partei. Freie-Wähler-Landtagsfraktionschef Florian Streibl sagte am Montag: "Hubert Aiwanger hat die Demokratie nicht infrage gestellt – sondern darauf hingewiesen, dass die Mehrheit der Bevölkerung von der Ampel übergangen wird. Denn auch wenn man demokratisch gewählt ist, heißt das noch lange nicht, dass man Narrenfreiheit hat."
Im Wahlkampf werde zudem "manchmal auch härter hingelangt". Aiwangers Satz sei eine "legitime demokratische Äußerung" gewesen. "Klar, dass es der CSU nicht passt, wenn Hubert Aiwanger solch einen Auftritt hinlegt. Ich kann mir schon vorstellen, dass das bei der CSU Ängste auslöst", fügte Streibl hinzu.
Es wird deutlich: Es knirscht zwischen der CSU und den Freien Wählern – und das laut und durchaus vernehmlich. Gemeinsame Sache will die Koalition trotz aller Widrigkeiten aber auch in Zukunft machen, beide Parteien möchten ihr Bündnis nach der Landtagswahl am 8. Oktober fortsetzen.