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Lichtermeer-Demo in München: Die Polizei muss die Teilnehmer-Zahl deutlich korrigieren

Ein breites Bündnis in München hatte dazu aufgerufen, erneut ein Zeichen zu setzen für Demokratie und gegen Rassismus, Antisemitismus und Hetze. Bis zu 100.000 Menschen kamen am Sonntag auf die Theresienwiese. Der Live-Blog der AZ zum Nachlesen.
von  Jan Krattiger
Menschenauflauf unter der Bavaria: Bis zu 100.000 Menschen versammelten sich zur Lichtermeer-Demo auf der Theresienwiese.
Menschenauflauf unter der Bavaria: Bis zu 100.000 Menschen versammelten sich zur Lichtermeer-Demo auf der Theresienwiese. © Jan Krattiger

München - Es war eine beeindruckende Szenerie und lieferte ein eindeutiges Statement: Nach der Großdemo vom 21. Januar rund um das Siegestor, die wegen zu vielen Teilnehmern abgebrochen werden musste, nutzten die Münchner am Sonntag erneut eine Gelegenheit, ein Zeichen zu setzen. Sie positionierten sich "für Demokratie, gegen Rechtsextremismus, Antisemitismus und Hetze". 

Es ging also nicht mehr pauschal "gegen rechts" wie noch im Januar, was sich auch im Programm niederschlug: Im Zentrum stand am Sonntag nämlich ein stilles Zeichen, ein "Lichtermeer" auf der Theresienwiese. Alle Teilnehmer waren dazu aufgerufen worden, ein Licht mitzubringen und aus Sicherheitsgründen auf offenes Feuer zu verzichten.

Die AZ beendet die aktuelle Berichterstattung von der Lichtermeer-Demo und bedankt sich für das rege Interesse der Leser. 

+++ Nach gut einer Stunde: Lichtermeer-Demo auf der Theresienwiese endet +++

Nach gut einer Stunde war bereits alles vorbei – das war's mit der Lichtermeer-Demo auf der Theresienwiese. Was bleibt, ist das Staunen über eine Teilnehmerzahl, die weit über die Erwartungen hinausging und ein starkes Zeichen aus München für Weltoffenheit, Toleranz und Demokratie. 

+++ Bis zu 100.000 Menschen auf der Theresienwiese: Polizei korrigiert Zahl nach oben +++

Die Münchner Polizei war im Vorfeld der Lichtermeer-Demo eher vorsichtig, was die Schätzung der Teilnehmerzahl anging und erwartete rund 30.000 Teilnehmer. Zu Beginn der Veranstaltung sprachen die Beamten dann von rund 20.000 bis 25.000 Menschen auf der Theresienwiese, während sich die Organisatoren bereits für 300.000 Teilnehmer beglückwünschten. 

Ganz so viele Demonstranten waren es wohl dann doch nicht, aber mittlerweile hat auch die Polizei ihre Zahlen deutlich nach oben korrigiert. So sind nach Angaben der Münchner Beamten zwischen 75.000 und 100.000 Menschen auf die Theresienwiese gekommen, um gegen Rechtsextremismus, Hass und Hetze zu demonstrieren. 

Ein Lichtermeer in München: Tausende Menschen bringen die Theresienwiese zum Leuchten.
Ein Lichtermeer in München: Tausende Menschen bringen die Theresienwiese zum Leuchten. © Ben Sagmeister

+++ Uneinigkeit bei Organisatoren und Polizei über Teilnehmerzahl +++

Für die Organisatoren der Lichtermeer-Demo ist die Kundgebung ein voller Erfolg. Unter dem Jubel der Anwesenden sprachen die Veranstalter von 300.000 Teilnehmern – eine Zahl, die die Polizei aber nicht bestätigen wollte. Die Beamten gehen von deutlich weniger Menschen auf der Theresienwiese aus. Einer ursprünglichen Schätzung nach rechnete die Münchner Polizei mit etwa 30.000 Teilnehmern.

+++ Tausende Menschen bringen Theresienwiese zum Leuchten – 1860-Fans beteiligen sich +++

Es ist dunkel geworden über München, aber nicht auf der Theresienwiese. 20.000 bis 25.000 Menschen sind laut Polizei mittlerweile vor Ort und bringen das Gelände mit Taschenlampen, Smartphones sowie anderen Lichtquellen zum Leuchten. Rund 3,5 Kilometer Luftlinie entfernt schließen sich die Fans des TSV 1860 der Aktion an. Während des zeitgleich stattfindenden Heimspiels der Löwen gegen Ingolstadt erstrahlt die Fankurve im Licht der Handyblitzlichter – ein starkes Zeichen der Fußballanhänger!

Solidarische Unterstützung der Lichtermeer-Demo von den Fans des TSV 1860.
Solidarische Unterstützung der Lichtermeer-Demo von den Fans des TSV 1860. © Florian Weiß

+++ "Es ist kein Tag zu früh, sich einzusetzen": Demonstranten wollen gegen Hass und Hetze aufstehen +++

Die AZ trifft Kunsthistorikerin Yvonne Dudziak (67) und der Informatiker Michael Kloe (66) kurz vor Veranstaltungsbeginn. "Ich bin hier, weil das erste Bürgerpflicht ist, gegen Hass und Hetze aufzustehen." Er habe "einfach das Bedürfnis, dagegen anzukämpfen", sagt Kloe. So geht es auch Sabine Kirstein (59), die mit selbstgemaltem Plakat auf die Wiesn gekommen ist. "Es ist kein Tag zu früh, sich für die Demokratie einzusetzen", sagt sie. Und ergänzt nachdenklich: "Vielleicht ist es sogar schon zu spät."

Sabine Kirstein (59) sorgt sich, dass es im Kampf gegen Hass und Hetze bereits "zu spät" sein könnte.
Sabine Kirstein (59) sorgt sich, dass es im Kampf gegen Hass und Hetze bereits "zu spät" sein könnte. © Hannes Magerstädt

Tina Peter (49) ist in ihrem Rollstuhl zur Theresienwiese gekommen. Sie fühlt sich erinnert an die Situation 1933. Und sagt, sie wünsche sich, dass die etablierten Parteien klarer die Stimme ergeben. Veranstaltet wurde das Lichtermeer von mehreren Vereinen und Organisationen. Unter anderem Fridays for future München, München ist bunt, das Bellevue di Monaco oder der Verein Morgen haben aufgerufen, sich am Lichtermeer (ohne offenes Feuer) zu beteiligen. Am 21. Januar waren laut Veranstalter 200.000 Menschen zum Siegestor gekommen. Es wurde so voll, dass die Behörden die Veranstaltung aus abbrachen.

Tina Peter (49) macht klar, was sie von der AfD hält.
Tina Peter (49) macht klar, was sie von der AfD hält. © Hannes Magerstädt

+++ Polizei rechnet mit 30.000 Teilnehmern – auch OB Reiter dabei +++ 

Während am Nachmittag in München noch nicht viel von einer Großdemo zu spüren war, machen sich gegen 17.30 Uhr viele Münchner auf den Weg zur "Lichtermeer"-Veranstaltung. Gerade zahlreiche ältere Menschen schlängeln sich von der Hackerbrücke zur Theresienwiese. Auf dem Weg werden an verschiedenen Ständen Kerzen zum Verkauf angeboten. Die Polizei berichtet von derzeit circa 3.000 Menschen auf dem Demo-Gelände, spricht aber von einem "starken Zustrom" – die U-Bahnen und S-Bahnen seien voll mit ankommenden Teilnehmern. Rund 200 Beamte sind im Einsatz.

Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter, der eine Teilnahme bis zuletzt offen gelassen hatte, hat am Sonntagnachmittag ebenfalls sein Kommen angekündigt.

Lichtermeer für Demokratie auf der Theresienwiese: Welche Rednerin und welche Bands auftreten

Ganz still wird es aber nicht sein am Sonntag: Die Autorin, Filmemacherin und Menschenrechtsaktivistin Düzen Tekkal wird eine Rede halten. "Was im Netz passiert, ist das Eine. Aber das Entscheidende findet auf der Straße statt und wenn es so weit ist, auch an den Wahlurnen", sagt Tekkal zur AZ zu ihren Beweggründen, am Sonntag nach München zu kommen. Es gehe darum, "ein Zeichen zu setzen gegen die Demokratiefeindlichkeit, die nicht nur bei der AfD zu finden ist".

Düzen Tekkal wird bei der Demo "Lichtermeer für Demokratie" am Sonntag, 11.2. auf der Theresienwiese sprechen.
Düzen Tekkal wird bei der Demo "Lichtermeer für Demokratie" am Sonntag, 11.2. auf der Theresienwiese sprechen. © dpa/Christoph Soeder

Neben der Rede soll es auch zwei musikalische Darbietungen geben: Einmal vom "Fridays For Future"-Aktivisten und Musiker Bruneau (gemeinsam mit "Mondmann") und einmal vom ostfriesischen Musiker Enno Bunger, der im Januar auch schon bei großen Demonstrationen gegen Rechtsextremismus in Hamburg und Dresden aufgetreten ist.

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Ein breites Bündnis von mehr als 90 Gruppen und Institutionen ruft zur Lichtermeer-Demo auf. "Demokratie ist nicht etwas, das mit einem Kreuz auf einem Wahlzettel oder einer Demonstration erledigt ist", sagt Luc Ouali von Fridays For Future München. Die sei "gerade in Gefahr wie noch nie". Sein Ziel mit dem Lichtermeer: "Wir kommen zusammen, um über unser aller Rolle in der Demokratie zu sprechen".

Luc Ouali von Fridays For Future München.
Luc Ouali von Fridays For Future München. © Sigi Müller

Für eine "gute Idee" hält das Bayerns ehemaliger Kultusminister Michael Piazolo. Der Abgeordnete im Bayerischen Landtag machte in einem Post auf der Plattform "X" (ehemals "Twitter") klar, dass die Freien Wähler aus München zur Veranstaltung auf der Theresienwiese stehen. 

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Bernhard Purin, Direktor Jüdisches Museum in München: "Wichtig, genau jetzt zu protestieren"

Auch das Jüdische Museum ist eine der Institutionen, die dazu aufruft, am Sonntag dabei zu sein: "Ich gehe zur Demo, weil ich seit mehr als 20 Jahren in einer Kulturinstitution arbeite und miterlebt habe, wie in vielen Nationen meist (rechts-) populistische politische Kräfte versuchten, die Geschichte ihrer Gesellschaft umzuschreiben", sagt Direktor Bernhard Purin. "Die terroristischen Anschläge auf die Zivilbevölkerung in Israel vom 7. Oktober 2023 haben auch bei uns Antisemitismus ansteigen lassen – deshalb ist es wichtig, genau jetzt zu protestieren."

Bernhard Purin, Direktor des Jüdischen Museums München, ruft zur Teilnahme am "Lichtermeer" am Sonntag auf.
Bernhard Purin, Direktor des Jüdischen Museums München, ruft zur Teilnahme am "Lichtermeer" am Sonntag auf. © imago/B. Lindenthaler

Unterstützung erhalten die Demo-Veranstalter von vielen Seiten, zum Beispiel auch aus der Säbener Straße. "Die Haltung des FC Bayern ist bekannt: Unser Verein tritt mit seiner Initiative 'Rot gegen Rassismus' für Vielfalt, Toleranz und Weltoffenheit ein", sagt FCB-Präsident Herbert Hainer zur AZ. "München wird am Sonntag im Licht der Demokratie leuchten - ein sichtbares Zeichen aus der Mitte der Gesellschaft gegen Hass, Hetze und Ausgrenzung, die jeden Menschen bedrohen, der für die Basiswerte unseres Zusammenlebens steht."

Herbert Hainer, der Präsident des FC Bayern.
Herbert Hainer, der Präsident des FC Bayern. © Angelika Warmuth/dpa

TSV 1860 und FC Bayern unterstützen "Lichtermeer"-Demo am Sonntag

Und auch TSV 1860-Präsident Robert Reisinger sagt zur AZ: "Als Turn- und Sportverein München von 1860 unterstützen wir das Anliegen der Veranstalter. Unsere Vereinssatzung ist in dieser Frage eindeutig. Unsere Mitglieder sprechen sich darin klar gegen die Diskriminierung von Menschen ob ihres Geschlechts, ihrer Religion, Hautfarbe, Sprache, Herkunft oder ob einer Behinderung aus. Die Zivilgesellschaft ist gefordert, die Demokratie zu verteidigen, wenn ihre Feinde sie abschaffen wollen. Wir als Verein sind Teil der Zivilgesellschaft."

20.000 bis 30.000 Teilnehmer haben die Veranstalter für Sonntag angemeldet. Das städtische Kreisverwaltungsreferat (KVR) rechnet aber damit, dass mehr Menschen am Lichtermeer teilnehmen werden. Auch wenn das aktuell "noch schwer einzuschätzen" sei, geht das KVR "von mehr als der angezeigten Teilnehmerzahl aus und bereitet sich mit der Polizei entsprechend vor." Die Münchner Polizei wiederum, die rund 30.000 Teilnehmer erwartet, möchte erst am Sonntag bekanntgeben, mit wie vielen Beamten sie im Einsatz sein wird.

Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD): "Kann noch nicht sagen, ob ich teilnehmen kann"

Bedeckt hält sich am Freitag noch OB Dieter Reiter (SPD). Auf AZ-Anfrage, ob er am Sonntag teilnehmen werde, sagt Reiter: "Es ist gut, wenn am Sonntag wieder hoffentlich viele Menschen ein Zeichen setzen. Ich kann selbst noch nicht sagen, ob ich teilnehmen kann". Am Sonntag schließlich die Entscheidung: Der Oberbürgermeister wird an der Veranstaltung auf der Theresienwiese teilnehmen!

Es sei aber neben Demonstrationen auch "sehr wichtig, dass Politik und Zivilgesellschaft gemeinsam Wege finden, sich nachhaltig gegen Rechtsextremismus zu positionieren". Das sei das Thema seines Dialogs am 19. Februar.

Lädt nach der Demo zum Dialog: Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD).
Lädt nach der Demo zum Dialog: Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD). © Sigi Müller

Wie groß das zweite Münchner Zeichen gegen Rechtsextremismus und für die Demokratie wird, zeigt sich am Sonntagabend auf der Theresienwiese. Und es soll – zumindest wenn es nach den Organisatoren geht – auch nicht das letzte gewesen sein.

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