Letztes Amtsjahr von Küppers: Wo steht München?

München - Der heutige Kulturempfang des Oberbürgermeisters Dieter Reiter ist immer eine gute Gelegenheit zu einer Bestandsaufnahme. Wo steht die Münchner Kultur, wo will sie hin? Seit Kulturreferent Hans-Georg Küppers 2007 das chaotische Erbe von Lydia Hartl übernommen hatte, ist wieder Ruhe und Struktur in die städtischen Kulturdebatten- und Entscheidungen eingekehrt.
Die Etats stiegen langsam, aber stetig, und der Referent hält sich nicht für den wichtigsten Künstler der Stadt, sondern schlicht für einen "Ermöglicher". Küppers ist ein Mensch, dem die flächendeckende Versorgung der wachsenden Millionenstadt mit Stadtteilkulturzentren und öffentlichen Bibliotheken mindestens so sehr am Herzen liegt wie die Leuchtturmprojekte.
Nun läutet er sein letztes Amtsjahr ein. Vieles hat er auf den Weg gebracht, aber mit der Personalentscheidung für Matthias Lilienthal als Intendant der Kammerspiele hat Küppers’ Bilanz auch Kratzer abgekriegt. Sie war nicht zwingend falsch, allein der bekannteste T-Shirt-Träger der Stadt erwies sich beratungsresistent. Die Suche nach dem neuen Kulturreferenten ist nun eine ebenso dringliche Aufgabe wie die Neubesetzung des in zwei Jahren ausscheidenden Intendanten der Kammerspiele.
Münchner Filmfest
Der bayerische Ministerpräsident hat auf einer Pressekonferenz kurz vor Filmfeststart verkündet, "Bayern denken, heißt größer denken" und "München sei schöner als Berlin". Das wurde als klare Kampfansage an die Berlinale verstanden und als Auftrag an das Filmfest München, nach den Sternen zu greifen. Da Söder auch noch den Satz fallen ließ, "Geld schießt Tore", und dem Filmfest ab kommenden Jahr 3 Millionen mehr versprach, hat das Filmfest dann mindestens 6,5 Millionen Euro.
Damit stellt sich die Frage: Was macht die Landeshauptstadt München mit dem Filmfest? Schließlich ist die Stadt gleichberechtigte Gesellschafterin. Sie müsste nachziehen, um auf Augenhöhe mit dem Freistaat zu bleiben. Zumindest etwas. Aber vor einer städtischen Erhöhung muss man klar fragen: Welche neuen Inhalte oder Erweiterungsideen rechtfertigen ein größeres Engagement mit Steuergeldern?
"Rund 80.000 Zuschauer" bilanzierte das diesjährige Filmfest München zum Abschluss. Die hatte der damalige Filmfestleiter Andreas Ströhl auch schon 2009 – mit einem Budget in Höhe von 1,5 Millionen Euro. Vielleicht schießt Geld doch nicht immer Tore.
Münchner Philharmoniker
Valery Gergiev zum Chefdirigenten der Münchner Philharmoniker zu machen, war keine genuine Idee des Kulturreferenten, sondern eine von Paul Müller, dem Intendanten des Orchesters. Gergiev dirigiert zwar viel, aber seine Konzerte sind regelmäßig Generalproben für andere Konzerte.
Die Klangkultur der Münchner Philharmoniker hat unter Gergievs fahrigem Stil allerdings nicht gelitten, insgesamt wirkt das Orchester stabil. Seine Repräsentanten beteuern, Gergiev habe viele tolle Ideen für die Zeit, in der die Philharmoniker in Thalkirchen spielen müssen, man könne aber im Moment leider nichts verraten. Schaun mer mal.
Open Air
Jedes Jahr veranstaltet die Bayerische Staatsoper ein Gratis-Konzert am Marstall- oder Max-Joseph-Platz. Dazu gibt es die Live-Übertragung einer Aufführung unter dem Motto "Oper für alle" als Volksfest. Das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, das sich vom gesamtbayrischen Steuerzahler einen eigenen Konzertsaal im Werksviertel schenken lässt, verlangt bei "Klassik am Odeonsplatz" dagegen Eintritt, die städtischen Münchner Philharmoniker ebenfalls. Warum geht das nicht gratis wie in Nürnberg?
Biennale
Unter Küppers übernahmen die Klangbastler Daniel Ott und Manos Tsangaris die Musiktheater-Biennale. Die wurde von Hans Werner Henze einmal als städtisches Renommier-Festival begründet. Ott und Tsangaris bevorzugen Klangkunst und performative Formen des Musiktheaters. Leider nicht die guten, sondern eher die provinziellen. Die Grenze zwischen der Biennale und "Spielart" ist fließend, nur sind dort die Produktionen besser. Besucht wird dieses Festival seit jeher von einer Handvoll Unentwegter. Die werden nicht mehr, und die internationale Strahlkraft des Festivals hat nachgelassen. Wenn Ott und Tsangaris nicht mit der dritten Ausgabe die Kehrtwende schaffen, sind sie reif für eine Auswechslung.
Münchner Stadtmuseum
Am Jakobsplatz gab es mal großartige Ausstellungen: "Nationalrausch" zum Oktoberfest, "Die Zwanziger Jahre in München", "Die Isar – ein Lebenslauf". Und zwar trotz verwinkelter, schwieriger Räume. Lange ist’s her. Damals hatte das Münchner Stadtmuseum noch viel mehr Geld dafür. 2020 beginnt der teure Umbau. Für Bauen ist immer Geld da. Das Stadtmuseum bräuchte vor allem aber einen Etat für Ausstellungen, um seine reichen Bestände angemessen zu präsentieren.
Großbauten
Der Neubau des Volkstheaters schreitet voran, die Generalsanierung des Gasteig befindet sich auf einem guten Weg, die Planungen für die InterimsPhilharmonie und die anderen Provisorien in Sendling sind ebenfalls im Zeitplan. Irritierend wirkten allerdings die drei ersten Preise für drei sehr unterschiedliche Projekte beim am Freitag vor Pfingsten abgeschlossenen Architekturwettbewerb für den neuen Gasteig. Angeblich seien alle drei Projekte gleich gut und dennoch gleich nachbesserungsbedürftig gewesen. Das schmeckt nach Beschwichtigungs-Rhetorik.
Hoch X
Ohne Geld kommt auch die sogenannte "Freie Szene" der Darstellenden Künste nicht aus. Hier hat Küppers in seiner Amtszeit die städtischen Zuwendungen deutlich erhöht – die Stimmung aber bleibt gedämpft. Logischerweise werden nicht alle eingereichten Projekte gefördert – und es gibt auch keinen "Bestandsschutz" für die wilden Kerle, die in den 70er Jahren schon München Kulturwelt aufzumischen glaubten.
Im HochX, dem Hauptspielort der Freien Szene, laufen die für förderungswürdig befundenen Projekte meist nur zwei Abende. Und das ist das Problem: Viel zu selten gelingt es den Künstlern der Freien Szene jenseits der Entenbachstraßen Publikum zu finden, so gibt es Projekte fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit.
Auch beim unter Küppers gegründeten Festival "Rodeo" schmoren die Münchner Freien im eigenen Saft. Dass es keine spielende, performende oder tanzende Gruppe aus dieser Stadt mit überregionaler Strahlkraft gibt, ist zwar nicht die Schuld des Kulturreferats. Aber womöglich ein Problem der Strukturen. Vielleicht wäre es besser, mal in die Niederlande zu schauen, wo so etwas funktioniert. Aber Veränderungen der Theaterförderung führen regelmäßig zu großem Geschrei, das man im Rathaus scheut.
Visionen
Dass der alljährlich in wechselnden städtischen Kultureinrichtungen ausgetragene Empfang heute in der Muffathalle stattfindet, hat natürlich einen guten Grund. Das Muffatwerk feiert 25. Geburtstag. Die damals kommunal höchst ungewöhnliche Konstruktion mit privater Trägerschaft und öffentlicher Unterstützung ist ein durchschlagendes Erfolgsmodell, in keiner anderen Kultureinrichtung haben so viele verschiedenen Münchner Szenen ihre Heimat gefunden.
Das Muffatwerk brummt. Aber es wird höchste Zeit, dass man mal wieder ähnlich revolutionäre Ideen auf den Weg bringt.