Lehrer-Notstand: Aufstand in Haar
Kunst? Gestrichen! Schülerzeitung? Gestrichen! Förderunterricht? Gestrichen! Jetzt formiert sich an einer Grundschule in Haar eine Eltern-Initiative gegen die Kürzungen.
HAAR Als ihre Tochter plötzlich nicht mehr in die Schule gehen will, ist für Bettina Endriss das Maß voll. „Sie liebt die Schule, aber nach wochenlangem Vertretungsunterricht mit teilweise drei verschiedenen Lehrern am Tag, wollte sie nicht mehr hin“, berichtet die Mutter. Es war im Frühjahr, als an der Grundschule am Jagdfeldring in Haar plötzlich eine Lehrerin krank wurde. Ersatz gibt es nicht.
Wochenlang wird für die 29 Schüler der Unterricht so unbeständig wie das Wetter im April: Hausaufgaben und Tests gibt es nicht mehr. Statt um 12 oder 13 Uhr werden die Kinder schon um 11.15 Uhr nach Hause geschickt.
„Eine allein erziehende Mutter hat vor Wut geweint, weil sie die Betreuung ihres Kindes nicht stemmen konnte“, erinnert sich Bettina Endriss. Das ist der Punkt, an dem es ihr zu viel wird. Sie gründet eine Elterninitiative und organisiert selbst Ersatz – eine pensionierte Lehrerin übernimmt für ein paar Wochen den Unterricht in der 3c.
„Wir mussten das Geld für die Ersatzlehrerin zusammenbetteln“, sagt Bettina Endriss. ,„Das Schulamt hat am Ende schon gezahlt.“ Es ist die Gleichgültigkeit bei den Behörden, die die Mutter besonders ärgert: „Überall, wo man anruft, hört man, da können wir gar nichts machen. Ob beim Schulamt oder dem Kultusministerium.“
Wegen des Lehrerengpasses fällt an der Grundschule auch der Förderunterricht für die Migrantenkinder aus, und das sind in Haar etwa ein Drittel aller Schüler. „Wir haben immer wieder Kinder, die zu uns kommen ohne ein Wort Deutsch sprechen zu können, zum Beispiel ein 8-jähriger Bub aus Thailand“, sagt die Rektorin der Schule, Monika Modrow-Lange. „Um die einzugliedern, bräuchten wir zusätzliche Lehrer.“ Doch die zugeteilten Pädagogen reichen nicht mal, um die Arbeitsgruppen weiter zu bestreiten: Kunst und Schülerzeitung wurden dieses Schuljahr ersatzlos gestrichen.
Und auch die Probleme mit den Klassenlehrern nehmen kein Ende: Am letzten Ferientag wird eine weitere Lehrerin schwer krank und die nächste Klasse landet auf dem Verschiebebahnhof. Nach einer hochschwangeren Vertretung und einer Lehrerin, die die Klasse nur teilweise betreuen konnte, kam vor zwei Wochen endlich eine mobile Reservekraft, die bis zum Übertritt in der Klasse bleiben soll.
Rektorin Monika Modrow-Lange versteht die Sorgen der Eltern. Dass an ihrer Schule die Kinder besonders leiden sieht sie nicht: „Ich denke, dass unsere Schule da im Durchschnitt liegt“, meint sie. „Wenn Lehrer fehlen, ist das natürlich blöd, aber beim Schulamt können sie auch nichts aus dem Hut zaubern.“
Vor drei Wochen haben die Eltern eine Petition beim bayerischen Landtag eingereicht und die Situation an ihrer Schule geschildert. Resonanz gab es bisher keine. Johanna Jauernig
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