"Liebesschlösser" an der Thalkirchner Brücke

Sie stehen für die ewige Liebe ihrer Besitzer: Kleine Vorhängeschlösser, die Verliebte an Brücken hängen und abschließen. Bei Bayerns Stadtverwaltungen rufen die „Liebesschlösser“ alles andere als romantische Gefühle hervor.
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Schlösser als Zeichen der Liebe - im Bild an der Thalkirchner Brücke in München.
AZ/Stephan Jansen, dpa Schlösser als Zeichen der Liebe - im Bild an der Thalkirchner Brücke in München.

Sie stehen für die ewige Liebe ihrer Besitzer: Kleine Vorhängeschlösser, die Verliebte an Brücken hängen und abschließen. Bei Bayerns Stadtverwaltungen rufen die „Liebesschlösser“ alles andere als romantische Gefühle hervor.

München - Die Thalkirchner Brücke schwingt für einige Sekunden, als das Auto die schmale Holzbrücke zum Tierpark überquert. Dann trabt ein Jogger über die weinrot gestrichene Holzfachwerk-Konstruktion. Unter ihr gleiten Schwäne lautlos durch die Isar. Die romantische Kulisse nutzen immer mehr Verliebte dazu, ihre Gefühle mit einem besonderen Treueschwur zu besiegeln: Sie schließen kleine Vorhängeschlösser, „Liebesschlösser“ genannt, an die Brücke, und werfen den dazugehörigen Schlüssel in den Fluss.

Eines der zahllosen Schlösser stammt von Andreas Hottarek. Er habe damit seine Frau Petra überrascht, sagt der 47-Jährige. Die Idee kam ihm nicht in München, sondern am anderen Ende der Welt: „Bei einer Geschäftsreise war ich an der Chinesischen Mauer in Peking. Dort gibt es auch ein Seil, an das Ehepaare ihre Schlösser hängen.“ Inspiriert von dem chinesischen Brauch machte Hottarek die Thalkirchner Brücke beim Joggen als standesgemäßen Ort für sein Vorhaben aus: „Ich habe ein Schloss gekauft und mit einer Feile unser Hochzeitsdatum eingeritzt, den 4. August 1988, und es dann an die Brücke gehängt.“

Pünktlich am Hochzeitstag im August 2011 habe er seine Frau dann auf die Brücke gelotst und sie beiläufig auf das besonders schöne Schloss aufmerksam gemacht. „Das war eine tolle Überraschung, meine Frau hat sich sehr gefreut.“ Rund 500 weitere Schlösser leisten Andreas Hottareks metallischem Liebesbeweis Gesellschaft an dem Geländer der 200 Meter langen Brücke zum Tierpark Hellabrunn.

Die Stadt München drückt ein Auge zu und will die Bügelschlösser hängen lassen – vorerst. „Die Schlösser sind kein Massenphänomen und werden geduldet, solange sie die Bausubstanz nicht bedrohen. Wenn aber die Masse überhandnimmt, werden wir tätig“, sagt Jürgen Marek, Sprecher des Baureferats München. Ähnlich verfährt die Stadt Passau, wie Stadtsprecherin Karin Schmeller bestätigt. In anderen Städten Bayerns sind die Schlösser den Verwaltungen ein Dorn im Auge. Denn während alte Liebe dem Sprichwort nach bekanntlich nicht rostet, kann Gleiches nicht für die Schlösser gelten.

„Wir in Bamberg haben Hunderte an der Kettenbrücke hängen. Wegen der Korrosion des Brückenstahls durch den Kontakt mit den Metallschlössern sehen wir sie mit großer Skepsis, sie sind ein echtes Problem. Noch dulden wir sie“, sagt Claus Reinhardt, Sprecher des Baureferats Bamberg. Ähnliche Töne kommen aus dem Tiefbauamt Regensburg, Amtsleiter Alfons Swaczyna hält die Schlösser am Eisernen Steg und am Grieser Steg für höchst problematisch. In Nürnberg und Würzburg ist das Phänomen der Liebesschlösser den Stadtverwaltungen nicht bekannt.

„Das mit den Schlössern hat vor ungefähr drei Jahren angefangen und seitdem werden es immer mehr“, sagt Raimund Mikschy. Er arbeitet in einem Imbiss direkt an der Thalkirchner Brücke und findet, dass sie eine schöne Idee sind. „Immer wieder fragen mich Leute, ob sie bei uns ein Schloss kaufen können.“ Die muss er aber enttäuschen, denn Schlösser habe er nicht im Sortiment. Besonders beliebt ist der Brauch in Italien, befeuert durch den Roman „Ich steh auf dich“ des italienischen Schriftstellers Federico Moccia (2006).

In Rom war es zeitweise verboten, die Schlösser aufzuhängen, da eine Laterne unter dem Gewicht tausender Schlösser umgeknickt war. In Thalkirchen ist der Anblick für Passanten noch ungewohnt, viele bleiben stehen und beäugen die metallischen Kleinode. Die Schlösser tragen die Namen oder Initialen der Liebenden eingraviert, oft in einer verschnörkelten Schrift.

Hoch im Kurs bei den Anna&Bens, Andi&Manus, Kati&Timos stehen auch Herzchengravuren und Jubiläumsdaten. Ein mit schwarzem Filzstift bekritzeltes Schloss hängt einträchtig neben der aufpolierten Variante mit Hochzeitsbild.

Dass Ewigkeit ein dehnbarer Begriff ist, gilt indes auch für die Liebesschlösser. In Thalkirchen müssen 50 von ihnen wegen Korrosionsspuren an der Brücke bald abgeknipst werden, sagt Baureferats-Sprecher Marek. „Wir werden sie aber im Bauhof aufbewahren, damit die Besitzer sie abholen können.“ Ob das passiert, weiß er nicht. Schließlich ist zu vermuten, dass so manches Metallschloss länger hält als die Liebe seiner Besitzer.

 

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