Linke kurz vor der Spaltung – auch für München hat das Folgen: "Wir müssen jetzt durch die Hölle"

München - Die Linke steckt in der Krise: Die prominenteste Abgeordnete Sahra Wagenknecht könnte bald ihre eigene Partei gründen, eine Spaltung scheint unabwendbar. All dieser Streit geht auch an der Münchner Linken nicht spurlos vorüber.
Fraktionschef der Linken in Münche: "Die Partei steckt in einer tiefen Krise"
"Die Partei steckt in einer tiefen Krise und das merkt man auch hier vor Ort", sagt Stefan Jagel, der seit 2020 Die Linke im Stadtrat anführt. Zwar seien bisher nur wenige Münchner Mitglieder ausgetreten. Ihre Anzahl liege seit der vergangenen Kommunalwahl konstant bei etwa 800. "Aber es gibt eine hohe Verunsicherung, wie es mit der Partei weitergeht."
Linkspartei im Wandel: Schwierigkeiten Mitglieder und Wähler zu motivieren
Die Konsequenz spürt Jagel gerade im Landtagswahlkampf: "Wir kriegen Infostände schwer besetzt. Die Motivation, Wahlkampf zu machen, war schon einmal größer." Bei anderen Wahlkämpfen sei es gelungen, Mitglieder und Unterstützer für Die Linke zu gewinnen. Das klappe nun nicht.
Bei Umfragen dümpelt Die Linke in Bayern gerade zwischen zwei und drei Prozent. Bei der vergangenen Landtagswahl erreichte sie 3,5 Prozent – und damals stand die Partei nicht kurz vor der Spaltung. Dass Die Linke als den Einzug in den Bayerischen Landtag schafft, gilt also als unwahrscheinlich.
Nicht jeder ist überzeugt von Wagenknecht
Jagel gehört nicht zum Wagenknecht-Lager – ganz im Gegenteil. Er hoffe, dass es mit ihrer Parteigründung nun sehr schnell geht. Denn: "Unsere Arbeit vor Ort wird gerade kaputtgemacht." Jagel bezieht sich dabei auch auf den früheren Linken-Vorsitzenden Klaus Ernst, der vor kurzem auch die Partei-Basis scharf kritisierte.
Jagel ist verletzt und frustriert
"Es gibt Leute in der Partei, deren Kontakt zur Arbeit sich darauf beschränkt, dass sie mal als Schüler oder Student ein Regal bei Aldi eingeräumt haben", sagte Ernst. Man habe "eine große Truppe politikunfähiger Clowns in der Partei". Damit meine er Teile des Vorstands, aber auch der Basis.
Der ehemalige Gewerkschaftler Klaus Ernst kommt selbst aus Bayern und sitzt im Bundestag. Dieses Mandat habe er nur durch die Unterstützung der Linken in München bekommen, sagt Jagel. Er hält Ernsts Äußerungen für falsch und für verletzend – ebenso wie den Vorwurf, Die Linke würde sich nicht mehr richtig um die Soziale Frage kümmern.
Jagel sieht dennoch Erfolg beim Erreichen politischer Ziele
"Wir machen nichts anderes als uns mit Mietervereinen oder Pflegekräften zu treffen", sagt Jagel. Auch, dass die Stadtwerke die Erhöhung der Energiepreise wieder zurücknahmen, ist aus seiner Sicht der Linken zu verdanken. "Wenn wir nicht so viel Bambule gemacht hätte, wäre das nicht passiert", glaubt Jagel.
Doch all das würden die Menschen, die er an den Infoständen trifft, kaum mitbekommen. "Die Leute sagen: Ihr beschäftigt euch nur noch mit euch selbst", so Jagel. "Das frustriert mich persönlich zunehmend."
Austreten will Jagel aber nicht
Ob er mit dem Gedanken spielt, aus der Linken auszutreten? "Das kommt nicht in Frage", meint Jagel. "Die Linke ist die einzige Partei, die das oben und unten wirklich im Blick hat, die noch echte Verteilungspolitik macht." Die SPD kündige das nur an. Von den Grünen erwarte er linke Politik erst recht nicht: "Wer mit einem 8.000 Euro teuren E-Bike in den Biergarten fährt, hat die arbeitende Bevölkerung nicht im Blick."
Jagel glaubt deshalb daran, dass die Linke weiter Zukunft hat. Nur könnte es jetzt erst einmal hart werden, in dieser Partei Politik zu machen – und Wähler für sich zu gewinnen. "Wir müssen jetzt durch die Hölle", meint Jagel. Alle, die mit dem Gedanken einer eigenen Partei spielen, sollten deshalb möglichst schnell gehen, findet er.