Leukämie-Patient: "Zwei Babys retteten mein Leben"

Als Franz-Josef Hechtl ums Überleben kämpft,  hat sein Arzt in Großhadern die rettende Idee: Eine neue Stammzellen-Therapie mit dem Blut  aus den Nabelschnüren von Neugeborenen hilft
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Nabelschnurblut rettete sein Leben: Franz-Josef Hechtl.
John Schneider Nabelschnurblut rettete sein Leben: Franz-Josef Hechtl.

Als Franz-Josef Hechtl ums Überleben kämpft, hat sein Arzt in Großhadern die rettende Idee: Eine neue Stammzellen-Therapie mit dem Blut aus den Nabelschnüren von Neugeborenen hilft

MÜNCHEN Die Situation hätte nicht dramatischer sein können. Franz-Josef Hechtl (45) litt an Leukämie, seine Blutwerte hatten lebensgefährliche Dimensionen erreicht. Die Ärzte gaben ihm nur noch wenig Zeit. Nicht einmal mehr drei Wochen.

Eine verzweifelte Lage. Trotz intensiver Suche seit dem ersten Ausbruch des Blutkrebses ein Jahr zuvor hatte sich kein Knochenmark-Spender für den Schreiner und Feuerwehrmann aus Markt Indersdorf gefunden. Trotz Typisierungsaktion in seiner Gemeinde, trotz weltweiter Suche bei 20 Millionen registrierten Spendern.
Keiner passte zu Hechtls Blutmerkmalen.

Es musste etwas geschehen. Da, im Oktober 2008 war es, griff sein Arzt Hans-Jochem Kolb in Großhadern zu einem ungewöhnlichen Mittel: Stammzellen-Präparate, die man aus dem Nabelschnurblut von Neugeborenen gewonnen hatte. Eine Therapie, die bis dato fast ausschließlich bei Kindern angewendet worden war.

Es funktionierte. „Zwei Babys haben mir das Leben gerettet”, sagt Hechtl heute. Ihm sind damals zwei Präparate transplantiert worden – gewonnen aus den Nabelschnüren eines belgischen und eines US-amerikanischen Babys.

Wie funktioniert das? Für Mutter und Kind ist der Eingriff ohne Risiko, das Blut wird erst nach der Abnabelung entnommen. Trotzdem muss natürlich erst das Einverständnis der Eltern eingeholt werden. Das Blut wird dann nach Gauting zur Aktion Knochenmarkspende Bayern (AKB) gebracht, dort zu Stammzellen-Präparaten verarbeitet und gelagert.

3700 Präparate bewahrt die AKB auf, 100 Mal wurden sie transplantiert: 100 Mal die Chance, ein Leben zu retten. Nabelschnurblutstammzellen haben – wenn die Blutmerkmale von Spender und Empfänger zueinander passen – den Vorteil, dass sie noch nicht so geprägt sind wie die Zellen eines erwachsenen Spenders. Dadurch sind sie toleranter und können in einem fremden Körper eher neue gesunde Blutzellen bilden.

Wann kommt Nabelschnurblut zum Einsatz? Wenn kein erwachsener Spender gefunden wird. Das ist bei etwa einem Viertel der Leukämie-Patienten der Fall. Spenden Erwachsener haben den Vorteil, dass man bei einem Rückfall wieder auf den Spender zurückgreifen kann. Die Menge an Stammzellen beim Nabelblut ist begrenzt, sie reicht höchstens für eine Behandlung.

Wie groß sind die Erfolgsaussichten? Hechtls Arzt Hans-Jochem Kolb und Hans Knabe, Geschäftsführer der AKB, schätzen die Erfolgsquote auf 50 bis 70 Prozent. Eine gute Quote, da man es ja mit den schwersten Fällen zu tun hat. Dass seine Chancen 50:50 stehen, habe man ihm damals „knallhart” gesagt, erinnert sich Hechtl. Die Zuversicht habe er dennoch nie verloren: „Ich war schon immer so.”
Trotz seines positiven Gemüts: Die Zeit im Krankenhaus war für den Feuerwehrmann sehr hart. Sechs bis acht Wochen dauerte es, bis die Therapie anschlug. Eine Zeit in der Hechtl abgeschirmt auf dem Isolierzimmer lag. Jeder Keim hätte seinen Tod bedeuten können. Erst kurz vor Weihnachten habe sein Arzt gesagt, er werde es schaffen.
Hechtl läuft wieder, hat zwei Halbmarathons geschafft, arbeitet als Schreiner und engagiert sich als Feuerwehrmann. Dank der Babys.

Und gelernt hat er auch etwas: „Ich mach’ mir keinen Stress mehr. Schnell noch dies, schnell noch das, das gibt’s bei mir nicht mehr.” Dafür hat er ein neues großes Ziel: „In Wien nächstes Jahr will ich den Marathon mitlaufen.

 

Nicht jedes Baby kann Nabelschnurblut für Leukämie-Patienten spenden. Die endgültige Entscheidung, ob bei der Geburt eine Spende medizinisch möglich ist, muss der Gynäkologe oder die Hebamme treffen.

Die gesetzlichen Ausschlusskriterien werden mit Hilfe eines Fragebogens (auf www.akb-germany.de) abgefragt. Dieser soll drei bis vier Wochen vor dem Geburtstermin ausgefüllt werden. Da muss dann alles stimmen. Bei Risikogeburten etwa wird kein Nabelschnurblut entnommen.

In München gibt es sieben Entbindungskliniken, die mit der AKB eine Nabelschnurblutspende anbieten: Maistraße, Großhadern, Taxisstraße, Dritter Orden, Harlaching, Neuperlach und Schwabing. Anderswo ist die Spende nicht möglich, denn es braucht viel Erfahrung und Übung, um gute Präparate herzustellen. Bei Fragen hilft die AKB-Hotline: Tel.  089-89 32 66 225.
Helfen kann man aber auch anders: Jedes Präparat aus Nabelschnurblut kostet über 1000 Euro. Die AKB ist dabei auf Spenden angewiesen. Das Stiftungskonto: Aktion Knochenmarkspende Bayern, Kreissparkasse München-Starnberg-Ebersberg, BLZ: 702 501 50, Konto: 2239 4480.

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