Leiharbeiter und eine Streikbrecher-Prämie

MÜNCHEN - Ausstand der Gewerkschaft GDL im Nahverkehr: Die MVG kämpft mit harten Bandagen dagegen – zum Familientag auf der Wiesn wird der Streik am Dienstag zwar ausgesetzt, danach geht er wohl weiter.
Gute Nachrichten für alle Münchner, die auf die U-Bahn, Tram oder den Bus angewiesen sind: Die Gewerkschaft der Lokführer (GDL) hat überraschend angekündigt, sie werde den MVG-Streik am Familientag auf der Wiesn (Dienstag) unterbrechen. Ab vier Uhr treten die GDL-Fahrer wieder ihren Dienst an, teilte die dbb-Tarifunion mit. Ob und wie danach gestreikt wird, sei aber noch völlig offen, sagte eine dbb-Sprecherin der AZ. Man werde im Zweifel sehr „kurzfristig“ reagieren.
MVG-Chef Herbert König wertete die Unterbrechung als Schwäche: „Die Ankündigung der GDL ist keine Geste des guten Willens, sondern ein Zeichen der Verzweiflung“, sagte er. Es handele sich erklärtermaßen nur um eine Unterbrechung des irrwitzigen Streiks.
Am Montag noch waren viele U-Bahnen ausgefallen. Auch Trams und Busse ließen bis zu 20 Minuten auf sich warten. Am Morgen drängten sich hunderte Passten auf den Bahnsteigen. Viele kamen zu spät zur Arbeit oder in die Schule.
Man setze weiterhin auf das Gesprächsangebot der Arbeitgeber, sagte dbb-Verhandlungsführer Willi Russ gestern. Zuvor hatte MVG-Chef König seine Drohung wahrgemacht: Billige Leiharbeiter ersetzen ab sofort den Ausfall der streikenden Fahrer, hieß es. Die ersten Leiharbeiter seien am Montag gekommen, sagte MVG–Sprecher Christian Miehling der AZ. Sie würden im Laufe dieser Woche eingesetzt. Bisher seien es fünf an der Zahl, „eine weitere Aufstockung ist vorgesehen“.
Bei diesen Fahrern handele es sich um Busfahrer von Zeitarbeitsfirmen, so Miehling. Die MVG werde zudem „weitere Leistungen bei privaten Busunternehmen anmieten“. Mit dem Ersatz könne die MVG nach eigenen Angaben Kosten sparen. Miehling zur AZ: „Die Anmietkosten für private Fahrdienste werden durch die eingesparten Gehaltskosten bei den streikenden GDL-Fahrern mehr als ausgeglichen.“ Es sei faktisch so, „dass mit den GDL-Fahrern ausgerechnet solche Fahrer streiken, die die höchsten Fahrerlöhne in Deutschland kassieren“. Sie müssten nun zwangsläufig durch Fahrer privater Unternehmen ersetzt werden, die weniger verdienen, aber mehr arbeiten.
Die GDL reagierte empört: GDL-Sprecher in München, Achim Beyer, zur AZ: „Das ist ein Druckmittel, um den Leuten Angst zu machen, dass die Arbeitsplätze wegfallen.“ Was die Leiharbeiter betreffe, mache er sich wenig Sorgen. Denn vor allem U-Bahn- und Tramfahrer von woanders müssten aufwändig eingearbeitet werden, bevor sie in München fahren. „Das geht nicht innerhalb von paar Tagen“, betonte Beyer.
König zieht noch ganz andere Register, um mögliche Ausfälle auszugleichen: Mitarbeiter, die in der Freizeit einspringen, bekommen eine Aufwandsentschädigung von 30 Euro pro Dienst, bestätigte MVG-Sprecher Miehling der AZ. Der Betrag müsse versteuert werden. Bei der GDL war vielmehr von einer „Anti-Streik-Prämie“ die Rede. Die 30 Euro seien ein Anreiz, nicht zu streiken.
ah