Letzte Ruhe unterm Baum

Die klassischen Erdbestattungen gehen seit Jahren zurück. Die Gründe, die Alternativen.
Isabella Sauer |
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Neue Urnen-Nischen auf dem Waldfriedhof.
Isabella Sauer 2 Neue Urnen-Nischen auf dem Waldfriedhof.
Stamm statt Grabstein – hier auf dem Münchner Waldfriedhof.
Isabella Sauer 2 Stamm statt Grabstein – hier auf dem Münchner Waldfriedhof.

München - Derzeit sind mehr Menschen als sonst auf den Friedhöfen unterwegs. Und wer einen der 29 Münchner Friedhöfe besucht, dem fällt auf, dass einiges im Umbruch ist. Das gewohnte Bild: Erdgräber mit massiven Grabsteinen oder Kreuzen, die in Reih und Glied nebeneinander stehen, werden seltener – die Bestattungskultur hat sich gewandelt.

Weg von der Erd- hin zur Feuerbestattung. So sieht es in München aus, denn nur noch etwas mehr als ein Drittel (38 Prozent) aller Begräbnisse sind Erdbestattungen. Viel häufiger wird die Feuerbestattung (62 Prozent) gewählt.

Edith Öxler, Leiterin der evangelischen Altenheimseelsorge im Dekanatsbezirk München, weiß, warum das so ist: „Der Gedanke, dass der Tote vermodert, ist für viele Menschen sehr unangenehm, ebenso die bei der Erdbestattung früher allgemein übliche Absenkung des Sarges sowie das Kondolieren am offenen Grab.“ Dies seien schmerzliche Momente bei einer Beerdigung, die den Verlust des Menschen sehr deutlich machten.

Gab es im Jahr 1990 noch 8450 Sargbestattungen in München, so waren es 2014 nur noch 4070. Im Vergleich dazu gab es 1990 genau 5059 Urnenbeisetzungen und im vergangenen Jahr 6557. Ein weiterer Grund für die steigende Zahl der Feuerbestattungen sieht die Sprecherin des Umweltreferats Katrin Zettler in der aufwendigen Grabpflege. „Für viele Angehörige ist es schwierig, eine Grabpflege zu übernehmen, denn die Gesellschaft wird immer mobiler. Bei einer Urnenanlage entfällt die Pflege und sie ist somit für viele eine gute Alternative“, sagt Zettler.

Vermehrte Urnenbestattungen sehen allerdings nicht alle positiv. Vor allen Dingen nicht, wenn sie anonym ablaufen. Bei dieser Art des Begräbnisses wird auf einen Grabstein verzichtet. Außerdem ist bei der Beisetzung des Toten in der Regel keiner anwesend. Bestattermeister Ralf Hanrieder bedauert den Anstieg von anonymen Urnenbeisetzungen. Allerdings müsse jeder selbst entscheiden, welche Bestattungsart er möchte. Als größtes Problem sieht er: Hinterbliebenen fehlt ein konkreter Ort zum Trauern.

Wichtig bei einer Feuerbestattung hingegen ist, dass eine schriftliche Erklärung des Verstorbenen vorliegt. Nur dann kann sie vollzogen werden. Liegt das Schriftstück nicht vor, muss ein Angehöriger nachweisen, dass der Verstorbene diese Art der Beerdigung gewollt hat.

Von solch einem Fall weiß auch Ingrid B. (Name von der Redaktion geändert). Sie ist häufig auf dem Westfriedhof, denn hier liegt nicht nur ihre Mutter, sondern auch eine alte Bekannte begraben. Ingrid B. hat vor einigen Jahren als Altenpflegerin gearbeitet und dadurch viele ältere Menschen kennengelernt. Eine alte Dame im Alter von 103 Jahren mochte sie besonders gerne. Auch nach dem Renteneintritt besuchte sie die Frau regelmäßig im Altenheim.

„Ich habe ihr an ihrem 103. Geburtstag noch persönlich gratuliert – und am nächsten Tag ist sie dann verstorben. Ihre Angehörigen wollten sie anonym beerdigen lassen, weil sie die Frau kaum kannten und nur entfernt mit ihr verwandt waren. Das konnte ich nicht zulassen, denn die alte Frau sollte ein würdiges Grab bekommen. Deswegen habe ich Kontakt zu den Verwandten aufgenommen und dann eine schriftliche Begründung ans Amt geschickt. Schließlich hat meine alte Freundin ein schönes Grab bekommen und ich pflege es jetzt“, erzählt sie und zündet eine Grabkerze an.

Wer sich für eine Feuerbestattung entschieden hat, aber keine Urnenbestattung möchte, der hat noch andere Möglichkeiten. Über moderne Urnenbeisetzungsformen berichtet Bestatter Ralf Hanrieder: „Es gibt eine Umwandlung von Teilen der Asche zu einem Diamanten. Außerdem steigt die Zahl der Naturbestattungen wie Baum-, Wald- und Wiesenbestattungen.“

Stichwort: Friedwald. Viele Kommunen rüsten derzeit ihre Friedhöfe mit Baumgrabstellen auf. Die Bestattung in einem Wald ist in München derzeit nur im neuen Teil des Waldfriedhofes möglich. Wer hier genauer hinsieht, der entdeckt einige Bäume, an denen kleine Messingschilder mit einem Namen und Geburts- sowie Sterbedatum angebracht sind.

Zudem werden auf diversen Münchner Friedhöfen mehrere Bäume neu angepflanzt, um der steigenden Nachfrage an Baumbestattungen in Zukunft nachzukommen.

In München naturgemäß weniger verbreitet ist hingegen der Wunsch für nach einer Seebestattung. Diese sei zwar generell möglich, aber im vergangenen Jahr nur zwölf Mal gewählt worden. Den Grund sieht die Stadt darin, dass nicht so viele Münchner – anders als Norddeutsche – eine persönliche Verbindung zum Meer haben.

Die Münchnerin Birgit F. (Name geändert) geht gerne in ihrer Freizeit auf verschiedene Friedhöfe und schaut sich Gräber an. „Für mich strahlt ein Friedhof so viel Ruhe aus“, sagt sie der AZ. Ihr persönlich sind einige neue Schmückarten der Grabstellen aufgefallen: „Früher gab es nicht so viele Engel auf den Gräbern. Jetzt hat jedes dritte Grab einen Engel. Entweder als Steinfigur oben auf dem Grabstein oder direkt darin eingraviert.“

Und es gebe nun auch wieder viel mehr Grabsteine, die ein Bild des Verstorbenen mit eingearbeitet hätten und zudem auch viel mehr Holzkreuze als früher.

Die 59-jährige Münchnerin hat noch eine weitere Auffälligkeit beobachtet: „Mittlerweile geht der Trend der Weihwasserbecken an den Gräbern zurück. Jetzt lässt sich nicht mehr eindeutig erkennen, ob auf den Friedhöfen ein Katholik, ein Protestant oder ein Andersgläubiger begraben ist.“

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