Letzte Grüße an "Mister Maximilianstraße"

Er war nicht krank: Humbert Saemmer, ein feines Urgestein unter den Münchner Traditions-Händlern. „Herzvorhofflimmern ist kein Grund für einen Herzinfarkt“, sagt seine Witwe Rosemarie traurig. Am 20. März ist ihr Mann, „Mister Maximilianstraße“ – und Münchens wohl bekanntestzer und beliebtester Teppichhändler – im Alter von 84 Jahren gestorben. In seinem Haus in Vaterstätten,
Den leisen, aber charismatischen Patron, kennen ganze Generationen an Münchner Kunden. Von 1955 bis 2012 hat der Vollblut-Geschäftsmann sein Teppichhaus in der Maximilianstraße 33. Wenn er nicht gerade im Iran oder in der Türkei neue Teppiche kauft, stand er jeden Tag im Laden, dessen Seele er war: hilfsbereit, ehrlich bis zum Gehtnichtmehr - und immer diskret.
Kämpferisch konnte er auch sein: Als die Stadt München, 1962, neben seinem Teppichhandel einen 47 Meter breiten Durchbruch für den Altstadtring plant, geht Humbert mit Architekten und Denkmalschützern erfolgreich auf die Barrikaden – immerhin zwei alte Häuser bleiben stehen.
Chinesischer Seidenteppich, Antik-Stück oder farbenfroher, unkomplizierter Kelim? In seinem 35-Quadratmeter-Reich aus Wolle und Seide, Mustern und Knoten, bediente Saemmer sechs Jahrzehnte lang junge Familien, und sogar „Hoheiten“ – höflich, verlässlich und umfassend.
Trotz der oberfeinen Adresse waren 90 Prozent seiner Kunden ganz normale Münchner Bürger. Für den Händler ist es eine Tragödie, als er 2012 die horrende Miete der Stadt München nicht mehr zahlen kann. Aus dem verbliebenen Fundus bediente er in Vaterstätten treue Kunden – und veranstaltet jährlich einen Verkauf im Zelt.
Sein großer, nobler Laden in der Maximilianstraße steht seitdem leer. Angeblich eröffnet dort demnächst eine Neuauflage des früheren „Café Roma“. Und gleich neben dran ist soeben erst der traditionsreiche „Schlichting“ in die Pleite gerutscht.
Ursprünglich stammt Humbert Saemmer aus der Au. Seine erste Frau ist Perserin. Weit über 20 Mal reist er geschäftlich in den Iran. Seinen hochwertigen Teppichhandel baut er sich alleine auf.
Bayerisch und bodenständig, ist der Macher bis zuletzt ein großer Menschenfreund. „Er war so positiv. Seine Leidenschaft waren seine Kunden und seine Teppiche. Auch als Geschäftspartner war er ein unheimlich angenehmer Mensch“, sagt Rosemarie Saemmer der AZ.
Die Buchhalterin lernte ihren unprätentiösen Mann im Laden kennen. Mit seinen Söhnen aus einer früheren Ehe, Alex und Tassilo, sowie mit Tanja, Rosemaries Tochter aus erster Ehe, bilden sie fortan eine frühe Münchner Patchwork-Familie.
„Humbert hat sich immer Gedanken um seine Familie gemacht. Er war sehr nett mit seinen vier Enkeln. Besonders das jüngste Enkelkind hat er genossen. Die vierjährige Ronja himmelte ihn an“, erzählt die Witwe.
Was Rosemarie Saemmer nach dem Tod ihres Mannes am meisten vermisst? „Alles an ihm! – und dass er immer etwas vorhatte.“
Im Urlaub wollten die beiden an der kroatischen Küste segeln. Neben seinen wertvollen Orient-Teppichen war das Boot, das am Chiemssee vor Anker liegt, seine zweite große Liebe.
Am gestrigen Montag ist Humbert Saemmer am Friedhof Vaterstetten zur letzten Ruhe gebttet worden.