Lilium Aviation aus München: Hier werden Dorothee Bärs #Flugtaxis gebaut - Interview mit Frank Thelen

Die designierte Staatsministerin im Kanzleramt für Digitalisierung träumt von Flugtaxis. In Bayern werden sie bereits entwickelt.
Christoph Elzer |
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Die vier Gründer und ihr Prototyp.
2 Die vier Gründer und ihr Prototyp.
Mit dem Jet ins Büro: So sieht die Zukunftsvision von Lilium Aviation aus.
2 Mit dem Jet ins Büro: So sieht die Zukunftsvision von Lilium Aviation aus.

Die designierte Staatsministerin für Digitalisierung träumt von Flugtaxis. In Bayern werden sie bereits entwickelt.

Berlin/Gilching - "Digitalisierung ist doch nicht nur der Breitbandausbau. Mein Thema ist auch: Habe ich die Möglichkeit, auch zum Beispiel mit einem Flugtaxi durch die Gegend fliegen zu können?", sagte Dorothee Bär am Dienstagabend im ZDF "heute journal" und erntete dafür im Internet jede Menge Spott und Häme unter dem Hashtag #flugtaxis. Dabei liegt die von der CSU-Politikerin skizzierte Zukunft gar nicht allzu fern - genaugenommen entsteht sie gerade vor den Toren Münchens.

Während das amerikanische Unternehmen Tesla die Diskussion um Elektroautos dominiert, könnte der nächste ganz große Wurf aus Bayern kommen: Die Firma Lilium Aviation wurde 2015 von vier jungen Ingenieuren gegründet und schickt sich an, die moderne Luftfahrt von Gilching aus zu revolutionieren. Die vier Studenten lernten sich an der Technischen Universität München kennen und kombinierten ihre jeweiligen Fachgebiete, um ein völlig neues Fluggerät zu entwickeln: das Lufttaxi. Daniel Wiegand (32) ist Raumfahrtingenieur, Sebastian Born (31) Maschinenbauingenieur, Patrick Nathen (31) promoviert derzeit am Lehrstuhl für Aerodynamik und Matthias Meiner (30) ist der Robotikingenieur des Teams. Sie arbeiteten schon am Fraunhofer Institut und beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Wiegand gewann 2004 den Wettbewerb Jugend forscht mit seinem Konzept "Variables Tragflächenprofil für Flugzeuge".

Die vier Gründer und ihr Prototyp.
Die vier Gründer und ihr Prototyp.

Die vier Gründer und ihr Prototyp. Foto: Lilium

"Löwe" Frank Thelen investierte schon früh in die Vision

Ihre gemeinsame Vision ist das Ende von Staus und Luftverschmutzung durch eine Neuordnung des Personenverkehrs. Geht es nach den Lilium-Gründern, dann pendeln Arbeitnehmer künftig mit dem Lufttaxi, statt mit dem Auto, fliegen Städtereisende mit dem Mini-Jet statt mit der Billig-Airline. Dafür planten sie ein komplett elektrisch betriebenes Fluggerät für bis zu fünf Passagiere, das senkrecht starten und landen kann, bis zu 300 km/h schnell und 300 Kilometer weit fliegt und dabei auch noch fast geräuschlos unterwegs ist.

Das alles klang so phantastisch, dass den Gründern zunächst jede Menge Skepsis entgegenschlug. Daniel Wiegand hingegen war vom ersten Tag an optimistisch: "Ich selbst habe nie daran gezweifelt, dass es klappt. Ich orientiere mich an den physikalischen Limits dieser Welt. Wenn ich berechnen kann, dass es funktioniert, dann sollten wir das machen. Daran glaube ich und dem vertraue ich", so Wiegand 2017 im Gespräch mit der FAZ. Einer der ersten, der sich von diesem Optimismus anstecken ließ, war Investor Frank Thelen (siehe Interview unten), bekannt aus der Vox-Sendung "Die Höhle der Löwen".

Vor genau zwei Jahren erwarb er 15 Prozent an Lilium Aviation und füllte damit die klammen Unternehmenskassen. Ein Investment, das sich längst für beide Seiten gelohnt hat: Thelen brachte neben dem Geld auch Publicity und machte so Global Player wie das chinesische Telekommunikationsunternehmen Tencent und den Investment-Fonds Atomico des Skype-Erfinders Niklas Zennström auf die Gilchinger aufmerksam. Die wiederum nutzten das frische Kapital und ließen die Vision zu Realität werden.

Im April 2017 wurde Luftfahrtgeschichte geschrieben

Am 20. April 2017 war es soweit: im Morgengrauen hob der Lilium Jet vom Sonderflughafen Oberpfaffenhofen zu seinem Jungfernflug ab. Der zweisitzige Prototyp schwebte mit der Hilfe von 36 kleinen Turbinen mehrere Meter senkrecht in die Höhe und ging dann nahtlos in den waagerechten Flug über. Eine Schleife und wenige hundert Meter später landete der kleine Jet schließlich wieder - komplett autonom.

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Seitdem geht es bei Lilium auch abseits des Rollfelds steil nach oben. Inzwischen haben die Gilchinger nicht nur bei einer weiteren Finanzierungsrunde 90 Millionen Dollar für die Weiterentwicklung des Kleinstflugzeugs eingesammelt, sondern konnten auch eine Top-Managerin von Tesla und den Produktions-Vizechef des Airbus A380 und A320 abwerben. Insgesamt arbeiten mittlerweile neben den vier Gründern mehr als 70 weitere Personen in der Fabrikhalle.

Ganz Bayern schrumpft zur Metropolregion München zusammen

Was die vier Münchner Studenten mit diesem Kapital und Know-How planen, klingt noch immer futuristisch, aber spätestens seit jenem 20. April nicht mehr unglaublich: Am Rande von Millionenstädten soll es in fünf bis zehn Jahren "zunächst 10 bis 20 Ports geben, die mit dem Auto angefahren werden - und dann fliegt man 10 bis 20 Kilometer und hat eine riesige Zeitersparnis", so Lilium-Gründer Wiegand. In Berlin dauere es zum Beispiel mit dem Auto eine Stunde, um von einem Ende der Stadt ans andere zu kommen - mit dem Lilium-Jet bräuchte man fünf Minuten, rechnet Wiegand vor.

Mit dem Jet ins Büro: So sieht die Zukunftsvision von Lilium Aviation aus.
Mit dem Jet ins Büro: So sieht die Zukunftsvision von Lilium Aviation aus.

Mit dem Jet ins Büro: So sieht die Zukunftsvision von Lilium Aviation aus. Grafik: Lilium

Außerdem könne man mit solchen kleinen Fluggeräten erstmals jedem Ort in Deutschland eine Hochgeschwindigkeits-Anbindung zur Verfügung stellen: "ICE oder Autobahn sind extrem teure Infrastrukturen, die normalerweise Großstädten vorbehalten bleiben", so Wiegand. Für die Flugzeuge müsse eine Gemeinde hingegen nur 100.000 Euro in einen Start- und Landeplatz investieren. "Das kann man allein aufgrund der Infrastruktur-Kosten mit keinem anderen Verkehrsmittel machen." So könne quasi ganz Bayern zu einem erweiterten Teil der Metropolregion München werden.

Doch bislang ist Deutschland für eine derartige Revolution der Fliegerei noch gar nicht bereit, denn dafür sind der Luftraum und die Fliegerei viel zu streng limitiert. Wiegand ist jedoch davon überzeugt, dass es beispielsweise möglich wäre, eine 100-spurige Luftstraße zwischen Stuttgart und München zu definieren, da Lilium-Jets viel niedriger als kommerzielle Flugzeuge fliegen. Und genau an dieser Stelle kommt dann wieder Dorothee Bär ins Spiel. Der Staatsministerin obliegt es, die Republik für solche Zukunftstechnologien fit zu machen. Damit uns die ausländische Konkurrenz nicht wieder einmal (elektrisch) davonfährt.


AZ-Interview

Frank Thelen: "Das ist die Antwort auf Diesel-Fahrverbote und blaue Plaketten"

Der 42-Jährige verdiente mit Software-Entwicklung Millionen. Inzwischen ist er als Investor tätig und unter anderem aus "Die Höhle der Löwen" bekannt.

Frank Thelen war einer der ersten Lilium-Geldgeber, investierte zudem unter anderem in die StartUps MyTaxi, Wunderlist und kaufDA. Mit der AZ sprach er über seine Lilium-Beteiligung, die künftige Digital-Staatsministerin, Gründerkultur in Deutschland und die neue Staffel der Vox-Gründershow.

AZ: Herr Thelen, Sie haben vor rund zwei Jahren in Lilium investiert. Was war der Grund für dieses Investment?
Frank Thelen: Der Lilium Jet hört sich erst mal verrückt an, aber durch die Kombination neuer Technologien wird das Flugtaxi bald Wirklichkeit.  Das Gründer-Team um Daniel Wiegand ist sehr stark und diversifiziert. Jeder Gründer beherrscht einen anderen wichtigen Aspekt des Flugzeugbaus. Wir wussten dieses besondere Team hat eine gute Chance das weltweit führende Flugtaxi in München zu bauen.

Spielte es bei dem Investment eine Rolle, dass Lilium ein deutsches Unternehmen ist?
Ich investiere hauptsächlich in Deutschland und nicht in den USA oder in China. Der Grund: Wir sind stark ins Tagesgeschäft eingebunden. Ich coache die Gründer regelmäßig. Daher müssen wir uns häufiger persönlich treffen können. Das ist in Deutschland viel einfacher.

Dorothee Bär hat für ihre Vision von Flugtaxis viel Spott geerntet. Wie stehen Sie zu Bärs Aussagen?
Die Aufregung über Doro Bär zeigt unser Problem: Kaum denkt eine Politikerin weiter ohne dabei unsere aktuellen Defizite zu ignorieren, hagelt es dumme Kommentare. Diese "Erst-dann"-Bedenkenträger gefährden Deutschlands Zukunft. Wir müssen lernen größer zu denken. Ich bin froh, dass wir mit Doro Bär, aber auch mit Christian Lindner und Jens Spahn eine neue Generation von Politikern haben, die beim Thema "Taxi" ans Fliegen und nicht ausschließlich an einen beigefarbenen Diesel-Stinker von Daimler denken.

Elektromobilität ist zwar derzeit in aller Munde, aber eigentlich spricht man dabei immer nur von Fahrzeugen. Glauben Sie, dass die Diskussion nun im wahrsten Sinne des Wortes "abhebt", also eine neue Richtung bekommt?
Ich hoffe das. Mehrere Unternehmen wie Lilium Aviation und Volocopter arbeiten an Flugtaxis - und Prototypen fliegen bereits. Auch Uber geht davon aus, dass der Flugtaxi-Service ähnlich groß wird wie der Auto-Service. Das Beste: Mit Lilium Aviation wird der Energieverbrauch 100% elektrisch sein und effizient sein. Das ist die Antwort auf Diesel-Fahrverbote und blaue Plaketten.

Mit Dorothee Bär bekommt Deutschland erstmals eine Staatsministerin für Digitalisierung. War dieser Schritt überfällig?
Er war überfällig und geht absolut in die richtige Richtung. Noch besser wäre zwar eine "echte" Digital-Ministerin mit einem eigenen Ministerium gewesen. Aber ich will nicht nörgeln und freue mich, diesen wichtigen Meilenstein erreicht zu haben. Vielleicht darf ich Doro Bär ja unterstützen und noch in Ihrer ersten Amtszeit mit einem Lilium Jet ins Büro fliegen.

Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Themen, die Dorothee Bär in dieser Legislaturperiode angehen muss?
Leider kamen in den letzten Jahren keine internationalen digitalen Champions aus Deutschland. Fast alle führenden Firmen, Produkte und Technologien kommen aus den USA. Das muss sich dringend ändern, denn Deutschland muss in der Digital-Industrie endlich Bedeutung gewinnen. Voraussetzung dafür ist der schnelle und effektive Ausbau der Breitbandanbindung und des mobilen Netzes mit Technologien wie 5G. Auch unsere Behörden, Politiker und Schulen leben zu häufig noch im Fax-Zeitalter. Wir brauchen Tablets statt Schiefertafeln. Und eine Gründerkultur mit Mut. Es ist dringend notwendig, dass Doro Bär als Politikerin für diesen Startup-Spirit in Deutschland sorgt.

Zum Schluss kurz zur Höhle der Löwen: Die Dreharbeiten für die nächste Staffel laufen ja. Zuletzt gab es dort viele "Regal-Produkte" für Ralf Dümmel, Sie investierten vor allem in Food-StartUps. Gibt es in der neuen Staffel mehr Tech-Pitches?
"Die Höhle der Löwen" verbindet Startup-Investitionen und Entertainment. Wir konnten mehr als drei Millionen Zuschauer pro Folge begeistern. Sicherlich auch, weil für die Zuschauer Food- und Haushalts-Produkte besser zu verstehen sind als eine Blockchain-Business-Plattform. Eines darf ich aber schon verraten: In den neuen Folgen ab Herbst werden die Zuschauer mehr Technik und anspruchsvollere Produkte erleben.

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