Liedermacher Roland Hefter: "Mia san ned zum Nixtun geboren"
München - Man stelle sich das mal vor in diesen Zeiten: Es tun sich Musiker zusammen (die seit fast einem Jahr nicht mehr auf Bühnen dürfen), stellen sich unauffällig vor Seniorenheime (in denen Alte schon so lange einsam sind). Und singen und spielen einfach mal unbekümmert und fröhlich auf. Weil auch mal wieder musiziert und gelacht werden muss! Geht nicht? Geht doch!
Konzerte vor 60 Münchenstift-Altenheimen
Am 1. Mai nämlich passiert genau das, als Ersatz für all die schon wieder ausfallenden Maifeiern. Initiiert hat die schöne Aktion die Josef-und-Luise-Kraft-Stiftung, mit dabei sind 60 Heime der Münchenstift, vom Roten Kreuz, der Awo und einigen kirchlichen und privaten Häusern in ganz Bayern. Mit dabei ist auch der Liedermacher Roland Hefter, der als SPD-Stadtrat in München OB Dieter Reiter als Begrüßungsredner vertreten darf.
Das letzte Mal hat Hefter beim "Sommer in der Stadt" gesungen
AZ: Herr Hefter, freuen Sie sich schon? Sie haben auch schon lang nicht mehr öffentlich singen dürfen, gell?
ROLAND HEFTER: Stimmt. Das letzte Mal hab ich letzten Sommer beim 'Sommer in der Stadt' meine Liadl singen dürfen, am Wittelsbacherplatz, am Gasteig und im Werksviertel. Danach hab ich bloß noch eine neue CD aufgenommen, Videos gemacht, gestreamt - und Wohnung renoviert, was man halt so macht in der Pandemie. Davor war ich 200 Mal im Jahr auf der Bühne. Und auf einmal nix mehr. Des is scho krass.
Wie vielen Musikern in München ist das wohl so gegangen wie Ihnen?
Ich schätz mal, mit der Klassik so rund um 5.000 Professionellen. Aber auch 5.000 semiprofessionellen Kollegen, die haben neben der Musik noch irgendwelche Halbtagsjobs.
Musiker "san ned zum Nixtun geboren"
Die hatten zwar eine Beschäftigung, aber finanziell keinen Vorteil, oder?
Überhaupt keinen Vorteil, weil die Kollegen mit den Halbtagsjobs bei den Hilfen für Soloselbständige total aus dem Raster gefallen sind. Da hat's keinen Cent als Ersatz für die entgangenen Einnahmen gegeben. Blöd für einen, der halbtags in der Gastro war, zum Beispiel. Der hat nur noch Kurzarbeitergeld ohne Trinkgeld. Da kommst in München nicht weit. Gottseidank hat es den erleichterten Zugang zu Hartz IV gegeben, da ist in kritischen Fällen wenigstens die Miete übernommen worden. Es hat, soweit ich weiß, also kein Kollege seine Wohnung verloren.
Wie verträgt ein Musiker ein Leben ohne Bühne, ohne Band, ohne Proben zusammen?
Da geht's uns wie den Wirten und den Schaustellern: Mia san ned zum Nixtun geboren. Wir müssen raus, unter d'Leut. Wir brauchen den Kontakt. Wir wollen spielen!
Früher tourte Hefter 50.000 Kilometer durch Bayern
Wie haben Sie das für sich gelöst?
Ein Witz eigentlich. Anstatt dass ich ein Packerl zur Post bring, setz ich mich ins Auto und fahr es selber irgendwo nach Bayern. Dass ich rauskomm, dass ich was zu sehen kriege. Ich bin ja früher mit meinem Musikerwohnmobil 50.000 Kilometer durch Bayern getourt im Jahr. Und gern! Ich schau mir's Land halt so gern an.
Hat es bei Ihnen geklappt mit den Hilfen? 200 ausgefallene Konzerte, das ist ja schon viel.
Ja, die Hilfen sind spät gekommen, aber sie sind gekommen. Über das Coronajahr hab ich brutto so ungefähr ein Fünftel von dem gehabt, was ich mir sonst hätt erspielen können.
Hat das gereicht?
Du kannst ja eh nicht essen gehen, in den Urlaub fahren auch nicht, drum hat das gut gereicht, ich koch ja jetzt selber. Und als Stadtrat bekomm ich auch noch was.
Konzert-Aktion: 100 Musiker spielen vor Seniorenheimen
Was singen Sie denn jetzt am 1. Mai für die Senioren?
Ich überleg noch, ich hab auf jeden Fall die Gitarre dabei. Es werden, soweit ich weiß, 100 Musiker unterwegs sein und immer allein oder zu zweit vor einem Seniorenheim spielen. Wir sagen jetzt auch öffentlich nicht, wer da wann wo is, damit keine Menschenaufläufe kommen. Das wär ja wieder verboten, und es is ja für die Heimbewohner.
Ihre Eltern leben nicht im Altenheim, oder?
Nein, und die san gsund und denen geht's gut, gottseidank. Drum jammere ich persönlich auch überhaupt ned. Aber ich bin auch im Verein "Ein Herz für Rentner". Ich weiß, wie einsam viele daheim und in den Altenheimen sind. Und ich find's ein Unding, dass viele, obwohl sie geimpft san, immer noch kein normales soziales Leben haben dürfen. Das muss in jedem Fall im Stadtrat auf den Tisch. Aber jetzt freu ich mich erst mal auf die Aktion.
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